Inzwischen ist der Hype um die Miniserie fast schon wieder verflogen. Höchste Zeit also, dass auch ich mich endlich der Sichtung von „Chernobyl“ widme. Aufgrund der extrem positiven Kritiken, waren die Erwartung hoch. Sehr hoch. Fast schon nicht mehr messbar. Wie die alles zerstörende Strahlung. Ob auch mich die Serie außergewöhnlich stark mitreißen konnte und somit zur besten Serie aller Zeiten wurde, lest ihr in der folgenden Besprechung… ⚡⚛⚡

Chernobyl (2019) | © Polyband
Meine persönlichen Erinnerungen an Tschernobyl
Ich kann mich noch recht gut an die Katastrophe von Tschernobyl erinnern. Damals war ich 5 Jahre alt und weiß noch ziemlich genau, wie geschockt meine Eltern waren. Natürlich habe ich die Hintergründe nicht genau verstanden, doch es war für mich das auslösende Ereignis, warum ich Atomkraft bis heute extrem kritisch sehe. Akut hat es für mich damals bedeutet, nicht zum Spielen nach draußen zu dürfen. Schon gar nicht in den Sandkasten. Noch Jahre danach ist das Thema immer wieder dann aufgekommen, wenn Pilze auf dem Speiseplan standen, da gewisse Pilzarten bis heute radioaktiv belastet sind. Das Unglück von Tschernobyl gehört zu meinen spezifischen Kindheitserinnerungen, genauer auseinandergesetzt habe ich mich damit jedoch nie.
Mein Bezug zu der Katastrophe war demnach entsprechend diffus und sehr durch meine persönliche Perspektive geprägt. Spätestens mit dem Unglück von Fukushima sind die Erinnerungen wieder präsenter geworden. Nun also die Katastrophe in einer mehr oder minder leicht verdaulichen Unterhaltungsserie. Wer hätte gedacht, dass dieser Ansatz so gut funktioniert? Und können wir in Zukunft noch mehr Katastrophen in Serienform erwarten? Oder ist „Chernobyl“ besonders, weil die Katastrophe so sehr in unserem kollektiven Bewusstsein verankert ist?
Real wirkender Katastrophen-Horror
Mich erinnert die dramaturgische Aufbereitung der Katastrophe ein wenig an David Simons „The Wire“. Zwar gibt es Personen, die im Fokus der Geschichte stehen, jedoch werden in den unterschiedlichen Episoden stets neue Perspektiven eingebracht. Wenn sich in der zweiten Staffel von „The Wire“ der Fokus z.B. auf den Hafen von Baltimore verlagert, nimmt sich „Chernobyl“ in der vierten Episode den Liquidatoren an, die in der verstrahlten Zone die Tiere erlegen. In einer anderen Episode stehen u.a. die Bergbauarbeiter im Mittelpunkt, welche die Sicherungsmaßnahmen gegen die Kontamination des Grundwassers durchführen. Eine Wahl haben sie nicht.
Durch diese erzählerische Vielfalt bekommen wir als Zuschauer ein gutes Gesamtbild über alle Elemente der Katastrophe. In der letzten Episode läuft schließlich alles zusammen, es gibt endlich Erklärungen und auch emotional wird die Geschichte noch einmal verarbeitet. Gerade die dokumentarischen Aufnahmen der letzte 10 Minuten haben mich so richtig mitgenommen. Wahnsinn. So sehr sogar, dass ich mich gefragt habe, ob eine Doku-Serie nicht der noch gelungenere Weg hätte sein können, um sich dem Unglück von Tschernobyl retrospektiv zu nähern. Gefilmtes Material scheint ja ausreichend vorhanden zu sein.
Fazit
Es ist nicht wirklich überraschend, dass auch mich „Chernobyl“ sehr gepackt hat. Zweifellos eine beeindruckende Serie. Aber die beste Serie aller Zeiten? Soweit würde ich nicht gehen. Einige Szenen schienen mir doch sehr dramaturgisch aufbereitet, was im Rahmen einer TV-Serie natürlich Sinn macht. Gerne hätte ich eine ausführliche dokumentarische Aufarbeitung des Themas gesehen. Jedoch ist „Chernobyl“ auch als inszeniertes Drama eine herausragende Serie, die in ihrem Genre alles aus der tragischen Geschichte herausholt. Sehr empfehlenswert: 9/10 (9.2) Punkte.