Sin nombre (2009)

Die meisten Filme, die ich schaue, sind englischsprachige Produktionen. Viel zu selten blicke ich über diesen Horizont hinaus, dabei sind es oft gerade internationale Produktionen, die zu beeindrucken wissen. Zu diesen gehört auch der US-mexikanische Film „Sin nombre“, von dem ich schon viel Gutes gehört hatte. Den letzten Anstoß zur Sichtung hat jedoch die Vorstellung des Films im jüngsten Band der Buchreihe „Filme der 2000er“ gegeben. Ob sich die Sichtung letztendlich gelohnt hat, erfahrt ihr in der folgenden Besprechung…

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Zunächst einmal muss ich ansprechen, wie brandaktuell „Sin nombre“ wirkt: Der Film erzählt die Geschichte von Flüchtlingen, die alles aufgeben um untragbaren Lebensumständen zu entfliehen – nur eben von Mexiko in die USA. Dabei konzentriert sich Regisseur Cary Fukunaga gezielt auf zwei Einzelschicksale, die in dieser oder ähnlicher Form jedoch stellvertretend für viele Flüchtlinge sein werden. Gewalt beherrscht nicht nur die zurückgelassenen Lebenssituation, sondern auch die gesamte Reise nach Norden an die US-mexikanische Grenze. Dabei erzählt der Film kein ruhiges Drama, sondern stellt eine knallharte Gangstergeschichte ins Zentrum, die nicht von ungefähr an Fernando Meirelles‘ „City of God“ erinnert, ohne jedoch dessen epische Dimensionen zu erreichen.

Mit ca. 90 Minuten ist die zur Verfügung stehende Zeit nicht besonders lang, was bedeutet dass die gezeigte Welt nicht bis ins Detail erklärt wird, sondern durch die Handlung erzählt wird. Dies fand ich sehr erfrischend, wenngleich ich mir auch ein paar ausführlichere Charakterszenen gewünscht hätte. Die Figuren bleiben somit ein wenig an der Oberfläche und manche von ihnen hätte ich gerne näher kennengelernt. Doch vielleicht unterstreicht dies auch einen Teil der Reiseerfahrung von Flüchtlingen: man sieht sich, verliert sich, stolpert – im wahrsten Sinne des Wortes – sinnlos in den Tod und ist letztendlich Mächten ausgeliefert, denen das eigene Leben keinen Cent wert ist. Auch das Finale ist angenehm konsequent und entlässt die Figuren (und mit ihnen den Zuschauer) mit einem Kloß im Hals in eine ungewisse Zukunft.

Auch wenn mich Fukunagas Film nicht so mitgerissen hat, wie damals „City of God“, so zeigt er uns doch einen schonungslosen Blick in eine Welt, die uns beinahe unvorstellbar erscheinen mag. „Sin nombre“ mag mehr Gangsterfilm als Flüchtlingsdrama sein, doch die Parallelen sind unverkennbar, was auch Cary Fukunagas Kurzfilm „Victoria Para Chino“ unterstreicht, der den Erstickungstod mehrerer Flüchtlinge in einem LKW kurz hinter der Grenze thematisiert. Es geschieht überall auf der Welt und es ist überall gleichermaßen schlimm. Niemand macht solch eine Flucht freiwillig durch, ganz egal was die spezifischen Gründe sind. Ein weiterer unfassbarer Aspekt unserer schönen neuen Welt. Filme wie diese lassen sie greifbarer werden – und regen vielleicht auch diejenigen zum Nachdenken an, die sich sonst nicht mit diesem Thema auseinandersetzen wollen: 8/10 Punkte.

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#bloggerfuerfluechtlinge

14 Gedanken zu “Sin nombre (2009)

    • Kann ich durchaus verstehen. Vermutlich hast du auch die spanische Originalfassung gesehen, während ich auf die Synchro zurückgegriffen habe. Das hat bestimmt einiges an Intensität gekostet. Beim zweiten Mal dann. Die Figuren waren mir zudem ein wenig zu blass, aber vielleicht hätte ich nicht immer „City of God“ als Vergleich heranziehen sollen.

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  1. Pingback: Media Monday #219 | Tonight is gonna be a large one.

    • Das ging mir auch so. Obwohl die Inszenierung sehr hochwertig und mit tollen Bildern angereichert war, hat der Film inhaltlich nicht gerade dem Hollywood-Standard entsprochen. Gut so! 🙂

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  2. Kaum im Gedächtnis geblieben, seltsamerweise. Erst nachdem ich kürzlich die erste Season von „True Detective“ gesehen habe, habe ich mich überhaupt daran erinnert, „Sin nombre“ gesehen zu haben, könnte aber nicht mehr als eine grobe Plotzusammenfassung geben. Hm. Wirklich begeistert kann ich nicht gewesen sein.

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  3. Ich fand den auch ziemlich gut und hatte das Gefühl hier Figuren zu sehen, die leider nur einige von (sehr) vielen sind. Vielleicht meinst du das mit der etwas flacheren Figurenzechnung? Denn ein gefühl für sie bekommt man schon – und dieses Gefühl zeigte mir dass ihre Hoffnung auf etwas besseres sehr ihr Dasein dominiert.

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    • Hmm, mag durchaus sein, dass ich das meinte. Ich hätte eben gerne mehr Hintergrund, auch zum Vater oder zum Bruder, gehabt. Die beiden Hauptfiguren waren durchaus ausgearbeitet, aber ich hatte stets das Gefühl da wäre noch mehr gegangen. Dennoch zweifellos ein toller Film.

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  4. Pingback: Internationales Kino: In 5 Filmen um die Welt | moviescape.blog

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