Avatar: Aufbruch nach Pandora – Kinofassung (2009) (WS2)

Weil der Kinostart des zweiten Teils kurz bevor steht, haben wir uns beim heutigen Filmabend noch einmal „Avatar: Aufbruch nach Pandora“ angesehen. Zum ersten Mal mit den Kindern und zum ersten Mal die 3D-Fassung in den heimischen vier Wänden. Da der Film trotz (oder wohl eher aufgrund) seines Erfolgs viel Hass und Häme erfährt, kann ich in der folgenden Besprechung vielleicht erläutern, warum er mir immer noch ausgesprochen gut gefällt. 🏹🌍

Avatar: Aufbruch nach Pandora (2009) | © 20th Century Studios

Avatar: Aufbruch nach Pandora (2009) | © 20th Century Studios

Ein unwahrscheinlicher Kinoerfolg

Ich kann mich nur wiederholen: Bis heute kann ich nicht verstehen, warum ausgerechnet dieser Film 2009 so viele Menschen, inklusive mich, ins Kino gezogen hat. Bei James Camerons „Titanic“ war der Erfolg für mich nachvollziehbarer. Eben eine massenkompatible Geschichte in einem Genre, das für jeden Zuschauertyp geeignet war. „Avatar“ dagegen ist doch eher ziemlich spezifische Genrekost und wartet gerade im ersten Drittel mit recht harter Sci-Fi und Kriegsästhetik auf. Eher typisch für den James Cameron der 1980er Jahre. Damals war er zwar auch erfolgreich, aber doch eher für ein bestimmtes Publikum. „Avatar: Aufbruch nach Pandora“ hat dagegen die ganze Welt gesehen. Ein Grund dafür ist bestimmt die, inzwischen auch von vielen gehasste, 3D-Technik, die „Avatar“ wie kaum ein zweiter Film einzusetzen weiß. Selbst auf meinem eher überschaubaren 60-Zoll-Fernseher sieht der Film damit unglaublich immersiv und beeindruckend aus. So gut hat das kein(e) zweite(r) Regisseur*in hinbekommen.

Bei der Technik sind sich die meisten Zuschauer*innen noch einig und können „Avatar“ ein gewisses Erfolgsmerkmal attestieren. Inhaltlich sieht die Sache schon anders aus: „Pocahontas“ im Weltraum, „Die Schlümpfe“ in gigantisch usw. sind so die typischen Dinge, die man gerne im Zusammenhang mit „Avatar“ liest. Tatsächlich gewinnt die Geschichte keine Innovationspreise, doch ist die Art des Storytellings tatsächlich etwas Besonderes: James Cameron gestaltet Jake Sullys Weg unglaublich immersiv und mitreißend. Häufig blicken wir direkt durch seine Augen und lernen Pandora durch eben diese kennen. Das Pacing funktioniert perfekt und es gibt etliche Setups mit Payoff. Die Struktur von „Avatar“ funktioniert einfach wie eine gut geölte Maschine. Neben der imposanten Technik ist dies bestimmt einer der Hauptaspekte, warum der Film so erfolgreich war.

Pandora wirkt wie ein lebendiger Planet

Warum ich persönlich so viel Freude an „Avatar“ habe, liegt wohl tatsächlich am typischen Cameron-Sci-Fi-Look mit harten Marines, dreckigen Mechs, High-Tech-Kommandozentralen und 80er-Jahre-Bösewichten. Als hätte er den Look von „Aliens: Die Rückkehr“ ins neue Jahrtausend geholt. Daneben mag ich den Kontrast zur organischen Welt Pandoras: Der Planet sieht auch heute, 13 Jahre(!) nach Erscheinen, noch unglaublich gut aus: Flora und Faune scheinen zu leben und zu atmen. Die Na’vi sehen nicht aus wie Computerfiguren, sondern wirken unfassbar realistisch. Gerade auch im Zusammenspiel mit den menschlichen Akteuren und der harten Technik. Neben all dem mag ich auch die simple Botschaft des Films: Der Mensch beutet die Ressourcen eines Planeten aus und zerstört diesen dabei. Längst leben wir in dieser Realität und haben es dennoch nicht begriffen. Das kann man der Menschheit, und sei es nur den Kinobesucher*innen, gar nicht oft genug erzählen.

Fazit

Nein, ich verstehe immer noch nicht, wie man „Avatar“ teils mit soviel Abscheu begegnen kann. Auch wenn ich immer noch nicht ganz begreife, warum gerade dieser Film so erfolgreich war. Ich habe jede Minute genossen und hätte gerne noch mehr Zeit auf Pandora verbracht. Leider jedoch gibt es den Extended Collector’s Cut nicht in 3D. Die Kinder waren extrem begeistert und dies war wohl auch der erwachsenste Film, was Gewaltlevel und Gesamtkonzept angeht, den ich bisher mit ihnen gesehen habe. Nun freuen wir uns alle schon auf „Avatar: Der Weg des Wassers“, den wir hoffentlich gemeinsam im Kino sehen können werden: 9/10 Punkte. (Zappelinchen: 10/10 Punkte; Zwergofant: 10/10 Punkte.)

Pirates of the Caribbean: Am Ende der Welt – OT: Pirates of the Caribbean: At World’s End (2007) (WS2)

Auf den heutigen Filmabend habe ich mich schon seit Anfang der Woche gefreut. Das große Ziel nach den ersten fünf Arbeitstagen nach dem Sommerurlaub. Endlich entspannt durchschnaufen. Natürlich stand „Pirates of the Caribbean: Am Ende der Welt“ auf dem Programm, nachdem uns zuletzt der erste Teil und der zweite Teil der Reihe zu begeistern wussten. Konnte das Finale der ursprünglichen Piraten-Trilogie auch für den erwarteten Entspannungseffekt sorgen? ☠

Pirates of the Caribbean: Am Ende der Welt (2007) | © Walt Disney

Pirates of the Caribbean: Am Ende der Welt (2007) | © Walt Disney

Ein bittersüßer Abschluss der Piraten-Trilogie

Heute habe ich „Pirates of the Caribbean: Am Ende der Welt“ nach der ersten Sichtung im Kino sowie der Wiederholungssichtung 2011 bereits zum dritten Mal gesehen. Nach den ersten beiden Begegnungen war ich nicht so begeistert, wie von den ersten beiden Teilen. Heute jedoch konnte ich dem Abschluss der Trilogie mehr abgewinnen. Schon ab den ersten Minuten eröffnet sich uns Zuschauer*innen der unglaubliche Bombast, mit dem Gore Verbinski sein Abenteuer inszeniert hat: Viele gebaute Sets, handgemachte Explosionen und aufwändige Kostüme. Auch heute noch herrlich anzusehen. Auch die VFX haben nichts von ihrer Qualität eingebüßt. Wenn ich alleine an den Endkampf im Strudel denke mit unzähligen CGI-Figuren im Regen, dann bin ich immer noch beeindruckt.

Die Geschichte ist deutlich düsterer als in den beiden Vorgängern. Zwar blitzt hier und da noch das bunte Piratenabenteuer rund um Captain Jack Sparrow auf, doch überwiegen die dramatischen und auch tragischen Elemente. Speziell das Finale der Liebesgeschichte zwischen Elizabeth Swan und Will Turner ist unerwartet bittersüß für einen Hollywood-Blockbuster dieser Größenordnung. Bei den letzten Sichtungen mochte ich diese Tragik nicht, doch heute hat sie mir gefallen. Es ist auch das Element, warum mir der dritte Teil bisher doch immer im Gedächtnis geblieben ist. Insgesamt bin ich ohnehin erstaunt, was die Drehbuchautoren aus der simplen Grundidee gestrickt haben. Eine eigene Welt mit ganz eigenen Regeln. Den Kindern waren die unzähligen Wendungen und Beziehungen der Figuren untereinander fast schon zu viel und ich musste während des Films einiges erklären. Dennoch hat sie die Düsternis erstaunlich wenig gestört. Das hatte ich nicht so erwartet. Aber das zeigt auch, dass „Pirates of the Caribbean: Am Ende der Welt“ durchaus Humor besitzt, der eben nur gezielter eingesetzt wird. Ein Mix, der nicht immer rund wirkt, am Ende aber doch erstaunlich gut funktioniert. Damit definitiv einer der ungewöhnlichsten und interessantesten der großen Franchise-Filme.

Fazit

So gut wie heute hat mir „Pirates of the Caribbean: Am Ende der Welt“ bisher noch nie gefallen. Dennoch bleibt es für mich der schwächste Teil der originalen Trilogie. Die ausbleibenden Fortsetzungen sind für mich ohnehin nur nette Zugaben. Die Kinder freuen sich dennoch bereits darauf. Ein beeindruckend stimmungsvoller Abschluss der Kerngeschichte: 8/10 Punkte. (Zappelinchen: 10/10 Punkte; Zwergofant: 10/10 Punkte.)

Die Taschendiebin – OT: Agassi – Extended Cut (2016)

Es hat sich recht spontan ergeben, dass beide Kinder heute außer Haus übernachten. Was also tun? Im Kino läuft zurzeit nichts Interessantes, also sind wir (wie die Rentner um 17:30 Uhr) essen gegangen und waren schon recht bald wieder zu Hause. Viel Zeit für eine passende Abendunterhaltung, weshalb wir uns für die Langfassung von Park Chan-wooks „Die Taschendiebin“ entschieden haben. Spoiler sind zu erwarten.

Die Taschendiebin (2016) | © Koch Media GmbH

Die Taschendiebin (2016) | © Koch Media GmbH

Es kommt ganz auf die Perspektive an

Eigentlich weiß man über den Film bereits zu viel, wenn man die Inhaltsbeschreibung auf dem Cover liest. Die erste Wendung ereilt uns unwissende Zuschauer jedoch bereits nach ca. einer halben Stunde, weshalb das noch zu verschmerzen ist. Danach hält uns der Film mit seinen unterschiedlichen Erzählperspektiven jedoch gehörig auf Trab. Ich wurde wirklich mehrfach überrascht und bin trotz der Laufzeit von beinahe drei Stunden stets aufmerksam am Ball geblieben. Inhaltlich ist „Die Taschendiebin“ wahrlich ergiebig. Zusammen mit der eleganten bis pompösen Inszenierung ergibt sich ein faszinierendes Gesamtbild, das beständig zwischen Arthouse und Exploitation schwankt. Zumindest wenn man den Film auf seine Extreme beschränkt. Dazwischen bietet die Geschichte jedoch etliche ergiebige Details, die viel Freude bereiten.

Während der ersten halben Stunde hat sich „Die Taschendiebin“ für mich noch etwas sperrig angefühlt. Eher nach südkoreanischem Kostümdrama als einem mitreißenden Mystery-Drama. Wie bereits in „Oldboy“ begibt sich Park Chan-wook jedoch auch hier schon bald in Abgründe und bereitet seinen Figuren so manch schmerzhaften Moment. Dabei hält der Film für die beiden Hauptcharaktere ein glückliches Ende parat. Das war für mich letztendlich wohl auch die größte Überraschung an „Die Taschendiebin“.

Erotik als fester Bestandteil der Geschichte

Park Chan-wook inszenierte seinen Film ziemlich explizit, gerade was die Sexszenen angeht. Selten hatte ich jedoch das Gefühl, dass diese weniger dem Voyeurismus dienen, als ein essenzieller Bestandteil der Geschichte sind. Die Männer spielen in diesem Film, auch wenn es zu Beginn anders wirken mag, eine eher untergeordnete Rolle. Und sie kommen nie zum Zug, was den sexuellen Befreiungsschlag der beiden Protagonistinnen in der Mitte des Films umso eindringlicher wirken lässt. Neben seiner erotischen Komponente, besitzt der Film auch Humor, viel Drama und lässt uns Zuschauer an mehreren Mysterien teilhaben. Eine sehr ungewöhnliche Mischung, gerade wenn man, wie ich, eher Hollywood-Kino gewöhnt ist.

Fazit

Trotz seiner Andersartigkeit, oder gerade deshalb, konnte mich „Die Taschendiebin“ in vielerlei Hinsicht überraschen. Der Genremix ist ziemlich unvergleichlich und führt nicht nur seine Charaktere auf die falschen Fährten. Umso erstaunlicher, dass sich der Film zu keiner Sekunde zäh oder langatmig anfühlt. Für mich ein wahrlich besonderes Filmerlebnis, das mir noch lange im Gedächtnis bleiben wird: 9/10 Punkte.

Interstellar (2014) (WS1)

Ich mag es nicht verschreien, doch heute war nach dem Magen-Darm-Desaster, das uns die erste Urlaubswoche verhagelt hatte, der erste Tag, an dem es wieder aufwärts ging. Halleluja! Zur Feier des Tages haben wir sogleich einen Film geschaut – und da ich mich immer noch nicht ganz von Cixin Lius „Death’s End“ lösen kann, haben wir uns mit Christopher Nolans „Interstellar“ auch filmisch dem Thema interstellare Raumfahrt zugewandt. Für mich war es schon die zweite Sichtung und ich ich war sehr gespannt, wie der Film im Vergleich zur Sichtung damals im Kino abschneidet…

Interstellar (2014) | © Warner Home Video

Interstellar (2014) | © Warner Home Video

Bis zur Unendlichkeit und noch viel weiter!

Zunächst einmal muss ich kurz auf die formalen Aspekte eingehen, die mir im Heimkino beinahe noch positiver aufgefallen sind, als damals im richtigen Kino. Speziell die auf der Blu-ray eingebundenen IMAX-Sequenzen im 16:9-Vollbild sind extrem beeindruckend und geben einen echten Mehrwert. Ich konnte keine genaue Angabe finden, doch gefühlt bestand der Film zu über 50% aus IMAX-Szenen. Hinzu kommt, dass der Kontrast aus stilisiert wirkenden Weltraumszenen und den dreckig anmutenden Szenen auf der Erde einfach großartig wirkt. Ebenso konnte mich dieses Mal Hans Zimmers Score deutlich mehr begeistern, als noch bei der Erstsichtung. Ein wirklich rundes Paket, das zumindest audiovisuell zu überzeugen weiß. Und wie sieht es auf der inhaltlichen Ebene aus?

Wie schon angedeutet, habe ich mich in letzter Zeit ziemlich intensiv mit dem Thema Raumfahrt in Lichtgeschwindigkeit und darunter auseinandergesetzt. Speziell die Wirkung relativer Zeit ist eines der Hauptthemen in Cixin Lius Roman „Death’s End“. Ich habe mich deshalb sogleich heimisch gefühlt. In „Interstellar“ werden die angewandten Modelle jedoch auf die Basis heruntergebrochen und auch ziemlich plakativ erläutert. Das funktioniert im Film wunderbar, ich hätte mir jedoch mehr Tiefe gewünscht. Auch fand ich die Handlung auf Manns Planet bei der heutigen Sichtung ein wenig langgezogen. Vielleicht liegt das aber auch daran, dass Matt Damon in Nolans Film nur eine Art Negativ-Version seines „Der Marsianer“ spielt. Ansonsten hatte ich nichts auszusetzen: Emotional konnte mich die Geschichte beinahe noch mehr packen, als beim ersten Mal. Auch das Finale hat für mich mehr Sinn ergeben. Hier kam dem Film zugute, dass ich bereits wusste, worauf alles hinausläuft. Ein tolles Erlebnis, das die knapp drei Stunden wie im Flug vergehen lässt.

Fazit

Manchmal funktionieren Filme bei der Zweitsichtung einfach besser. Zumindest hat mir „Interstellar“ heute deutlich besser gefallen, als nach der Erstsichtung. Kennt ihr eigentlich weitere Sci-Fi-Filme, die eher weniger actionlastig sind und sich mit dem Thema interstellare Raumfahrt befassen? Denn bis zur Verfilmung der „The Three-Body Problem“-Trilogie wird es, so befürchte ich, noch dauern (ich persönlich halte gerade die letzten beiden Bände ohnehin für unverfilmbar). Bis dahin ist „Interstellar“ auf jeden Fall ein guter Ersatz, der auch für ein größeres Publikum perfekt funktioniert – und das muss ja nichts Schlechtes sein: 9/10 Punkte.

Blade Runner 2049 (2017)

Es ist unfassbar: Ich habe es dieses Jahr tatsächlich geschafft, die beiden Filme im Kino zu sehen, die ich auch unbedingt im Kino sehen wollte. Nach „Alien: Covenant“ im Mai, habe ich mich gestern mit „Blade Runner 2049“ in die nahe Zukunft begeben. Ob Denis Villeneuves Fortsetzung von Ridley Scotts Sci-Fi-Klassiker „Blade Runner“ tatsächlich so gut ist, wie die meisten Besprechungen behaupten?

Blade Runner 2049 (2017) | © Sony Pictures & Warner Bros. Pictures

Blade Runner 2049 (2017) | © Sony Pictures & Warner Bros. Pictures

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Toni Erdmann (2016)

Nach einer kurzen, aber intensiven Arbeitswoche hatte ich mich eigentlich auf einen Popcorn-Film zum Wochenausklang gefreut. Dann habe ich jedoch in der letzten Nerdtalk-Sendung erfahren, dass es „Toni Erdmann“ ganz frisch bei Amazon Prime gibt und hatte zudem noch die positive Besprechung im Sneakpod im Kopf. Also alle Pläne umgeworfen und mich für die diesjährige deutsche Oscar-Hoffnung entschieden. Erwartet habe ich ein anstrengendes Filmerlebnis, bekommen jedoch…

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Habe ich gerade wirklich einen 160-minütigen Film gesehen? Zudem einen, der den Ruf hat ein wenig sperrig zu sein? Kaum zu glauben. Meine Motivation Maren Ades jüngstes Werk zu sehen entsprang eher einer cineastischen Neugier, als der Hoffnung wirklich einen unterhaltsamen Film zu sehen. Ich stellte mich also auf eine fordernde Sichtung ein, die ich zudem – ja, die Fastenzeit hat begonnen – ohne Knabbereien und Alkohol über mich ergehen lassen würde. Bekommen habe ich jedoch einen Film, der wie im Flug vergangen ist, der mich mehrmals laut lachen ließ, der mich zu Tränen rührte und der teils schmerzhaft anzuschauen war. Ein emotional aufgeladenes, kunstvolles und dabei doch unglaublich unterhaltsames Werk. Damit hätte ich nun wahrlich nicht gerechnet.

Mit einer Vater-Tochter-Beziehung im Fokus, drückt „Toni Erdmann“ bei mir natürlich einige Knöpfe. Hinzu kommt die teils schon schmerzhaft treffende Darstellung der Big-Business-Welt mit all ihren Buzzwords und unsinnigen Ritualen. Die Kamera ist oft fast schon dokumentarisch und verpackt das Geschehen in sehr echt wirkende Bilder. Zunächst lernen wir Vater Winfried Conradi kennen und bleiben für gut eine Stunde in seiner Erzählperspektive, bevor wir Tochter Ines Conradi in ihrem beruflichen Umfeld kennenlernen. Hier wechselt die Perspektive, was für eine interessante Dynamik sorgt. Oberflächlich betrachtet beginnt nun eine Art Verkleidungskomödie, in der Winfried als Kunstfigur Toni Erdmann die Tochter in peinliche Situationen bringt. Der Kniff dabei ist aber, dass Ines schon bald auf das Spiel ihres Vaters eingeht und ihm nie wirklich böse sein kann, selbst wenn es ihr schwer fällt. Dies ist von Peter Simonischek und Sandra Hüller so wunderbar gespielt und von Maren Ade so leicht und doch bewegend inszeniert, dass es eine Freude ist.

Neben den schmerzhaften Einblicken in diese beiden so unterschiedlichen und doch so eng verknüpften Leben, birgt der Film auch einige Überraschungen, die nicht nur die handelnden Figuren irritieren. In diesen Szenen ist „Toni Erdmann“ wunderbar komisch, wobei er seine Protagonisten nie der Lächerlichkeit preisgibt. Die Dramödie enthält viele große und kleine Szenen, die mir noch lange im Gedächtnis bleiben werden. Das Ende des Films ist zudem großartig und setzt nicht auf aufgesetztes Drama (meine größte Befürchtung war der Tod des Vaters), sondern auf einen kurzen Moment der Wahrhaftigkeit. Jeder von uns weiß, dass man die besonderen Momente im Leben erst hinterher zu schätzen weiß. Gerade als Elternteil. Auch ich mache mir über dieses Konstrukt häufiger ganz bewusst Gedanken – und doch bin auch ich getrieben von Dingen, die einfach erledigt werden müssen. Und selbst mit diesem Bewusstsein kann man nichts daran ändern, was schön damit verbildlicht wird, dass Winfried die Kamera eben nicht rechtzeitig holen kann. Der Moment ist vorbei.

Ich bin wirklich froh, die Gelegenheit wahrgenommen zu haben „Toni Erdmann“ zu sehen. Es war ein rundum gelungenes Erlebnis und ich kann den Film jedem Interessierten nur ans Herz legen. Allerdings glaube ich auch, dass er nicht für jeden Zuschauer funktionieren wird, dafür ist er zu speziell und andersartig. Er lässt sich in keine Schublade stecken, doch gerade das macht ihn so wunderbar: 9/10 Punkte.

The Hateful 8 – OT: The Hateful Eight (2015)

Nachdem es unseren Zwergofanten heute komplett zerbröselt hat, stehen die Pläne für die kommenden Urlaubstage unter keinem gute Stern. Vermutlich wollte ich mich heute Abend deshalb auch mit einem Film ablenken, der schon lange auf der ominösen Liste steht: Quentin Tarantinos „The Hateful 8“ – und ja, der deutsche Titel wird tatsächlich mit einer Ziffer geschrieben. Die Erwartungen waren hoch, doch war mir bereits im Vorfeld bewusst, dass der Film sehr unterschiedlich aufgenommen wurde…

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Meine Jugend mit Quentin Tarantino

Wenn ich an Quentin Tarantino denke, dann denke ich an meine Jugend. Wohl kein zweiter Regisseur hat mein filmisches Erwachsen so sehr geprägt, wie dieser inzwischen nur allzu bekannte Filmfanatiker. Damals musste ich jeden seiner Filme im Kino sehen und konnte die Heimkino-Veröffentlichungen mitsprechen. Erst die VHS-Kassetten (auf Deutsch und auch Englisch), später dann die DVD-Releases. Seine Werke zählen bis heute zu meinen meistgesehenen Filmen und auch seine jüngeren Regie-Arbeiten „Inglourious Basterds“ und „Django Unchained“ fand ich mehr als nur sehenswert, selbst wenn ich sie vergleichsweise spät nachgeholt habe. Nun also sein neuster Streifen: wieder ein Western und dieses Mal ein Kammerspiel.

Beeindruckende Bilder in 70 mm

Wie bei anderen Filmen, die eine bestimmte Technik einsetzen, möchte ich auch an dieser Stelle zunächst auf die Tatsache eingehen, dass „The Hateful Eight“ in Ultra Panavision 70 gedreht wurde. Dies sorgt für ein extrem breites Seitenverhältnis von 2,76:1 (im Gegensatz zum anamorphen 35-mm-Breitbild mit 2,4:1 bzw. dem Standard-Breitbild mit 1,85:1) und lässt speziell Landschaftsaufnahmen sehr beeindruckend wirken. Im Heimkino hat man selbst mit Blu-ray nur wenig von der erhöhten Auflösung und ich kann mir nur vorstellen, wie beeindruckend der Film in seiner 70-mm-Roadshow-Fassung gewirkt haben muss. Davon abgesehen sieht der Western auch auf dem heimischen Fernseher einfach toll aus und es ist sehr beeindruckend, wie vielfältig das kammerspielartige Set in Szene gesetzt wurde.

Acht abscheuliche Charaktere

Die Handlung wird noch dialoglastiger erzählt als in Tarantinos vorhergehenden Filmen. Dies ist nur wenig verwunderlich, basiert das gesamte Konzept doch darauf, dass die Charaktere von der Außenwelt abgeschnitten in einem Schneesturm feststecken und sich gegenseitig misstrauen. Die Western-Variante von „The Thing“ sozusagen. Und in beiden Filmen spielt Kurt Russell eine Hauptrolle. Für solche Zufälle hat Tarantino wirklich ein Händchen. Ansonsten gibt es viele bekannte und auch überraschende Besetzungen zu sehen. Als einzige Frau unter den abscheulichen Acht sticht besonders die bereits von der Band The Weakerthans auf „Reunion Tour“ besungene Jennifer Jason Leigh hervor, deren Figur nicht weniger verabscheuungswürdig ist als ihre männlichen Gegenspieler. Überhaupt ist es beeindruckend, wie sehr der Titel in diesem Film Programm ist.

Konnten bisher selbst die abgebrühtesten Gangster noch eine gewisse Sympathie beim Zuschauer auslösen, hat man es hier mit rassistischem, narzisstischem und opportunistischem Abschaum zu tun. Dies mag man zu Beginn nur erahnen, doch je weiter das Kammerspiel fortschreitet, desto zynischer werden die Handlungen und spätestens wenn sich einem das gesamte Bild offenbart und die Gewalt explodiert, steht außer Frage: Hier hat es niemand verdient zu gewinnen. Entsprechend konsequent ist das Finale auch ausgefallen. Das eigentlich Perfide an der Sache ist nur, dass man zuvor doch immer wieder Hoffnung schöpft und der beinahe schon gemütlichen Atmosphäre dieser Hütte erliegt. Dieser Zustand hält aber nie lange an und man wird von den Figuren auch als Zuschauer nach Strich und Faden belogen.

Fazit

Quentin Tarantino hat mit „The Hateful Eight“ erneut einen beeindruckenden Beweis geliefert, dass er verdammt gut Dialoge schreiben kann. Auch inszenatorisch ist der Film ein kleines Meisterstück, wenngleich sich die Versatzstücke seiner bisherigen Werke inzwischen auch ein wenig wiederholen. Das völlige Ausbleiben von Hoffnung lässt mir das Finale schwerer im Magen liegen, als ich dies vermutet hätte, auch wenn es zuvor durchaus den typischen Tarantino-Humor gibt. Noch kann ich diesen achten Film des Regisseurs nicht endgültig einschätzen, doch so ging es mir mit „Jackie Brown“ damals auch, den ich inzwischen zu meinen Favoriten zähle. Lang, teils anstrengend, doch immer überraschend und typisch Tarantino. Sollte man auf jeden Fall gesehen haben: 8/10 Punkte.

Der Hobbit: Die Schlacht der Fünf Heere – OT: The Hobbit: The Battle of the Five Armies – Extended Edition (2014) (WS1)

Zum Abschluss der Weihnachtsfeiertage habe ich mir endlich die erweiterte Fassung von „Der Hobbit: Die Schlacht der Fünf Heere“ angeschaut. Die Erwartungen waren nicht sonderlich groß, war doch bereits im Vorfeld bekannt, dass sich die meisten Ergänzungen auf die ohnehin bereits recht ausführliche Schlacht beschränken würden. Dennoch habe ich mich sehr auf das große Finale gefreut, da ich durch die Sichtungen der ersten beiden Teile wieder so richtig in Mittelerde angekommen war. Was hat die neue Schnittfassung also letztendlich zu bieten?

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Bei der heutigen Sichtung war ich sehr erstaunt, wie wenig Platz die titelgebende Schlacht doch letztendlich im Film einnimmt. Das Kampfgetümmel startet erst mit der 75. Minute und ist nach einer Stunde mit der 135. Minute auch schon wieder vorbei. Natürlich ist eine Stunde Schlacht nicht wenig, doch bietet der Film weit mehr Handlung als ihm die meisten Kritiker zugestehen wollen. Zudem sollte man die Trilogie, wie auch „Der Herr der Ringe“, als ein komplettes Werk sehen, was auch dadurch unterstützt wird, dass es z.B. zwischen „The Desolation of Smaug“ und „The Battle of the Five Armies“ weder einen Epilog noch einen Prolog gibt – die Filme könnten nahtlos hintereinander ablaufen und es würde dramaturgisch Sinn ergeben.

Tatsächlich finden sich die meisten Erweiterungen in den Schlachtszenen wieder: So gibt es u.a. eine komplett neue Sequenz zu sehen, in der die Zwerge auf einem Streitwagen gegen mehrere Trolle kämpfen – und die ist tatsächlich äußerst unterhaltsam. Auch der Gewaltgrad wurde noch einmal deutlich angehoben, was durchaus zum Filmuniversum passt. Daneben gibt es jedoch auch mehrere Handlungselemente, die vertieft wurden: Gandalf wird in Dol Guldur konkret auf die Ringe angesprochen, es gibt eine sehr schöne Unterhaltung zwischen Bilbo und Bofur und dem Abschied von den gefallenen Zwergen wird endlich entsprechend Zeit eingeräumt. All diese Erweiterungen werten den Film deutlich auf, wenngleich sie ihn auch nicht so bedeutend verändern, wie dies bei „Smaugs Einöde“ der Fall war.

Letztendlich speist sich mein positives Bild des Films wohl auch aus den hämischen Kommentaren, die „The Battle of the Five Armies“ in letzter Zeit abbekommen hat. Der Clip aus dem Making-of, der Peter Jacksons Verzweiflung aufgrund von Zeitdruck und Terminplan zeigt, war für viele der Beweis, dass der Regisseur sein Versagen am Werk zugegeben hat. Letztendlich wurde damit nur eine schwierige Produktionsphase beleuchtet, was sich bis zu einem gewissen Grad auch schon bei „The Desolation of Smauf“ wiederfand. Die nicht idealen Bedingungen und der Druck des Studios sind bestimmt mit Schuld am oft holprigen Eindruck, den die Filme hinterlassen. Mehr sollte man aber auch nicht in das Video hineininterpretieren, zumal gerade der dritte Teil trotz seiner schwierigen Produktionsphase wieder stringenter wirkt, als der direkte Vorgänger – so man die Filme überhaupt getrennt betrachten kann.

Mit der erweiterten Fassung von „Die Schlacht der Fünf Heere“ ergibt sich nun auch eine (vorerst) finale Rangliste der Filme und ihrer Schnittfassungen:

  1. „Der Hobbit: Eine unerwartete Reise“ (Extended Edition)
  2. „Der Hobbit: Smaugs Einöde“ (Extended Edition)
  3. „Der Hobbit: Eine unerwartete Reise“ (Kinoversion)
  4. „Der Hobbit: Die Schlacht der Fünf Heere“ (Extended Edition)
  5. „Der Hobbit: Die Schlacht der Fünf Heere“ (Kinoversion)
  6. „Der Hobbit: Smaugs Einöde“ (Kinoversion, HFR)

Insgesamt bin ich sehr zufrieden mit der Trilogie rund um den kleinen Hobbit. Sie pendelt sich insgesamt bei sehr soliden 8 Punkten ein, was nur im Anbetracht der ursprünglichen Erwartungshaltung gering erscheinen mag. Ich bin nun sehr neugierig, ob „Der Herr der Ringe“ nur in meinen verklärten Erinnerungen so viel besser ist, oder ob der Zahn der Zeit inzwischen an einer meiner Lieblingstrilogien genagt hat. Dazu kann ich vermutlich genau in einem Jahr mehr sagen. Hierfür gibt es erst einmal wohlverdiente: 8/10 Punkte.

Boyhood (2014)

Es gibt wohl kaum einen Film, auf den ich in letzter Zeit so heiß war – und das nicht erst seit dem Gewinn des Golden Globes. Schon als ich zum ersten Mal von Richard Linklaters „Boyhood“ las, war ich fasziniert. Nicht nur liebe ich Coming-of-Age-Geschichten, ich weiß seit dem grandiosen „Dazed and Confused“ auch, dass Linklater ein Händchen dafür hat. Zudem hat mich natürlich die ungewöhnliche Produktionsphase fasziniert. Konnte der Film meinen Erwartungen letztendlich gerecht werden?

boyhood

Die Sichtung ist gerade ein paar Minuten vorbei und Arcade Fires „Deep Blue“ hat mich sanft aus dem Film entlassen. Nun sitze ich da und frage mich: ‚War es das?‘ Nicht, weil ich mir etwas anderes erwartet hatte, sondern weil ich gerne mehr gesehen hätte. Noch mehr. Selbst nach langen 165 Minuten habe ich das Gefühl gerne mehr von den unterschiedlichen Stationen dieses Lebens sehe zu wollen. Mason weiter dabei zu begleiten aufzuwachsen, denn erwachsen ist er noch lange nicht. Richard Linklater hat uns über 12 Jahre am Leben dieses Jungen, dieser Familie teilhaben lassen – und der Abschied schmerzt. Ein schöneres Kompliment kann es wohl nicht geben, selbst wenn die Kunst des Auslassens wohl bewusst von Linklater inszeniert wurde…

Anders als zunächst von mir vermutet, zeigt der Regisseur eben nicht alle typischen Stationen des Erwachsenwerdens: kein erstes Mal Alkohol, kein erster Kuss, kein erster Todesfall. Durch diese bewussten Auslassungen lässt uns Linklater diese Lücken selbst auffüllen und verknüpft „Boyhood“ mit unseren eigenen Erinnerungen. Ähnlich funktioniert auch der Soundtrack des Films, der bekannte Songs der jeweiligen Zeit oft nur ein paar Sekunden lang anspielt – und uns Zuschauer den kompletten Song selbst ergänzen lässt. Das Kaleidoskop der tatsächlich gezeigten Szenen reicht von trivial bis bedeutsam und zieht uns Stück für Stück in Masons Leben hinein.

Ich habe schon viel über „Boyhood“ gelesen. Meist waren es überaus positive Besprechen, einige Zuschauer bemängelten jedoch auch, dass der Film keine stringente Handlung habe und nichts passieren würde. Es gibt tatsächlich wenig Action im Sinne von körperlich ausgeführten Handlungen, dafür viele Gespräche und Stimmungen. Hier erinnert das Drama stark an ein anderes filmisches Experiment Linklaters, die „Before…“-Trilogie, in der der Regisseur eine Liebesgeschichte in drei Teilen über 18 Jahre erzählt. Wenn man diese mag, wird man wohl auch seine Freude an „Boyhood“ haben. Ich würde behaupten diese Art von Film Film ist eben einfach Typsache.

Auch wenn es letztendlich nur eine Formalie ist, so muss ich Linklater und seinem Team doch Respekt für die Ausdauer zollen. Speziell in der heutigen Zeit, in der es jeder gewohnt ist, sofort Feedback zu erhalten, muss es ein wahrer Kraftakt gewesen sein, 12 Jahre zu drehen – und das über weite Strecken ohne jegliche Rückmeldung aus der Öffentlichkeit. Auch wenn einige diese 12 Jahre Drehzeit als Gimmick sehen, so bin ich überzeugt davon, dass „Boyhood“ nur dadurch die in jeder Szene spürbare Kraft entfalten konnte. Schade, dass es auf der aktuellen Blu-ray keinerlei Hintergrundinformationen gibt, würde mich doch brennend interessieren, aus wieviel Material Linklater letztendlich die finale Schnittfassung destilliert hat.

Die Besprechung ist nun länger geworden, als ich um diese Uhrzeit eigentlich geplant hatte. Noch etwas, das für den Film spricht. Auch wenn er dramaturgisch vielleicht genauso wenig perfekt ist, wie das Leben, das er abzubilden versucht, so lässt er uns Zuschauer doch an einem großen Entstehungsprozess teilhaben, den er emotional perfekt einfängt: dem Erwachsenwerden. Mein einziger wirklicher Kritikpunkt ist, dass ich gerne mehr mit Mason verbracht hätte. Ich möchte den Film nach dieser ersten Sichtung noch nicht zum Lieblingsfilm erklären, doch viel fehlt wahrlich nicht: 10/10 Punkte.

Interstellar (2014)

Eine aktualisierte Besprechung des Films habe ich am 25. Mai 2018 veröffentlicht.

Normalerweise schreibe ich meine Besprechungen direkt im Anschluss an die Sichtung. Meist ändert sich meine Einstellung zum Film danach auch nicht mehr. Aufgrund der fortgeschrittenen Stunde habe ich es gestern allerdings nicht mehr geschafft, meine Kritik zu Christopher Nolans „Interstellar“ zu verfassen – und siehe da: Mein Eindruck des Films ist heute tatsächlich um einiges positiver als gestern direkt nach dem Kinobesuch. Kleinere Spoiler sind zu erwarten, allerdings werde ich keine konkreten Handlungselemente beschreiben.

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Vorausschicken sollte ich wohl, dass der Rahmen des Kinobesuchs ungewöhnlich war, sprich ich habe erstmals einen der berühmten Deluxe-Kinosäle ausprobiert. Neben den exorbitanten Kosten von über 16 Euro pro Karte war ich tatsächlich angetan vom Erlebnis, doch dazu folgt eventuell noch ein gesonderter Eintrag. Der Rahmen war, sowohl von der Bequemlichkeit als auch von technischer Seite her gesehen, also perfekt. Und der Film? Nachdem ich im Vorfeld alles von ziemlichen Verrissen über reine Mittelmäßigkeit bis hin zu euphorischen Lobgesängen gelesen hatte, war ich zwar voller Vorfreude, aber dennoch etwas skeptisch.

Christopher Nolans „Interstellar“ beginnt zunächst als Familiendrama, das uns eine unbestimmte Zukunft zeigt, welche beinahe schon dystopische Züge trägt. Ich mochte diesen langsamen Aufbau, der uns die Charaktere und ihre Beziehungen zueinander näherbringt, wirklich sehr. Da ich selbst Vater einer Tochter bin, hat mich dieses zentrale Handlungselement natürlich besonders angesprochen. Teil wirklich sehr emotional, wenngleich mich besonders das Finale in dieser Hinsicht auch ein wenig enttäuscht hatte. Da wurde wohl zu sehr auf ein sorgloses Ende gesetzt, was nicht zwangsweise zur Stimmung des vorherigen Films passte.

Während des Verlaufs der Geschichte gab es ein paar Stellen, da stolperte ich direkt über die Handlung. Der große Zufall, zum Beispiel, warum nun ausgerechnet Cooper (Matthew McConaugheys Charakter) für die Mission ausgewählt wurde, macht im ersten Moment überhaupt keinen Sinn. Die Auflösung erfährt man erst zwei Stunden später – und diese Art von abstrusem Logiksprung passiert nicht nur einmal. Hier hätte ich mir ein etwas weniger überkonstruiertes Drehbuch gewünscht, denn sonderlich komplex ist die Geschichte nicht.

Was die Balance zwischen Weltraumabenteuer und Familiendrama angeht, so hat der Film für mich wirklich gut funktioniert. Speziell die Montage während Coopers Aufbruch fand ich herausragend. Überhaupt bietet „Interstellar“ ein paar großartig inszenierte Momente, welche emotional voll ins Schwarze treffen. Auch die Rückkehr von der ersten Planetenmission fand ich fantastisch inszeniert, da die vorher viel diskutierte Relativitätstheorie in einem kurzen Moment ihre komplette Schockwirkung entfaltet. Wahrlich herausragend!

Am meisten Probleme hatte ich wohl mit dem Ende des Films, welches auch symptomatisch für die vorherigen Schwachpunkte steht: Es wirkt irgendwie ein wenig neben der Spur, was den Erzählton des Films angeht. Hier hätte ich mir mehr Mut zur Konsequenz gewünscht, was dem Film auch in einigen vorhergehenden Szenen abgeht. Der pompöse und fast schon klerikale Score Hans Zimmers dröhnt ebenso bedeutungsschwanger wie so mancher Monolog – dem gegenüber stehen schmissige Oneliner und überaus kitschig wirkende Szenen (ich sage nur Heureka). In diesen Momenten wirkt „Interstellar“ wie gewollt und nicht gekonnt; glücklicherweise hatte ich dieses Gefühl eher selten.

Insgesamt ist „Interstellar“ nicht der erhoffte Meilenstein, wenngleich ich auch glaube, dass er bei einer weiteren Sichtung im Originalton durchaus noch hinzugewinnen kann. Allerdings hat Christopher Nolan den Film auch nicht verbockt, wie man anderswo teils lesen kann. Wenn ich einen Vergleich ziehen müsste, würde ich das Weltraumabenteuer weniger im Dunstkreis von „2001: Odyssee im Weltraum“ als Robert Zemeckis‘ fantastischem „Contact“ sehen, der einen ähnlich emotionalen Weg beschreitet. Für mich rückblickend eine wahrlich lohnenswerte Kinoerfahrung, die ich nicht mehr missen möchte – inzwischen freue ich mich tatsächlich schon sehr auf die Zweitsichtung: 8/10 Punkte.