Lange hatte ich mich geweigert, ein Netflix-Abo abzuschließen. Dabei lag bereits seit Jahren ein Gutschein im Regal und den Probemonat hätte es ja auch gegeben. Aber mir ging es nicht ums Geld, sondern die Zeit. Wie passend für diese Serie. Da sich meine lieben Kollegen stets über „Dark“ ausgetauscht haben, und ich nicht mitreden konnte, bekam ich zum Geburtstag einen (weiteren) Netflix-Gutschein, gekoppelt an den Auftrag, nun auch endlich „Dark“ zu sehen. Da konnte ich nun nicht mehr nein sagen. Ob mich meine erste Netflix-Serie, abgesehen von der ersten Staffel „House of Cards“ und drei Staffeln „Narcos“, letztendlich zu begeistern wusste? 🕰

Dark | © Netflix
Wenn man von „Dark“ spricht, muss man natürlich auch erwähnen, dass es sich um die erste deutsche Netflix-Produktion handelt. Doch die Serie war auch ein internationaler Erfolg, was durchaus bemerkenswert ist. Interessanterweise besitzt sie auch etliche Stärken und Schwächen internationaler Produktionen, kann dabei jedoch ihren ganz eigenen Stil finden. Schon alleine deshalb lohnt sich das Reinschauen. Doch ich greife vorweg…
Staffel 1: „Lost“ im „Twin Peaks“-Mantel
Was für eine Serie. Die Produktionswerte sind enorm hoch und ich konnte teils kaum glauben, dass es sich hierbei um eine deutsche Serie handelt. Das soll deutsche Serien nicht abwerten, denn mit „Weissensee“, „Bad Banks“ oder „Sløborn“ gab es in den letzten Jahren viele hochwertige Produktionen. Zudem schaut Netflix natürlich sehr auf internationale Verwertbarkeit. Der Look von „Dark“ ist besonders. Er produziert bewusst ikonische Bilder. Jonas im gelben Mantel vor den Windener Höhlen ist Popkultur made in Germany. Der Score ist speziell und passt unfassbar gut zu den Bildern. Inhaltlich baut „Dark“ in der ersten Staffel das perfekte Mysterium auf. Irgendwo zwischen „Twin Peaks“ und „Lost“. Das Ticken der Uhr kurz vor dem erzählerischen Zeitsprung erinnert an die Szenenübergänge aus J. J. Abrams‘ Hitserie bevor in die Flashbacks gesprungen wurde. Die Geschichte ist komplex und emotional. Man muss schon wirklich am Ball bleiben, um einen Überblick über die verschiedenen Figuren in den unterschiedlichen Zeitebenen zu behalten. Aber das macht auch den Reiz der Geschichte aus. Manchmal hätte ich mir gewünscht, dass die Autor*innen die mysteriösen Mysterien weniger schwülstig erzählt hätten. Gerade Noah war mir zu religiös verschwurbelt. Aber wer weiß, was da noch kommt? So oder so eine fantastische erste Staffel, die Lust auf mehr macht: 9/10 (9.3) Punkte.
Staffel 2: „Donnie Darko“ trifft „Predestination“
In der zweiten Staffeln erweitern die Autoren die Welt ihrer Serie enorm. Wir lernen Adam und die Mythologie der Reisenden kennen. Dabei bewegen wir uns auf noch mehr Zeitebenen. Das ist einerseits logisch, andererseits nimmt es auch ein wenig vom Mysterium bzw. zeigt zumindest eher die Richtung auf, in die sich die Serie entwickeln wird. Atmosphärisch hat mich „Dark“ hier häufig an „Donnie Darko“ erinnert, gerade was Jonas‘ Rolle angeht und ganz im Speziellen die Episode „Ein unendlicher Kreis“ (für mich die beste der ganzen Serie). Auch die Montagen rund um einen Song, die in jeder Episode das letzte Drittel einläuten, haben etwas von der Sogwirkung des Zeitreise-Kultfilms. Inhaltlich musste ich auch häufiger an „Predestination“ denken, der das Großvater-Paradoxon bisher, zumindest bis „Dark“, am meisten auf die Spitze getrieben hat. Ansonsten fand ich es ein wenig seltsam bzw. eben im Sinne der Autoren konstruiert, dass zunächst niemand über die seltsamen Zeitphänomene spricht, in den letzten Episoden aber nahezu jeder wichtige Charakter eine Zeitmaschine zu besitzen und diese auch zu benutzen scheint. Ganz am Ende steht dann noch ein weiterer Twist, den ich ein wenig aufgesetzt fand, mich aber sehr neugierig auf das große Finale blicken lässt: 9/10 (9.3) Punkte.
Staffel 3: Zeitreisen auf 11 gedreht
Auch die dritte Staffel hat vielversprechend begonnen. Tatsächlich fand ich das Konzept der Parallelwelt zu Beginn noch interessant, da die erste Episode uns noch gemächlich in diese einführt. Dann jedoch kommt es immer schneller zu Zeitsprüngen und einem Wechsel der Welten. Gerade im letzten Drittel übertreiben es die Autoren damit. Die Sprünge geschehen im Minutentakt, die Figuren bleiben ziemlich auf der Strecke. Und damit leider auch das, was „Dark“ in den ersten beiden Staffeln so faszinierend gemacht hat. Eben die Abgründe einer Stadt, die durch das Zeitreisen extrapoliert werden. Hier wird es jedoch zu einem Kampf zwischen zwei Figuren um das Überleben der Welt(en). Auch wenn ich die Serie inhaltlich in eine andere Richtung entwickelt hätte, so ist sie audiovisuell weiterhin ein großer Genuss. Auch so manches Einzelschicksal ist bedrückend: Etliche Charaktere finden ihr Ende, was ihnen häufig (teils bewusst, teils unbewusst) durch ihre eigenen Eltern oder auch Kinder zuteil wird. Sehr bitter. Dann das Finale, das noch einmal einen anderen Aspekt aufmacht. Leider wird nicht gemächlich darauf hingearbeitet, so dass es zu keiner großen Überraschung kommt, sondern der Kniff, fast wie ein Taschenspielertrick, in den letzten beiden Episoden aus dem Hut gezaubert. Wie toll wäre es gewesen, wenn schon seit der zweiten Staffel stets Hinweise darauf gestreut worden wären (und damit meine ich nicht seltsame Darstellungen im Buch der Reisenden)? Aber davon abgesehen, fand ich das Finale großartig und emotional befriedigend (auch hier werden Erinnerungen an „Lost“ wach). Für mich zweifellos die schwächste Staffel, aber ein exzellenter Abschluss der Serie: 8/10 (8.1) Punkte.
Fazit
Ich bin sehr froh, dass ich dezent zur Sichtung von „Dark“ überredet wurde. Gerade über ihre ersten beiden Staffeln bietet die Serie großartige Mystery-Unterhaltung, wie ich sie in dieser Intensität nur selten erlebt habe. Leider verliert sich die Serie in ihrer dritten Staffel ein wenig in ihrer übersteigerten Komplexität und lässt dabei ihre eigentlichen Stärken hinter sich. Spannend bleibt es dennoch weiterhin. Für Freunde von Mystery, Zeitreisen und außergewöhnlichen (deutschen) Serien definitiv eine dicke Empfehlung: 9/10 (8.9) Punkte.
Gelungene, vor allem sehr stimmungsvolle Serie mit drei Schwächen: x-fach wiederholte, redundante Dialoge (teilweise von den Schauspielern etwas zu überbetont), streckenweise plumpe Streicher-Crescendi und die aus meiner Sicht irgendwann nur noch einfallslosen Montageszenen. Das ist ein Stilmittel, was man ein- oder zweimal pro Staffel machen kann, aber nicht in der Hälfte der Folgen.
Wertung:
Staffel 1: 8/10
Staffel 2: 7/10 (der „undankbare“ Mittelteil)
Staffel 3: 8/10
https://www.kino.vieraugen.com/tag/dark/
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Ja, die Dialoge fand ich auch zu theatralisch und bedeutungsschwanger. Überhaupt konnte ich mit dem großen Kampf zwischen Adam und Eva nicht so viel anfangen. Aber das sind wirklich Details, die den Genuss kaum schmälern. Interessant, dass du die zweite Staffel deutlich schwächer empfunden hast.
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Das mit dem Taschenspielertrick-Finale trifft es ziemlich genau. Ich hätte mir auch gewünscht, dass man nach dem Ende die ganze Serie nochmal mit „neuen Augen“ hätte anschauen können, um dann richtiggehend wegen der früh gestreuten Hinweise weggeblasen zu werden. Aber letzten Endes habe ich das „Rundumsorglospaket“ der letzten Episode sehr dankbar angenommen, weil irgendwo ab Mitte der 3. Staffel habe ich mir nur noch Fragezeichen über den Kopf gemalt.
Dietrich Hollinderbäumer aus „Pastewka“ und der „heute show“ werde ich hingegen nie wieder so sehen können wie vorher.
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Ja, das sehen wir ähnlich. Dennoch glaube ich durchaus, dass die Autorin dem groben Bogen schon von Beginn an im Kopf hatte. Aber eben noch nicht ausdefiniert genug, um z.B. die Ursprungswelt schon früher dezent einzuführen. Aber es ist wie du sagst: Das Finale hat dann alles wett gemacht und lässt die Serie positiv nachklingen.
Den Schauspieler habe ich davor noch nicht gekannt, doch hier war sein Auftritt sehr imposant. Gerade seine Sprechweise und Betonung. Toll!
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Wirklich keine Folge von Pastewka gesehen? Da spielt er den Vater von Bastian. Kann man sich ruhig mal geben, ist ein super witziger Typ, der Dietrich.
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Doch, in die erste Staffel hatte ich damals mal reingeschaut und bestimmt habe ich am Rande auch Dietrich Hollinderbäumer wahrgenommen. Aber das ist schon zu lange her als dass ich hier eine Verbindung hätte herstellen können… 😉
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Jupp. So sehe ich das auch. Gerade Staffel 3 verliert sich sehr… aber immerhin richten sie das im Finale wieder ganz gut, wie ich finde.
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Das fasst meine ausführliche Besprechung wunderbar in einem Satz zusammen. Bin ganz bei dir.
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