Danny Boyle ist zurzeit wohl einer der wandlungsfähigsten Filmemacher. Egal ob stilbildender Drogenfilm, Zombie-Schocker oder Science-Fiction. Der Mann fühlt sich in jedem Genre zu Hause. Mit „Slumdog Millionär“ schuf er vor zwei Jahren sogar den großen Abräumer bei den Acadamy Awards. Auch sein jüngstes Werk „127 Hours“ ist bei der Kritik größtenteils gut angekommen und Danny Boyle erschließt für sich damit abermals ein neues Genre. Man darf gespannt sein, was uns der Mann in Zukunft noch bescheren wird.

Nun aber zum Film, der hier besprochen werden soll: Die Geschichte von „127 Hours“ hat mich schon gereizt als ich das erste Mal davon hörte. Zum einen das Abenteuer und die wahre Begebenheit als Grundlage, die mich augenblicklich an den grandiosen „Into the Wild“ denken ließ. Zum anderen das begrenzte Setting und ein Schauspieler, der den gesamten Film tragen muss. Nicht zuletzt hat für mich auch die Regie einen großen Teil des Interesses ausgemacht. Was wird Danny Boyle wohl aus diesem Einpersonenstück zaubern? Ein intimes Rührstück? Wird die Prämisse nur Grundlage für eine größere Geschichte werden? Welchen Filmstil wird er wählen? Letztendlich hat „127 Hours“ dann ziemlich genau das geliefert, was man sich erhoffen durfte.
James Franco spielt den unbedachten Abenteurer Aaron Ralston wirklich äußerst überzeugend. Man kann mit ihm mitfühlen. In manchen Szenen sogar viel zu gut. Die digitale Handkamera bleibt stets sehr nah an der Hauptfigur. Normalerweise mag ich den überaus digitalen Look nicht, doch hier wird die – im wahrsten Sinne des Wortes – festgefahrene Situation durch die dynamische Kameraarbeit sehr effektiv aufgelockert. Auch der kunterbunte Prolog hat mir ausgezeichnet gefallen. Man lernt Aaron Ralston somit in seiner natürlichen Umgebung kennen und weiß, dass er trotz seines Übermuts ein erfahrener Kletterer ist.
Die Szenen im Canyon werden schließlich durch kurze Erinnerungsfragmente aufgebrochen, was oft etwas plakativ wirkt, doch ebenso ziemlich realistisch. Wer kennt diese kurzen Gedankenfetzen in Extremsituationen oder kurz vor dem Einschlafen nicht? Rein inszenatorisch gesehen nutzt Danny Boyle diese Szenen natürlich auch, um das recht begrenzte Szenario aufzufrischen. Ich möchte ihnen jedoch keinesfalls ihren dramaturgischen Wert absprechen.
„127 Hours“ ist nach dem beinahe schon epischen „Slumdog Millionär“ ein eher kleiner und persönlicher Film, der jedoch so packend und mitreißend inszeniert wurde, dass er Boyles Oscar-Gewinner in nahezu nichts nachsteht. Die berüchtigte Amputationsszene empfand ich auch als sehr schwer anzusehen, doch war diese drastische Darstellung meiner Meinung nach nötig für den Film. In oberflächlichem Gore badet Boyle glücklicherweise zu keinem Zeitpunkt und der beinahe schon übermenschliche Eingriff wird auch nicht verharmlost.
In meinen Augen ist es Danny Bolye und James Franco gelungen aus einer kammerspielartigen Ausgangssituation ein mitreißendes und vor allem lebendiges sowie hoffnungsvolles Abenteuerdrama zu schaffen. Teils anstrengend, teils befremdlich, doch stets sehenswert. Sicher nicht Boyles bester Film, doch mit Sicherheit das Beste, was man aus der begrenzten Prämisse herausholen kann: 8/10 Punkte.