Seinfeld – Die komplette Serie (Staffel 1 bis 9) (WS1)

Wenn ich meine Lieblingsserien aufzähle, zumindest aus dem Comedy-Bereich, dann befindet sich garantiert „Seinfeld“ auf dieser Liste. Neben „Friends“ hat wohl keine andere Serie meinen Humor so stark geprägt. Im Mai 2022 habe ich wieder einmal begonnen, die Serie zu schauen. Immerhin lag meine letzte Komplettsichtung schon 14 Jahre zurück. Dieses Mal habe ich übrigens nicht zur wunderschönen DVD-Edition gegriffen, sondern die HD-Ausstrahlung auf Netflix geschaut, die dort leider nur im beschnittenen 16:9-Format vorliegt. Die Bildqualität war dafür sehr gut. 📺

Seinfeld | © NBC

Seinfeld | © NBC

Da ich die Serie komplett alleine (also meist nachts nach 23 Uhr) geschaut habe, hat sich die Sichtung weit über ein Jahr gezogen. Wenn ich Bekannten davon erzähle, dass ich einmal wieder „Seinfeld“ schaue, dann ist es übrigens auch heute noch so, dass ich meist in verwirrte Gesichter blicke. Schon verblüffend, wie sehr die Serie hierzulande untergegangen ist. Insofern mache ich mit meiner Besprechung einfach einmal wieder Werbung für die „Show about nothing“:

Staffel 1: The Seinfeld Chronicles

Die erste Staffel von „Seinfeld“ mit gerade einmal fünf Episoden ist schon etwas ganz Besonderes. Gerade wenn man um die Entstehungsgeschichte weiß (hier muss ich abermals auf den Wert der DVDs inklusive der herausragenden Extras hinweisen) und auch bereits die Meta-Episoden der vierten Staffel kennt. Der Pilot „The Seinfeld Chronicles“ wirkt noch sehr roh und unfertig. Kramer heißt hier noch Kessler und Elaine spielt noch keine Rolle. Keine wirklich gute Episode und eher aus historischer Sicht interessant. Umso verwunderter war ich, dass bereits die zweite Episode „The Stake Out“ klassische Elemente, wie Georges Alter Ego Art Vendelay, etabliert. Großartig! Auch die restlichen Episoden der ersten Staffel machen bereits viel Spaß und setzen die Grundpfeiler für das, was über die nächsten Jahre noch perfektioniert werden sollte: 8/10 (8.2) Punkte.

Staffel 2: The Chinese Restaurant

Die zweite Staffel macht direkt einen unfassbaren Qualitätssprung: Es befinden sich so viele ikonische Folgen in dieser Staffel mit gerade einmal zwölf Episoden, dass es eine wahre Freude ist. Bei etlichen Folgen hätte ich zuvor geschworen, dass diese erst später in der Serie kommen. „The Pony Remark“, „The Jacket“ oder „The Statue“ sind wahrlich bemerkenswerte Episoden, welche schon früh vom unfassbaren Talent aller beteiligten Autoren und Darsteller*innen zeugen. Mit „The Chinese Restaurant“ gibt es am Ende der Staffel dann noch eine der stilprägendsten Episoden überhaupt zu sehen, welche den Status von „Seinfeld“ als Ausnahme-Sitcom zementiert haben. Ein wahrer Klassiker unter den TV-Comedys. Ich bin einmal wieder begeistert: 9/10 (9.0) Punkte.

Staffel 3: The Pez Dispenser

Die dritte Staffel von „Seinfeld“ ist die erste mit kompletter Episodenzahl. Wir erleben somit 22 Geschichten aus diesem absurden Universum und noch mehr als im Vorjahr hat mich erstaunt, wie viele Klassiker bereits dabei sind: „The Pen“, „The Parking Garage“ oder auch mein Favorit „The Pez Dispenser“. Einfach nur fantastisch! Am Ende der Staffel gibt es eine Sonderfolge, während der Kramer nach L.A. reist, um dort Schauspieler zu werden. Daraus ergeben sich einige abstruse Verwicklungen, welche in der vierten Staffel aufgelöst werden. Insgesamt noch einmal eine Steigerung und das Ende der Fahnenstange ist noch lange nicht erreicht: 9/10 (9.1) Punkte.

Staffel 4: The Pilot

In der vierten Staffel erreicht „Seinfeld“ seinen vorläufigen Höhepunkt. Alleine die Meta-Ebene rund um die Pilotfolge, die Jerry und George schreiben, ist großartig. Die Geschichten gewinnen zudem an Relevanz und werden deutlich komplexer. Auch wagen sich die Autor*innen rund um Larry David immer wieder in kontroversere Gebiete vor. Man darf nicht vergessen: Die vierte Staffel von „Seinfeld“ wurde 1993 ausgestrahlt. Heute kann man selbst im klassischen Network-TV über Sex, und Masturbation sprechen. Damals war das noch eine andere Welt. Umso großartiger, wie kreativ damit umgegangen wurde. Das beste Beispiel ist wohl „The Contest“, in der Jerry, George, Elaine und Kramer wetten, wer von ihnen wohl am längsten durchhält ohne zu masturbieren. Dabei wird kein einziges Mal explizit darauf eingegangen und doch ist glasklar, worum es in der Episode geht. Das ist so elegant erzählt, dass es eine Freude ist. Weitere Lieblingsfolgen sind für mich „The Pitch“, „The Bubble Boy“, „The Junior Mint“ und natürlich „The Pilot“. Auch Georges Beziehung zu Susan nimmt in dieser Staffel ihren Anfang und wir wissen ja um den Ausgang. Hier wurde „Seinfeld“ richtig zu „Seinfeld“: 10/10 (9.5) Punkte.

Staffel 5: The Marine Biologist

Nach dem großartigen vierten Jahr, hat „Seinfeld“ in seiner fünften Staffel endgültig seinen Groove gefunden. Inzwischen wissen die Autor*innen ganz genau, wie sie die komplexen Geschichte aufbauen und in meist irrwitzigen Finalen zusammenführen müssen. In der fünften Staffel gibt es beinahe nur noch Highlights. Es ist wirklich unglaublich. Bis heute vermutlich eine der besten Sitcom-Staffeln überhaupt. In Episoden wie „The Bris“, die teils ziemlich schwarzen Humor mit völlig abstrusen Storylines kombinieren, reihen sich Gag an Gag aneinander. Die Costanzas nehmen einen immer größeren Platz in der Geschichte ein und speziell Jerry Stiller (bekannt als Arthur aus „The King of Queens“) ist in jeder Szene eine einzige Freude. Mein Highlight, was Storytelling und Comic-Timing angeht, ist die Episode „The Marine Biologist“. Das Finale ist unfassbar großartig. In jeder Hinsicht. Die finalen vier Episoden „The Raincoats“, „The Fire“, „The Hamptons“ und „The Opposite“ entlassen uns zudem mit einem Highlight nach dem anderen aus dieser fantastischen Staffel: 10/10 (9.6) Punkte.

Staffel 6: The Fusilli Jerry

Die sechste Staffel fühlt sich auf den ersten Blick recht gleichwertig zur vorhergehenden an, doch ist sie im Detail nicht ganz so stark. Die liegt, so mein Gefühl, an etwas glatteren Geschichten, die sich zu sehr einzelne, überzeichnete Gags verlassen, z.B. das Rockstar-Verhalten von Jerrys Eltern im Hotel in der Episode „The Doodle“. Das sind allerdings nur Nuancen in einer sonst wirklich starken Staffel. Hervorheben möchte ich die Episoden „The Couch“, „The Gymnast“, „The Switch“ (Kramers Vorname wird enthüllt!) und „The Fusilli Jerry“, welche allesamt großartig sind. Mit „The Highlights of 100“ gibt es leider auch eine unsägliche Doppelfolge in Form einer Clip-Show, wie es in Sitcoms der 1990er Jahre leider üblich war. Sprich, wir bekommen einen Zusammenschnitt der lustigsten Szenen der vorangegangenen 99 Episoden präsentiert. Diese Doppelfolge zieht die Wertung der Staffel leider nach unten. Insgesamt dennoch ein weiteres, fantastisches Jahr mit Jerry, George, Elaine und Kramer: 9/10 (9.1) Punkte.

Staffel 7: The Soup Nazi

Die mit beste Staffel der Serie wartet mit einer unglaublichen Anzahl an Klassikern auf. Schon eine Leistung nach sieben Jahren Laufzeit. Der gesamte Handlungsstrang rund um Georges Vermählung mit Susan, welcher großartig mit der Episode „The Engagement“ startet und bitterböse mit „The Invitations“ endet. Einfach nur unglaublich, was Larry David und Co. hier damals abgefackelt haben. Bis heute bahnbrechend, was Storytelling in Sitcoms angeht. Doch auch Episoden wie „The Maestro“, „The Cadillac“, „The Friars Club“ oder „The Calzone“ sind aus dem Sitcom-Olymp nicht wegzudenken. Speziell „The Soup Nazi“ gilt als eine der besten Sitcom-Episoden überhaupt und dem ist tatsächlich immer noch so. Urkomisch mit völlig absurder Prämisse. Insgesamt sehr nah an der (für mich) perfekten Unterhaltung dran. Von den Drehbüchern können sich auch heutige Comedys noch die eine oder andere Scheibe abschneiden. Großartig: 10/10 (9.5) Punkte.

Staffel 8: The Yada Yada

Die achte Staffel ist die erste ohne Larry David als Autor und Showrunner. Dadurch ändert sich auch der Ton der Serie. Die Stand-Up-Intros entfallen komplett und man bekommt häufig Cold-Openings zu sehen, die nicht zwangsweise mit dem Rest der Handlung in Relation stehen. Dadurch wirkt „Seinfeld“ moderner und klassischer zugleich, zumindest aus heutiger Perspektive. Inhaltlich lösen sich die Handlungsstränge oft weiter von der Realität und die Figuren werden noch comichafter, als in den vorangegangenen Staffeln. Das alles findet dennoch weiterhin in einem Rahmen statt, der keinen Bruch zur bisherigen Serie darstellt. Auch die achte Staffel hat mit „The Bizarro Jerry“, „The Little Kicks“, „The Chicken Roaster“, „The Little Jerry“, „The Nap“, „The Yada Yada“ oder „The Muffin Tops“ herausragende Episoden, die Seriengeschichte geschrieben haben: 9/10 (9.0) Punkte.

Staffel 9: The Betrayal

Wie beendet man solch eine ikonische Serie wie „Seinfeld“? Diese Frage dürften sich die Autor*innen der letzten Staffel häufiger gestellt haben. Doch bis zum Finale gibt es noch einige herausragende Episoden zu bestaunen. Meine Favoriten sind „The Voice“, „The Serenity Now“, „The Betrayal“, „The Strike“ und „The Puerto Rican Day“. Doch auch darüber hinaus gibt es unzählige fantastische Einzelepisoden. Leider gibt es auch in diesem Jahr wieder eine Clip-Show-Doppelfolge, welche aber immerhin mit einem emotionalen Blick hinter die Kulissen endet, während Green Days „Good Riddance (Time of Your Life)“ spielt. Dieses erneute Aufgreifen von Highlights der Serie wirkt umso verschenkter, bezieht man sich im direkt darauf folgenden Finale doch auch auf vorangegangene Handlungsstränge und Figuren zurück und zeigt entsprechende Rückblenden. Das Finale an sich wurde damals sehr kontrovers aufgenommen. Ich kann inzwischen ganz gut damit leben, doch zählt es auch für mich zu den schwächeren Episoden der Staffel. Für die Figuren und den Ton der Serie ist es jedoch ein passender Abschluss. Insgesamt nicht die stärkste Staffel, aber immer noch sehr sehenswert: 9/10 (8.9) Punkte.

Fazit

Wenn ihr „Seinfeld“ kennt, dann stimmt ihr meinem Urteil bestimmt zu. Wenn ihr bisher einen Bogen um die Serie gemacht (oder sogar noch gar nicht von ihr gehört) habt, dann ist nun vielleicht genau der richtige Zeitpunkt gekommen, einmal reinzuschauen. Der Zugang ist so einfach wie nie zuvor (damals war das in Deutschland wirklich schwierig) und ihr seht damit auf jeden Fall ein Stück Fernsehgeschichte. Wenn der Look (und manche Themen) auch schon ein wenig angestaubt wirken, so ist die Erzählstruktur noch immer unfassbar modern. Nun kann ich mich guten Gewissens wieder „Curb Your Enthusiasm“ zuwenden und damit die quasi Nachfolgeserie sehen. Bis zum nächsten Mal Jerry, Elaine, George und Kramer: 9/10 (9.1) Punkte.

Prädikat: Lieblingsserie

18 Gedanken zu “Seinfeld – Die komplette Serie (Staffel 1 bis 9) (WS1)

  1. Schaue ich mir noch in 25 Jahren an (dann mit meiner Pflegerin auf Direct2Brain-Netflix), lache mich scheckig und funktioniert immer noch als Lehrbeispiel für Comedy.
    Jerry, George, Kramer, Elaine, Frank Costanza, Newman – das kommt nie wieder. Ich kriege direkt Lust, auch erneut einzusteigen. Selbst da das Finale mich ebenfalls eher enttäuscht hat. Aber wie willst den Kram vorher ernsthaft nochmals überbieten?

    Gefällt 1 Person

    • Erst einmal: Der Plan klingt fantastisch. Werde ich mich direkt anschließen. Notfalls direkt in VR.

      Das mit dem Finale sehr ich auch so. Hätte man niemals mit einem großen Bang beenden können. Alles davor war einfach zu perfekt. Deshalb konnte ich auch gut meinen Frieden damit machen inzwischen.

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