Mid90s (2018)

Heute war das Wetter eher durchwachsen, weshalb wir uns abends tatsächlich einmal wieder vor dem TV eingefunden hatten. Dieses Mal aber ohne Kinder, weshalb mit „Mid90s“ auch ein Film in den Player gewandert ist, den speziell ich unbedingt sehen wollte. Was Jonah Hills hochgelobter Coming-of-Age-Film letztendlich zu bieten hat, erfahrt ihr in der folgenden Besprechung… 🛹

Mid90s (2018) | © Alive

Mid90s (2018) | © Alive

Ein audiovisuell authentisches Portrait der 90er

Ich hätte nicht gedacht, dass mich „Mid90s“ ausgerechnet auf audiovisueller Ebene so begeistern würde. Das 4:3-Format, der dokumentarische Stil, die Ausstattung, Sprache und speziell der Soundtrack haben mich mal eben 25 Jahre in der Zeit zurückgeschickt. Zwar war ich nie selbst Skater, doch spielte sich Mitte der 90er ein großer Teil meines sozialen Lebens zumindest am Rande der Szene ab. Gerade Kleidung und Hip-Hop, aber auch Selbstdarstellung und Gehabe sind für mich unverkennbar mit dieser Zeit verbunden. Gerade was dieses Gefühl angeht, kann Jonah Hills Regiedebüt punkten. Ein Kultfilm war bei uns damals Larry Clarks „Kids“, der eine ganz ähnliche Stimmung transportiert, dabei inhaltlich in jeder Hinsicht jedoch drei Schritte weiter geht. Jonah Hills Werk nimmt zwar Anleihen, bleibt im Grunde aber eine recht zahme und vorhersehbare Coming-of-Age-Geschichte in der Skater-Szene.

Ein weiterer moderner Coming-of-Age-Film, an den mich „Mid90s“ erinnert hat, ist Richard Linklaters „Boyhood“. Dieser wird oft auf sein Gimmick reduziert und viele Kritiker beanstanden, dass ja nie etwas Dramatisches passieren würde. Jonah Hill hakt die dramatischen Höhepunkte (Alkohol und Drogen, erste sexuelle Erfahrungen und ein dramatischer Autounfall) dagegen recht reißbrettartig ab. Das ist nicht unbedingt negativ zu bewerten, hat „Mid90s“ aber viel mehr wie eine Inszenierung wirken lassen, was den oft improvisiert wirkenden, kleineren Szenen und dem dokumentarischen Stil ein wenig im Wege steht. Hier wäre mit weniger noch mehr möglich gewesen.

Fazit

„Mid90s“ ist eine Liebeserklärung an die Skater-Szene der 90er Jahre. Eindeutig aus einer Perspektive und mit viel Liebe fürs Detail erzählt. In der Struktur ein wenig zu formelhaft erzählt, doch stets sympathisch und fantastisch inszeniert. Mit knapp 80 Minuten ist der Film erstaunlich kurz und ich habe die Jungs mit einem Gefühl der Wehmut verlassen. Nicht perfekt, aber in manchen Szenen ganz groß: 8/10 Punkte.

5 Gedanken zu “Mid90s (2018)

  1. Schlimmer Film, das musikalische Pandering ein Graus (Gott sei Dank ebbt es nach wenigen Minuten ab), die Formatwahl wurde mir nicht klar (Hill dreht in 1.33:1, während 4:3-Filme der 90er in der Regel 1.37:1 wählten), wirklich etwas hinzuzufügen hat sie dem Film ohnehin nicht.

    Eine recht zahme und vorhersehbare Coming-of-Age-Geschichte in der Tat, dilettantisch von Kids geklaut, betrüblich, dass da am Ende dennoch 8 Punkte rausspringen. Fand die Jungschauspieler alle furchtbar bis auf Na-kel Smith (s. Bild rechts).

    Irgendwie leben wir inzwischen in einer Zeit, wo jeder Rückverweis auf eine vergangene Zeit bereits groß abgefeiert wird. Angefangen von Stranger Things (ui, 80er) hin zu Mid90s („Liebeserklärung an die 90er“) oder kommende Woche Tarantino mit Once Upon a Time in Hollywood und die 60er Hollywood-Ära. Selten war Kino leichter als heute: Einfach einen Filmen drehen der in 1977 spielt, 2-3 Chart-Hits von damals auf die Tonspur klatschen (Cheap Trick’s I Want You to Want Me und David Bowie’s Heroes z.B.), als narrativer Backdrop folgt man oberflächlich ein paar Kids, die auf dem Weg sind, einen Sci-Fi-Film namens „Star Wars“ schauen zu wollen und sich vorher an einem Freitagabend in der Stadt rumtreiben (hier schön von American Graffiti klauen und wenn man schon dabei ist direkt auch noch Dazed and Confused). Kurz zusammenschneiden, in die Kinos rausjagen und der Feuilleton explodiert in der Hose.

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    • Schade, dass dir der Film so gar nicht zugesagt hat. Ich fand ihn auch nicht so perfekt, wie die meisten Kritiker, aber doch bemerkenswert genug. Was die Formatwahl angeht, so habe ich nicht nachgemessen, ob es nicht doch 1.37:1 war. Auch bei Cinemascope ist die Grenze zwischen 2.35:1 und 2.40:1 ja fließend. 😉

      Für mich ist der Film weit weniger forciert auf Retro ausgelegt, als deine Beispiele. Er wendet sich dedizierte an eine Szene und macht nicht den breiten Rundumschlag für das Massenpublikum. Ich mochte das sehr. 😊

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      • Ist schon 1.33:1, vermutlich wegen dem Camcorder und Film-im-Film, aber da der Film die Perspektive wechselt, hätte man auch einfach wechseln können (oder eben von 1.37:1 in eher filmkörniges 1.33:1 für die betreffenden Szenen).

        Den Retro-Aspekt hebst du doch selbst hervor („Gerade Kleidung und Hip-Hop, aber auch Selbstdarstellung und Gehabe sind für mich unverkennbar mit dieser Zeit verbunden“) – Retro spricht ja immer vor allem die an, die den betreffenden Zeitraum miterlebt haben, das dann erkennen und dem Film eine Qualität zusprechen, weil er etwas aufgreift, das sie erkennen. Fraglich ist ja, inwieweit Mid90s z.B. mal in 10 Jahren für deinen Zwergofant funktioniert, der ohne HipHop, Skating und FILA aufgewachsen ist und der eigentlich gar nichts mit dem Gezeigten anfangen kann, außer dem 0815-Kram, den Hill 1:1 aus dem Genre implementiert – Sex & Drugs, vielleicht beim Zwergofant dann noch etwas länger als 10 Jahre hin 😉

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      • Nee, ich glaube nicht, dass das wegen dem Camcorder war. Als diese Szenen kamen ist das Format ja noch kleiner geworden und war eindeutig Video inklusive Interlaced-Artefakten usw. Der Rest hat dagegen nach Film ausgesehen inklusive Körnung.

        Lustigerweise ist der Zwergofant immer sehr daran interessiert, was wir so für Filme schauen. Auch in diesem Fall her es sich interessiert am Skateboarding und den coolen, großen Jungs gezeigt. Das ist schon eine universelle Geschichte, die auch funktionieren kann, wenn man die Zeit nicht miterlebt hat. Auf mich hat das zumindest nicht so billig nach Retro-Feeling gerochen, wie in andere Serien. Aber vielleicht sehe ich das so, weil ich den Film wirklich mochte… 🙂

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