Meine letzte Serienbesprechung (zu „Brooklyn Nine-Nine“) liegt schon eine halbe Ewigkeit zurück. Dabei ist es nicht so, dass ich in den letzten vier Monaten nichts gesehen hätte. Es waren allerdings zwei Großprojekte. Das erste habe ich nun abgeschlossen: „The Americans“ erstreckt sich über sechs Staffeln und diese nehmen uns mit auf die Reise in eine düstere Parallelwelt. In dem Spionage-Thriller begleiten wir eine ungewöhnliche Familie und ich war positiv überrascht, wie gut die Serie ihr von Anfang an hohes Niveau zu halten vermag. 🕵️

The Americans | © Walt Disney
„The Americans“ ist vor allem durch die beiden Hauptdarsteller*innen Keri Russell (bekannt aus „Felicity“) und Matthew Rhys (bekannt aus „Brothers & Sisters“) auf meinem Radar aufgetaucht. Ich hatte sogar einmal die DVD-Box der ersten Staffel im Regal stehen. Jedoch habe ich die Serie erst mit dem Komplett-Release auf Disney+ gesehen. Warum das eine exzellente Entscheidung war, erfahrt ihr in der folgenden Besprechung der einzelnen Staffeln:
Staffel 1: Willkommen im Kalten Krieg
Bereits die Pilotfolge führt uns gekonnt in die Welt von „The Americans“ ein. Es sind bereits alle Elemente vorhanden, welche die gesamte Staffel bestimmen sollten: Die Spannung zwischen Familiendynamik und der Spionagetätigkeit, immerwährendes Misstrauen, der FBI-Agent, der nebenan einzieht, Sex als alltägliches Werkzeug, Gewalt und Paranoia. Ziemlich harter Tobak, mitreißend erzählt. Ich frage mich aktuell noch etwas, wie sich die Geschichte über sechs Staffeln tragen kann, ohne dass es grundsätzliche Änderungen am Setup gibt oder es redundant wird. Aber ich lasse mich sehr gerne überraschen. Ein großartiger Einstieg. Speziell gegen Ende der Staffel wird die Spannungsschraube noch einmal kräftig angezogen und ich kann mir jetzt schon nicht vorstellen, dass es irgendwann ein glückliches Ende für unsere Charaktere geben wird. Denn es gibt kein Gut und Böse, nur Misstrauen, Argwohn und Gewalt in diesem Spiel: 9/10 (8.5) Punkte.
Staffel 2: Die Fronten verhärten sich
Im zweiten Jahr nimmt „The Americans“ noch einmal Fahrt auf, was die individuellen Handlungsstränge angeht. Es gibt noch mehr Ebenen, Doppelspionage und inoffizielle Missionen. Dadurch wird die Serie deutlich komplexer und man muss schon genau aufpassen, welches Spiel welche Figur gerade spielt und wie diese im Zusammenhang zueinander stehen. Das fand ich schon fast zu viel des Guten und dennoch hat die Serie dadurch einen neuen Sog entfaltet. An manchen Abenden habe ich zwei Episoden hintereinander gesehen, was schon ewig nicht mehr vorgekommen ist. Verrückt. Vielleicht ist das auch diese Mischung aus Drama, ungewöhnlicher Familienserie und hartem Thriller, die mich so reinzieht. Das Finale ist dann umso schockierender und legt gekonnt die Fährte für mögliche Entwicklungen, die sich in den folgenden Jahren noch ergeben können. Weiterhin extrem spannend: 9/10 (8.5) Punkte.
Staffel 3: Es wird persönlicher und komplexer
Mit der Geschichte rund um Paige wird es für die Jennings persönlicher und zwischen dem Ehepaar schwelt konstant ein Konflikt. Dieser Handlungsstrang trägt sich über die gesamte Staffel und schwelt im Hintergrund. Erst im letzten Drittel entwickelt er sich wirklich weiter, was für eine emotionale Entladung sorgt. Dazwischen gibt es etliche weitere Handlungsstränge, welche sich in Sachen Spannungsaufbau zu übertrumpfen versuchen. Speziell die Episode „Do Mail Robots Dream of Electric Sheep?“ ist mir als herausragend in Erinnerung geblieben, blickt sie doch auch in die Seele unserer Protagonist*innen und setzt deren Vorgehen in harten Kontrast zur Normalität der anderen Leben, auf die sie Einfluss nehmen. Den Handlungsstrang um Martha und Clark fand ich auch extrem spannend. Hier bin ich gespannt, wie sich die Lage in Zukunft noch entwickeln wird. Ich hatte in dieser Staffel schon mit so mancher Eskalation gerechnet. Inzwischen bin ich mir sicher, dass diese in der kommenden Staffel nahezu unausweichlich wird. Es bleibt spannend: 9/10 (8.9) Punkte.
Staffel 4: Die Schlinge zieht sich enger
Während der vierten Staffel hatte ich häufiger das Gefühl, dass die Jennings kurz davor stehen aufzufliegen. Ich habe den Verdacht, dass dies auch bis zum Finale der Serie so bleiben wird. Die Spannung, die sich aus diesem Aspekt zieht, ist wirklich enorm. Doch auch die anderen, stets damit verbundenen Handlungsstränge sind großartig und allesamt ziemlich bitter: Die Auflösung von Clarks Beziehung mit Martha, Agent Gaads tragische Reise, die letzte Konsequenz in Ninas Geschichte, der Biowaffendiebstahl usw. All das lässt schon vorausahnen, dass „The Americans“ niemals ein glückliches Ende haben wird. Wie sollte das bei solch einer Serie auch funktionieren? Schließlich begleiten wir hier Antagonist*innen in einem selbstzerstörerischen System aus Mistrauen und Ungunst. Für mich stellt sich nun die Frage, wie man die ungewisse Spannung nun noch ohne weitere Eskalation über zwei Staffeln aufrecht halten will. Ich bin mir jedoch sicher, die Autor*innen werden das geschickt lösen: 9/10 (9.1) Punkte.
Staffel 5: Die Ruhe vor dem Sturm
Die fünfte Staffel nimmt sich, so zumindest mein Gefühl, noch mehr Zeit für ihre Handlungsstränge. Man könnte teils vermutlich sagen, dass es zu langsam vorangeht, doch für mich hat das Sinn gemacht. Die Etablierung neuer Identitäten, ein ausführlicherer Blick nach Moskau und Einblicke in die Vergangenheit unserer Protagonist*innen. Teils hatte ich das Gefühl, dass 10 Episoden hier auch ausgereicht hätten, doch vermutlich bereue ich diesen Wunsch bei der finalen Staffel, die tatsächlich eine geringere Episodenzahl hat. Herausragend beklemmend fand ich die erste Episode „Amber Waves“, die zeigt, dass es hier einfach keine Gewinner geben kann. Wirklich bedrückend. Weiterhin fand ich unterschwellige Spannung großartig, ob sich nicht langsam Risse in der Ergebenheit der Jennings ihrer Aufgabe gegenüber zeigen. Dem war jedoch nicht so. Ich befürchte bzw. vermute, dass die finale Staffel mit einem ziemlichen Downer enden wird: 8/10 (8.4) Punkte.
Staffel 6: Die Spannung entlädt sich
Die sechste Staffel von „The Americans“ hat nur 10 Episoden und ist damit die kürzeste der Serie. Vermutlich liegt es auch an dieser Verdichtung, dass es in jeder einzelnen Episode zu unfassbaren Entwicklungen kommt. Trotz des Drucks, den die Autor*innen aufbauen, wird den Figuren Zeit gegeben. Aber nicht viel. Es werden so viele interessante Möglichkeiten aufgemacht: Stan Beeman schöpft Verdacht, die Infragestellung des über Jahre aufgebauten Wertesystems, die Verknüpfung zu historischen Figuren und Ereignissen usw. Ich hätte mir gewünscht, dass Elemente davon bereits stärker in vorangegangenen Staffeln angelegt worden wären. Aber vielleicht ist der Punch am Ende auch deshalb so stark, weil er unerwartet in die Magengrube trifft und er nicht minutiös vorbereitet wurde. Dabei hätte ich allerdings erwartet, dass die finale Konsequenz für unsere Hauptfiguren noch drastischer ausfällt. Doch auch die emotionale Ausweglosigkeit der Situation ist ziemlich bitter. Wahrlich kein Happy End: 10/10 (9.5) Punkte.
Fazit
„The Americans“ hat mich wirklich voll und ganz überzeugt. Es ist nicht die aufregendste Serie, doch wenn man an ruhigem Drama, packendem Spannungsaufbau und interessanten, zwischenmenschlichen Dynamiken Freude findet, dann kann ich euch die Serie nur ans Herz legen. Toll gespielt, teils erschütternd und bitter und doch immer mit Verständnis für die Figuren erzählt. Hochwertiges Serienkino im wahrsten Sinne: 9/10 (8.8) Punkte.
Die Serie ist in der Tat ein Juwel, aber eines, für das man sich Zeit nehmen muss. Ich fand die ersten vier Staffeln gut mit ein paar fein gezielten Schlägen ins Kontor mitten in die Ruhe rein. Season 5 wirkte auf mich dann wie eine lange Hinleitung auf das Finale hin und irgendwie habe ich es durch das Überangebot an Serien seit 2018 bis heute nicht geschafft, die letzte Staffel zu schauen. Da muss ich ran, bevor es noch ein Reboot, Prequel oder Animated KI-Reimagination gibt.
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Dann fehlt dir tatsächlich die aus meiner Sicht beste Staffel der Serie. Du hast aber vollkommen Recht mit deiner Einschätzung: Man muss sich Zeit nehmen und gerade die 5. Staffel ist noch einmal langsamer. Läuft auf Disney+ und sind nur 10 Episoden, falls es dir das einfacher macht. 😉
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Auch so eine dieser Serien, von der ich nur Gutes höre, zu der ich bislang aber einfach nicht gekommen bin
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Ging mir auch lange Jahre so. Ist vielleicht auch eher etwas für die Wintermonate.
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Die Serie habe ich sehr gefeiert. Die sechste Staffel hat für mich eine der wohl „most memorable Moments“ in Serien. Zum Einen Beemans letzte Szene und zum anderen die Zug-Szene. Vielleicht erinnerst du dich noch … ich habe mich während des Schauens aber auch oft gefragt wieviel dieses „das kann doch gar kein happy end geben?“-Gefühl das Weitergucken befeuert.
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Ja, ich kann mich noch sehr gut an beide Szenen erinnern. Das war schon sehr „gänsehautig“. Ich war ja tatsächlich eher erstaunt, dass das Finale nicht doch drastischer ausgefallen ist. Aber hat auch irgendwie zur Serie gepasst. Diese ruhige und er subtile Art der Schmerzes, mit dem die Figuren nun umgehen müssen.
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