Die Oscars sind verliehen, die Berichterstattungen geschrieben und es kehrt wieder Normalität in die filmische Blogosphäre ein. Man kann sich als Filmfreund wahrlich nicht über mangelnde Informationen beklagen. Jeder kleinste Aspekt wurde angesprochen: von den Entscheidungen der Jury, über Frisuren und Kleider bis hin zum Unterhaltungswert des Moderators. Über ein Thema habe ich jedoch noch nichts gelesen: den Protest der VFX-Branche ausgelöst durch Ang Lee, „Life of Pi“ und die Academy.
In den letzten Tagen habe ich bemerkt, dass einige meiner Facebook-Kontakte ihr Profilbild durch ein grünes Rechteck ersetzt hatten. Diese Menschen arbeiten in der VFX-Branche (ob Film, Werbung oder andere verwandte Bereiche) und wollen damit ein Zeichen setzen. Die grüne Fläche symbolisiert, wie die meisten Filmszenen heute ohne die Arbeit der Effektindustrie aussehen würden.
Die Kritik richtet sich gegen den Preisverfall und die Ausbeutung von Künstlern, die meist pauschal bezahlt werden und nichts vom Kassenerfolg der großen Blockbuster abbekommen. VFX-Studios unterbieten sich gegenseitig, um überhaupt an Aufträge zu kommen und verkaufen sich, ihre Künstler und ihre Arbeit damit unter Wert. Eine Situation, die – wie man an den Entlassungswellen der großen Studios, wie Digital Domain, Pixomondo oder aktuell Rythm & Hues – bereits länger anhält. Warum ist die Situation jedoch eskaliert und was hat das mit den Oscars zu tun?
Auslöser war wohl, dass Ang Lee in seiner Dankesrede für „Life of Pi“ nicht auf die VFX-Künstler einging und sich zum Konkurs von Rythm & Hues – wohlgemerkt dem Animationsstudio, das die Effekte seines Oscar-Films zauberte – folgendermaßen äußerte:
„I would like it to be cheaper and not a tough business [for VFX vendors]. It’s easy for me to say, but it’s very tough. It’s very hard for them to make money. The research and development is so expensive; that is a big burden for every house. They all have good times and hard times, and in the tough times, some may not [survive].“
Besonders die Äußerung „I would like it to be cheaper (…)“ ist natürlich ein Schlag ins Gesicht jeden Künstlers, der für Ang Lees Erfolgsfilm unbezahlt Überstunden geschoben hat und dank des Konkurses jetzt auf der Straße steht.
Weiterhin hat man die Dankesrede von Bill Westenhofer (VFX Supervisor von „Life of Pi“) exakt in dem Moment abgeschnitten, als er auf die schwierige Situation bei Rythm & Hues eingehen wollte. Verständlich also, warum sich die VFX-Branche zurzeit in Aufruhr befindet – auch wenn natürlich weder Ang Lee noch die Academy direkt für ihre Situation verantwortlich ist.
Ob aus diesem Protest letztendlich handfeste Konsequenzen gezogen werden, oder ob die Effektindustrie letztendlich wieder vor den großen Filmstudios einknickt, wird sich noch zeigen müssen. Ich bin gespannt und drücke den Künstlern die Daumen. In kleinerem Maßstab lässt sich die Situation übrigens auf nahezu alle Bereiche der Medien- bzw. Kommunikationsbranche übertragen: Die Kunden wollen immer mehr und sind nicht bereit dafür zu bezahlen – und wir machen das alles schön brav mit…
Wie steht ihr zu dem Thema? Habt ihr das überhaupt mitbekommen? Ist es euch egal? Oder findet ihr den Protest überzogen?
Lesenswerte Links zum Thema:
- An Open Letter to Ang Lee (VFX Soldier)
- A Piece of the Pie (Thinking Animation)
- Blockbuster movies without visual effects (Before VFX)
- Effects Community Mobilizes at Hollywood Protest (The Hollywood Reporter)
- How the Oscars proved Hollywood is killing the VFX industry (io9)
- „Jaws“ Music Cuts Off „Life of Pi“ Visual Effects Team Oscar Speech (Huffington Post)
- The Oscar protest that you didn’t know happened (The Big Social Picture)
- VFX Solidarity International (Facebook)