The Road (2009)

Ich liebe postapokalyptische Filme. Ihnen wohnt eine Art von Abenteuer inne, das es erst noch zu erleben gilt. Zombiefilme und Weltuntergangsszenarien sehe ich selbst als Unterart des Genres. Neben Klassikern wie „Mad Max“ gibt es unzählige Varianten des immer gleichen Szenarios (u.a. den ebenso aktuellen, aber ungleich schwächeren „The Book of Eli“). John Hillcoats „The Road“ ist anders. Kein Abenteuer, keine Hoffnung, kein Erbarmen. Wohl einer der beeindruckendsten Filme, die ich bisher gesehen habe – auf jeden Fall einer der deprimierendsten. Spoiler sind zu erwarten.

Auch ich hatte vor der Sichtung einige Meinungen über den Film gehört und gelesen. Er sei schwer zu verdauen, düster und hoffnungslos. Was für eine Untertreibung. „The Road“ packt einen da, wo es weh tut. Er rüttelt auf und lässt einen nicht mehr los. Man wir durch die oft schon hypnotischen Bilder hineingesogen in diese immergraue Welt. Dieses leblose Etwas, das einmal voller Leben war. Doch die ungenannte Katastrophe samt ihrer unheilvollen Hinterlassenschaften ist eigentlich nur Beiwerk. Der Film ist eine Vater-Sohn-Geschichte. Eine Geschichte über Menschlichkeit und Verlust derselben. Ein Film über das Leben und den Tod.

Die dominierenden Themen des Films geben den Rhythmus vor. Bleibst du, stirbst du. Keine Frage. Und wie in dem Film gestorben wird. Die letzten 15 Minuten haben mir zugesetzt, wie schon lange kein Film mehr. Auch jetzt, da ich daran denke, fühle ich mich wie benommen. Doch schon vor dem traurigen, aber nicht hoffnungslosen Finale, hält „The Road“ unzählige Szenen bereit, bei denen ich schwer schlucken musste – und sei es allein, wie der Junge sein Stofftier stets bei sich trägt. Hier mag der (zumindest noch relativ) frischgebackene Vater aus mir sprechen, doch ich habe selten etwas Herzzereißenderes gesehen.

Neben den inhaltlichen Aspekten kann ich vor allem die bewusste und den Schauspielern Raum gebende Inszenierung hervorheben. Ruhige Bilder, lange Einstellungen und das Wissen, wann man wegblenden muss. Auch wenn die Kamera nie wirklich explizite Bilder einfängt, so ist „The Road“ härter und brutaler als jeder Horrorfilm. So bedrohlich habe ich Kannibalismus wahrlich noch nie wahrgenommen, wie er in John Hillcoats Film auf die Leinwand gebannt wurde. All diese Eigenschaften sind natürlich auch zu großen Teilen Viggo Mortensen und Kodi Smit-McPhee zuzuschreiben, die beide spielen als ginge es um ihr Leben. Fantastisch.

Wie ihr lest, hat mich „The Road“ voll und ganz gepackt. Ich weiß jetzt schon, dass der Film noch lange nachwirken wird. Kann ich ihn deshalb bedenkenlos empfehlen? Seht euch den Film nur an, wenn ihr eine gewisse Finsternis ertragt. Ich habe mir selten so sehr gewünscht, dass ein Film endlich vorbei ist. Ob ich ihn mir jemals wieder anschauen werde? Im Moment bezweifle ich es noch und so sehr sie mich interessieren würde, so werde ich mich wohl nie an die Vorlage von Cormac McCarthy heranwagen. „The Road“ ist ein großer Film, ein bewegender Film und ein menschlicher Film, doch er wird gewiss keiner meiner Lieblingsfilme werden: 10/10 Punkte.

38 Gedanken zu “The Road (2009)

  1. Du hast die Stimmung des Films unglaublich gut beschrieben!

    Ich hatte zuerst die Romanvorlage von Cormac McCarthy (‚No Country for Old Men‘) gelesen, weil der Film so spät zu uns kam. Die Darstellung und die Schauspieler haben mich beim Ansehen fasziniert, und die ganze Zeit habe ich mich gefragt wie es wohl gewesen wäre, hätte ich nicht schon die Handlung gekannt. Die 10 von 10 Punkte kann ich voll und ganz unterstützen. Die Umsetzung des Buches ist sehr gelungen.

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  2. Danke! 🙂

    Mal sehen, ob ich mich irgendwann an das Buch heranwage. Im Moment kann ich mir kaum vorstellen noch weiter in diese Finsternis einzutauchen, obwohl es mich auf der anderen Seite doch reizt. Die hoffnungslose Stimmung erinnerte mich auch etwas an Paul Austers „Im Land der letzten Dinge“, wenngleich Auster nicht ganz so weit geht, wie McCarthy. „No Country for Old Men“ kenne ich bisher dagegen weder in Film- noch in Buchform.

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  3. „The Road“ war mir irgendwie glaub ich etwas zu bemüht hoffnungslos. Auch konnte ich mit dem Darsteller des Kindes eher weniger anfangen und auch das Ende war irgendwie eher nicht so mein Fall.
    Trotzdem hat auch mich der Film gepackt, wenn auch nicht so stark wie dich wie es den Anschein hat.

    „No Country for Old Men“ fand ich ziemlich stark.

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  4. @C4rter: Ich fand die Hoffnungslosigkeit geradezu bedrückend realistisch dargestellt und Kodi Smit-McPhee als den Jungen perfekt besetzt. Der Film hat mich im Innersten berührt und ich muss jetzt noch schlucken, wenn ich an das Ende denke. Aber ist vielleicht tatsächlich so eine Vatersache.

    @Flo Lieb: Ich habe gar keine Kritik bei dir gefunden. Mich würde da ja mal eine Begründung interessieren.

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  5. Ich fand den auch prima und konnte die kritischen Stimmen nicht nachvollziehen. Ebensowenig den arg verspäteten Release hierzulande. Das Buch hatte ich vorher gelesen und war insofern schon vorbereitet. Sicherlich kein Spaß für die ganze Familie, aber ein Meisterwerk der schaurig düsteren Inszenierung, das man gesehen haben muss. Einmal langt dann auch für einige Zeit und „Requiem for a Dream“ sollte man nicht unbedingt hinten dran setzen. Hätte der jetzt noch das Ende von „The Mist“ gehabt, hätte ich mir eine Woche lang „Die nackte Kanone“ anschauen müssen, um wieder ins Leben zurückzukommen.

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  6. Lohnt sich das Buch denn noch, wenn man den Film kennt? D.h. gibt es inhaltliche Erweiterungen? Denn so wie ich es verstanden habe, ist der Film eine ziemlich werkgetreue Adaption. Ich bin wirklich hin und hergerissen. An „Requiem for a Dream“ habe ich mich bisher übrigens noch nicht herangewagt. Ein Ende, wie in „The Mist“ hätte ich wahrscheinlich auch nicht verkraftet. War auch so schon hart genug. Von einem Happy End zu reden wäre auch übertrieben, doch ich bin wirklich froh, dass uns John Hillcoat bzw. Cormac McCarthy mit einem Hoffnungsschimmer aus dieser Welt entlassen haben.

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  7. Habe keine Kritik dazu geschrieben, der Film war es mir „nicht wert“ – hart ausgedrückt. Ich fand die Geschichte einfach nicht sonderlich interessant (bereits in Romanform), halte auch McCarthy für einen der meist überschätzten Autoren der Gegenwart, war doch bereits „No Country for Old Men“ total overhyped. Dann kam im Film noch diese unerhebliche Erweiterung der Mutterfigur von Theron dazu, zudem hat Hillcoat, wie die Coens in NCFOM, die besten (und sinnigsten) Dialoge zwischen Vater und Sohn ausgespart. Der Film ist quasi eine Art bebildertes Schnelldurchblättern eines durchschnitlichen und anstrengenden (nicht wegen dem Inhalt, sondern dem Schreibstil) Romans (ohne das inhaltlich Aussparungen auftauchen). Die graukalten Bildern und das Produktionsdesign sind sicherlich ganz nett, aber inhaltlich ist THE ROAD für mich ungenügend, wird die ganze Geschichte viel zu planlos und von der Logik inkohärent erzählt. Hatte den 2010 nur im Kino gesehen wegen des ganzen Lobs und am Ende hätte das auch locker irgendwann mal nachts um 2:45 Uhr in der TV-Premiere im ZDF gereicht.

    P.S.: Das Ende von THE MIST ist doch herrlich, der grandiose Abschluss zu einer der Trash-Perlen des vergangenen Jahrzehnts.

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  8. Danke für die Ausführungen, die deinen harrschen Worten zum Film nun ein Fundament geben, für mich jedoch nicht wirklich nachvollziehbar sind. Die Vergleiche zur Vorlage kann ich natürlich nicht ziehen, doch die Geschichte als „nicht sonderlich interessant“ zu bezeichnen ist natürlich eine sehr willkürliche Einschätzung. Für mich behandelt Hillcoat bzw. McCarthy darin die elementaren Themen des Lebens, obwohl – oder gerade weil – alles andere weggenommen wurde. Auf jeden Fall interessant zu lesen, wie unterschiedlich man den Film doch wahrnehmen kann.

    Das Ende von „The Mist“ ist wahrlich grandios, doch wäre es für mich hier zu düster gewesen. Ich glaube die Trash-Diskussion hatten wir an anderer Stelle schon einmal… 😉

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  9. Am Ende des Romans, den ich im englischen Original gelesen habe, ging mir durch den Kopf, dass es schon eine echte Leistung ist, das Thema „Vater, Sohn, Einkaufswagen nach der Apokalypse“ so eindringlich zu beschreiben. Ich wäre da mit meinen Worten nach gut drei Seiten fertig gewesen: „Wetter harsch, Leute unfreundlich, Umgebung trostlos, Sohn jammert dauernd, hab auch so langsam keine Lust mehr.“

    Die Dialoge waren sehr auf Knappheit angelegt, fast schon monoton. Und am Ende hatte ich schon das Gefühl, dass der Autor einen hoffnungsvollen Abschluss eben doch nur dezent andeuten wollte. Wäre wohl reizvoll, Buch und Film nochmal genauer zu vergleichen, aber ich muss diesen Sommer mindestens zwei Bücher von A Song of Fire & Ice durchlesen.

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  10. Ich dagegen kann dein Review prima nachvollziehen. 😉 Ich würde nicht die volle Punktzahl ziehen, aber „The Road“ macht in der Tat alles richtig, darf ruhig ein Meilenstein des postapokalyptischen Filmes genannt werden, der alles andere ist als Wohlfühlkino für Sonntagnachmittage.

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  11. @Inishmore: Danke für deine Einschätzung der Romanvorlage. Ich werde mir bei Gelegenheit auch das englische Original zulegen. Ist ja auch nicht besonders dick, so dass man sich wohl nicht zu lange durch die postabpokalyptischen USA quälen muss. Neugierig bin ich nun aber auf jeden Fall.

    „A Song of Fire & Ice“ reizt mich auch sehr, da mir die zugehörige Serie bis jetzt ausgezeichnet gefällt. Allerdings möchte ich mir zum aktuellen Stand auch nicht die Serie spoilen. Im Hinterkopf habe ich die Bücher aber auch vorgemerkt.

    @Dr. Borstel: Da der Film auch in meinen Augen alles richtig macht und bei mir zudem emotional zielgenau in die Kerbe schlägt, ist die volle Punktzahl von meiner Seite aus betrachtet mehr als nur gerechtfertigt. Warum immer so geizig sein? Der Film hat es verdient.

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  12. Stichwort Spoilergefahr bei Game of Thrones: ich warte die erste Staffel ab, lese die dann wohl nach und schaue dann in das zweite Buch rein. Was ich so von Leuten gehört habe, die die Serie kennen, kommen da noch einige Intrigenknaller auf einen zu.

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  13. Ich glaube auch, dass die Serie noch einige Überraschungen bietet. Bin gespannt, ob man sich irgendwann von der Vorlage entfernt (so wie z.B. bei „Dexter“ nach der ersten Staffel), oder doch nahe dran bleibt. Ich werde auch frühestens nach der ersten Staffel in die Bücher einsteigen.

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  14. Wie gesagt ist Interesse für die Vorlage durchaus vorhanden. Muss nur mal schauen, wann ich dazu komme. Ich sollte einfach hauptberuflich lesen und Filme schauen… 😉

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  25. Großartige Kritik! Mir ging es nach der ersten Sichtung auch so und die fand vor 3 Jahren statt. Damals wirkte der Film noch sehr lange nach und ich muss zugeben, dass er bei der Zweitsichtung zwar noch immer intensiv, für mich jedoch erträglicher war.

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    • Auch ich werde mir den Film bestimmt noch einmal anschauen. Inzwischen bin ich sogar soweit, dass ich es wieder verkraften könnte. Hoffe ich. Damals hatte ich noch keinen Sohn, inzwischen habe ich einen – das könnte die Sache auch (noch) schwieriger machen…

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