Manche Filme üben bereits vor der Sichtung eine enorme Faszination auf mich aus. Als ich das erste Mal von „Mr. Nobody“ las, war ich von der Grundidee fasziniert. Jedoch hat mich die Arthouse-Ecke abgeschreckt, aus der der Film zu kommen schien. Lange bin ich um die Blu-ray herumgeschlichen, bevor ich mich zu einem Kauf durchringen konnte und noch länger habe ich gezögert, bis ich mich schließlich zu einer Sichtung hinreißen ließ. Während dieser Wartezeit habe ich eine ziemlich genaue Vorstellung des Films entwickelt. Ob es dieser auch nur annähernd gelang an die Realität heranzureichen?

Die Handlung des Films in Worte zu fassen würde ihm nicht gerecht werden. Dennoch möchte ich es versuchen: In ferner Zukunft erinnert sich der letzte sterbliche Mensch (Jared Leto) an sein Leben. Dabei beschränkt er sich jedoch nicht auf sein tatsächlich gelebtes Leben, sondern bezieht jede Entscheidung samt daraus resultierender Konsequenz mit in seine Geschichte mit ein. Da aus unzähligen Entscheidungen auch unzählige mögliche Zeitstränge entstehen würden, stellt der Film exemplarisch drei Beziehungen in den Vordergrund, die jedoch wiederum erneut unzählige Entscheidungsmöglichkeiten bieten. Am Ende des Films gibt es noch einen Twist, der die teils seltsam anmutenden Handlungselemente erklärt und dem Kaleidoskop an Geschichten einen beinahe schon profanen Sinn gibt. Bis dahin bietet „Mr. Nobody“ jedoch einen audiovisuellen Rausch, der seinesgleichen sucht…
Man hat ja oft das Gefühl, dass der Filmbranche nichts mehr Neues einfällt. Der dutzende Superheldenfilm, ein weiteres Remake, das nächste Prequel und – wenn den Produzenten gar nichts mehr einfällt – ein Reboot. Die immer gleichen Bilder, die immer gleichen Geschichten. Im Kontrast dazu steht sperriges und sprödes Arthouse-Kino und nur selten, ganz selten darf man einen Film bewundern, der die Grenzen sprengt und sich in keine Schublade einordnen lässt. Jaco Van Dormaels „Mr. Nobody“ gehört zweifellos zu dieser seltenen Gruppe von Filmen. Bereits in der ersten halben Stunde gibt es mehr zu bestaunen, als andere Filme über die gesamte Laufzeit zeigen. Sowohl inhaltlich als auch formal überrascht der Film stets aufs Neue und auch wenn er aufgrund seiner Struktur nicht wirklich einfach zu rezipieren ist, so belohnt er die Anstrengungen des Zuschauers doch stets mit ergreifenden Einzelszenen und wunderschönen Momentaufnahmen.
Auch wenn es anfangs den Anschein macht, so ist der Film in letzter Konsequenz nicht sonderlich schwer zu verstehen. Ein Entscheidungsbaum wird filmisch abgebildet, in den Zufall, Schicksal, wissenschaftliche Erklärungen usw. mit aufgenommen werden. Eingebettet werden diese unzähligen Möglichkeiten des Lebens in eine Sci-Fi-Rahmenhandlung, die befremdlich wirken mag, doch letztendlich durchaus Sinn ergibt. Man sollte sich sowieso nicht darauf versteifen jede einzelne Szene des Films in das große Ganze einordnen zu können, sondern lieber die Bilder, den Score bzw. Soundtrack und die Emotionen auf sich wirken lassen. Dann kann die Sichtung von „Mr. Nobody“ zu einem wirklich großen Filmerlebnis werden.
Ob ich den Film uneingeschränkt empfehlen kann? Vielleicht nicht für jeden. Filmfreunde, die nach neuen Erfahrungen suchen, sollten auf jeden Fall einmal reinschauen. Ich selbst war nach einer zuvor nahezu schlaflosen Nacht vor der Sichtung recht müde und wurde dennoch mitgerissen. Vermutlich muss jeder selbst entscheiden, was er aus „Mr. Nobody“ mitnehmen möchte. Wenn dieses Kaleidoskop des Lebens tatsächlich zu einem durchdringt, dann wird der Film definitiv nachwirken. Großartig anders: 9/10 Punkte.