Nach einer unfassbar anstrengenden Woche, ist nun am Wochenende zumindest ein wenig Ruhe eingekehrt. Trotz anhaltenden Schlafmangels wollte ich heute unbedingt einen Film sehen: Die Wahl fiel auf Ben Afflecks Regiedebüt „Gone Baby Gone“, der bereits seit einer gefühlten Ewigkeit auf meiner Liste der unbedingt noch nachzuholenden Filme stand. Die Erwartungen waren hoch – sollte er seinem guten Ruf gerecht werden?

Ich mochte bisher alle Regiearbeiten, die ich von Ben Affleck gesehen habe: Der oscarprämierte Polit-Heist-Movie „Argo“ hatte mich sehr gut unterhalten, doch noch stärker ist mir „The Town“ in Erinnerung geblieben. „Gone Baby Gone“ spielt, wie bereits das mitreißende Gangsterdrama, ebenfalls in Boston und fühlt sich auch in der gleichen filmischen Welt verortet an. Das Setting ist roh, dreckig und nah am Leben der Einwohner dran. Beinahe wirkt der Film dokumentarisch, gäbe es nicht Casey Afflecks Voice-over, das uns Zuschauer ab der ersten Minute begleitet. Dadurch ist man nah an der Hauptfigur dran und erlebt die Geschichte aus ihren Augen.
Wie der nachfolgende „The Town“ ist auch „Gone Baby Gone“ klassisch erzählt und größtenteils unaufgeregt inszeniert. Die Atmosphäre ist dicht und die Geschichte um eine Kindesentführung geht schnell an die Substanz. Dabei wartet der Film mit einigen Wendungen auf, die ich so nicht erwartet hatte – und die den Film gegen Ende in eine Richtung steuern lassen, die mich wohl noch länger über das Finale nachdenken lassen werden. Es liegt nahe den Film mit dem erst kürzlich von mir gesehenen „Prisoners“ zu vergleichen, der eine ähnliche Atmosphäre heraufbeschwört. Afflecks Debüt erzählt dabei eher eine Kriminalgeschichte, wohingegen „Prisoners“ sich deutlicher in Richtung Thriller bewegt hat – sehenswert sind auf jeden Fall beide.
Es hat mich unglaublich gefreut Ed Harris endlich einmal wieder in einer größeren Rolle zu sehen: immer noch ein wahnsinnig charismatischer Schauspieler, der mich seltsamerweise an einen älteren Viggo Mortensen erinnert hat. Auch Morgan Freeman durfte zeigen was er kann – und ist endlich einmal nicht nur als stichwortgebender Mentor o.ä. aufgetreten, wie so oft in letzter Zeit. Casey Affleck und Michelle Monaghan haben die Geschichte auch erstaunlich gut getragen, was ich nach den ersten paar Minuten so nicht erwartet hätte.
Insgesamt fand ich den „Gone Baby Gone“ wirklich gelungen und speziell das Ende wird mir noch lange im Gedächtnis bleiben. Bis dahin hat der Film dramaturgisch ein wenig zu sprunghaft gewirkt, was allerdings nur wenig vom rundum positiven Gesamteindruck nimmt. Ich würde sogar beinahe soweit gehen und behaupten, dass dies Afflecks bisher gelungenste Regiearbeit ist – zumindest ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit „The Town“ ist dem Film sicher: 8/10 Punkte.
Kann Dir nur zustimmen, toller Schuld und Sühne Beitrag, dessen Ende noch lange nachwirkt. Ich hätte wahrscheinlich anders entschieden, als die Casey Affleck. Doch wenn man nicht in der Situation ist, kann man ja nur vermuten wie man entscheidet.
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Ja, über die Entscheidung am Ende sollte man auch nachdenken. Es gibt wohl keinen eindeutigen, richtigen Weg. Die zwei Standpunkte bzw. Möglichkeiten werden ja auch schön im Gespräch zwischen Caseys Charakter Patrick und Remy (Ed Harris) – siehe auch Bild oben – vorweggenommen. In diesem macht Patrick ja bereits seinen Standpunkt klar, von dem er auch auch am Ende nicht abrückt. Wirklich eine gelungene Auflösung der Geschichte, wenn man das Finale als solche bezeichnen mag.
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Mochte den Film nicht sonderlich, die zweite Hälfte nach der gescheiterten Übergabe find ich bei jeder Sichtung ungemein uninteressant. Kann mit „The Town“ noch am ehesten etwas anfangen von Afflecks Werken.
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Den Einschnitt nach der geplatzten Übergabe fand ich auch ein wenig antiklimaktisch und holprig in die Handlung eingebaut, doch hatte mich der Film spätestens bei der zweiten Kindesentführung wieder gepackt. Ist eben auch ein Thema, das mir sehr nahe geht.
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Ich schaff mir jetzt aber keine Kinder an, nur damit mir Filme besser gefallen 😀 #nokids
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Kann ich nun ja gar nicht verstehen… 😉
Allerdings ging mir das Thema auch schon vor den Kindern nahe. Aber daran wird es ja wohl nicht allein liegen, dass dir der Film nicht so zugesagt hat.
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Ach, ich würde das so in etwa unterschreiben. Ein guter Film, ein bisschen überschätzt wie alles von Affleck, trotzdem ist er ein ziemlich guter Regisseur und der Film hat zwar seine kleineren Längen, unterhält ansonsten aber ganz gut.
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Für ein wenig überschätzt habe ich bisher nur „Argo“ gehalten, den ich insgesamt aber auch wirklich gut fand. Ich mag seinen inszenatorischen Ansatz und würde mich auch über einen inoffiziellen dritten Teil einer möglichen Boston-Trilogie freuen.
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Ach, ich hab mich damals sehr über den Oscar für „Argo“ gefreut; war einer der besten Sneak-Preview-Filme in dem Jahr! Ich finde Ben Afflecks Regiearbeiten fantastisch; dafür war ich über die Nachricht, dass er Batman spielen wird, regelrecht entsetzt…
Zu Ed Harris wollte ich noch sagen, dass ich ihn seit „The Abyss“ verehre – einer der am meisten unterschätzten Schauspieler!!!
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Ich finde auch, dass „Argo“ einer der angenehmeren Oscarfilme ist. Er ist auch sehr unterhaltsam, doch mir hat „The Town“ oder auch „Gone Baby Gone“ einfach besser gefallen. Auf Afflecks „Batman“ bin ich dennoch gespannt – könnte fast so eine Clooney-Nummer werden… 😉
Ha! „The Abyss“ ist auch mein liebster Ed Harris-Film und ohnehin einer meiner absoluten Lieblinge. Ich liebe das Unterwasser-Setting und Ed Harris ist darin einfach grandios!
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„The Abyss“ war bei Erscheinen 1989 einer der unterschätzten Filme und damals wollte mit keiner in meinem Freundeskreis zuhören wie Klasse der Film ist ;-). Hoffentlich bekommt der 2015 endlich seine hochverdiente Blu-Ray Veröffentlichung, sonst werde ich langsam sauer!
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„The Abyss“ ist auch der Film, von dem ich eine Blu-ray-Veröffentlichung am meisten herbeisehne. Ganz besonders, da die DVD nicht einmal in anamorphem Format vorliegt, sondern nur letterboxed veröffentlicht wurde. Wahrlich eine Schande für diesen großartigen Film!
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Da geht es mir ähnlich wie dir. Ich hab den Film auch schon ewig auf mein to-watch-list, bin im Gegensatz zu dir aber bisher noch nicht dazu gekommen, ihn zu schauen.
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Bei mir hatte es auch Jahre gedauert, aber der Film wird ja nicht alt. Aufgrund seiner klassischen Inszenierung ist er auch wunderbar zeitlos. Insofern: keine Eile! 🙂
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Man sagt ja auch nicht umsonst: Gut Ding will Weile haben. Insofern…
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Ja, der Twist am Ende ist schon super, aber im Grunde ja ein wichtiges Element in den Büchern von Dennis Lehane. Bei der Verfilmung darf man halt nicht vergessen, dass Ben Affleck da wenig verändert hat an der Originalstory, aber gut umgesetzt von ihm war es auf jeden Fall. Wobei ich sagen muss, dass Mystic River mir als erste Lehane Verfilmung immer noch am besten gefallen hat. Da war der Twist noch dramatischer und auch das düstere Gesamtbild war noch beeindruckender umgesetzt.
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Noch eine Stimme mehr, die mich dazu bewegt „Mystic River“ endlich einmal anzuschauen. Von dem Film habe ich in letzter Zeit schon viel Gutes gehört, das wird jetzt wirklich höchste Zeit. Auch die Bücher klingen interessant und werden einmal vorgemerkt. Ist in Buchform bestimmt noch eine ganze Spur intensiver.
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Als Vorbereitung auf „The Drop“, die Lehane-Verfilmung, die Ende November hier anläuft, habe ich sowohl „Gone, Baby, Gone“ als auch „Mystic River“ noch einmal gesehen – und auch für mich ist „Mystic River“ die beste Lehane-Verfilmung, außerdem der beste Film von Clint Eastwood und einfach ein sehr starker Kriminalfilm.
Die Holprigkeit nach der gescheiterten Geldübergabe in „Gone, Baby, Gone“ hängt sehr stark damit zusammen, dass im Film einige Handlungselemente des Buches gar nicht vorkommen bzw. sehr stark reduziert sind, die dann dort aber in der zweiten Hälfte sehr wichtig sind. Hier passt einfach etwas nicht im Drehbuch. Beim Wiedersehen hatte ich allerdings weiterhin kleinere Probleme mit Casey Affleck, der mir einfach als zu jung erscheint. Aber das liegt vermutlich ebenfalls daran, dass ich das Buch vorher gelesen hatte.
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Und noch ein Lob für „Mystic River“ – so langsam führt da wirklich kein Weg mehr daran vorbei. Ich fand Eastwoods Regiearbeiten bisher übrigens nur gut und nie so überragend, wie sie alle Welt anscheinend findet. Insofern bin ich umso gespannter, wenn es deiner Meinung nach seine beste Arbeit bisher ist.
Was du über „Gone Baby Gone“ schreibst, klingt logisch. Es fühlte sich auch so an, als seien gewisse Elemente einfach nicht auserzählt worden. Vielleicht hole ich irgendwann einmal das Buch nach. Aber erst nach meiner Sichtung von „Mystic River“… 😉
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Nun würde ich grundsätzlich nicht sagen, dass Du das Buch nicht unbedingt zu lesen bräuchtest. 😉 Aber da Deine Zeit ja knapp ist, würde ich eher zu einem anderen Lehane greifen, z.B. „In der Nacht“. Das wird auch gerade von Affleck verfilmt.
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Da stehen die Chancen im Moment vermutlich sogar besser, dass Affleck eher mit der Verfilmung fertig ist, sie im Kino war und ich die Blu-ray gesehen habe… 😉
Auf jeden Fall danke für den Tipp!
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