Wenn es eine TV-Serie gibt, die ursprünglich meine Begeisterung für US-Dramaserien geweckt hat, dann ist das wohl „Lost“ von Serienaltmeister J.J. Abrams. Nach sechs Staffeln ist der Ausflug nun vorbei. Kaum zu glauben. Keine andere Serie hat mich – zumindest zu Beginn – so an den Bildschirm gefesselt, wie dieses mysteriöse Inseldrama. Auch wenn die Serie ihre Qualität auch nicht über die komplette Laufzeit halten konnte, so wird sie für mich doch immer einen besonderen Stellenwert einnehmen.

Während der ersten beiden Staffeln zählte „Lost“ eindeutig zu meinen absoluten Lieblingsserien. So herrlich mysteriös, so unglaublich spannend und so wunderbar erzählt. Die – zumindest in den ersten Staffeln noch – geschickte Verquickung von zwei Zeitebenen brachte dem Zuschauer die Charaktere viel näher, als dies durch einen einzelnen Handlungsstrang möglich gewesen wäre. Ein netter Kniff, den man so konsequent umgesetzt wohl noch in keiner erfolgreichen Mainstream-TV-Serie gesehen hatte. Man darf hier wohl durchaus berechtigt von innovativer Fernsehunterhaltung sprechen, auch was Budget und Inszenierung angeht.
Leider nahm die Qualität der einzelnen Staffeln mit steigender Zahl ab. Bereits in der dritten Staffel war ein kleiner Einbruch zu spüren, der sich leider bis zum inhaltlich unbefriedigenden Finale fortsetzte. Während der ersten beiden Staffeln war man komplett der Insel ausgeliefert. Unzählige Geheimnisse, ebenso viele Überraschungen – ich denke hier alleine an die grandiose Eröffnungssequenz der zweiten Staffel – und emotionale Charaktermomente. So wunderbar, dass ich am liebsten eine Folge nach der anderen verschlungen hätte.
Dann jedoch wurde das Ensemble immer mehr erweitert und ich hatte das Gefühl, dass die Mysterien nur noch dem Selbstzweck dienten. Nach durchaus unterhaltsamen pseudowissenschaftlichen Erklärungen fand man in der fünften Staffel eher wieder zum Übernatürlichen zurück und führte zwei neue Spieler ein. Zu diesem Zeitpunkt war ich anfangs zwar verwirrt, hatte jedoch das Gefühl die Autoren wüssten zumindest was sie tun. Nach der finalen Staffel sehe ich das nun mit anderen Augen. „Lost“ ist an meinen Erwartungen gescheitert. Bis zum Finale lieferten die Autoren das, was die Fans sehen wollten: Geheimnisse über Geheimnisse. Am Ende blieb jedoch nicht mehr viel davon übrig. Kaum eine aufgeworfene Frage wurde beantwortet und man hat sich einzig und allein auf den emotionalen Charakter der Serie verlassen.
Bin ich enttäuscht? Inhaltlich auf jeden Fall. Wenn man es genau betrachtet ist die Insel samt ihrer Mysterien nichts weiter als ein überdimensionierter MacGuffin – nicht mehr und nicht weniger. Man hat hier den einfachen Ausweg genommen. „Lost“ war schon immer auch ein exzellentes Charakterdrama und als solches funktioniert auch das Finale tadellos. Doch war die Serie eben auch viel mehr und somit war ich umso enttäuschter, dass die Autoren ihr Versprechen eines großen Plans nicht einlösen konnten. Trotz der inhaltlichen Mängel gehe ich emotional befriedigt aus der Serie heraus und das kann man den Machern durchaus zugute halten. Über die fallengelassenen Mysterien kann man sich nun selbst noch den Kopf zerbrechen – oder eben auf die Zeichentrickserie mit Hurley und Ben als Hauptfiguren warten, denn letztendlich ist auch „Lost“ eben nur kommerzielle Unterhaltung und somit hat ABC/Disney wohl auf ein massenkompatibles und notfalls wohl auch ausschlachtbares Finale geschielt. Dies soll allerdings den Stellenwelt der vorangegangenen Staffeln nicht schmälern. Hier meine Einzelwertungen:
1. „Lost – Season 1″ (10/10)
2. „Lost – Season 2″ (10/10)
3. „Lost – Season 3″ (9/10)
4. „Lost – Season 4″ (8/10)
5. „Lost – Season 5″ (8/10)
6. „Lost – Season 6″ (7/10)
Die meisten „Lost“-Freunde der ersten Stunde werden sich wohl – wie auch ich – trotz Enttäuschung hauptsächlich an die guten Zeiten erinnern. Und was das für Zeiten waren. Kaum eine zweite Serie hat so zum Mitraten eingeladen und so für hitzige Diskussionen gesorgt. Seinen Stellenwert in der modernen Popkultur kann man J.J. Abrams Inseldrama sowieso nicht mehr absprechen. Doch auch wer noch nicht reingeschaut hat und aufgrund der durchwachsenen Kritiken nun abgeschreckt wurde, sollte sich einen Ruck geben und der mysteriösen Insel einen Besuch abstatten. Doch Vorsicht, ihr werdet so schnell nicht wieder von ihr loskommen: 9/10 Punkte.