Für Fantasy-Freunde sind seit Peter Jacksons grandioser Verfilmung von J.R.R. Tolkiens „Der Herr der Ringe“-Trilogie wahrlich bessere Zeiten angebrochen. Stellte das Genre für Filmstudios zuvor nur ein unkalkulierbares Risiko dar, so scheint heute jeder Fantasyfilm das große Geld abzuwerfen. Auch wenn die Qualität häufig auf der Strecke bleibt und auf ausgetretenen Pfaden gewandelt wird, so freue ich mich dennoch über jeden neuen Film des Genres. Mit „Der Goldene Kompass“ ist Chris Weitz („American Pie“, „About a Boy“) ein überzeugender Auftakt zur Verfilmung von Philip Pullmans „His Dark Materials“-Trilogie gelungen.
Anders als bei „Der Herr der Ringe“ oder „Die Chroniken von Narnia“ besuchen wir in „Der Goldene Kompass“ kein klassisches Fantasy-Universum. Die Welt erinnert an das Zeitalter der Aufklärung. Große Universitäten prägen das Bild. Forschung und die Verneinung derselben sind ein zentrales Thema. Eine regierungsähnliche Einrichtung – das Magisterium – versucht den freien Willen der Menschen einzuschränken. Die Menschen in dieser Welt sind zudem anders. Ihre Seele wohnt in Dæmonen. Tieren. Vertrauten. Untrennbar verbunden.
In dieser Welt wird die Geschichte von Lyra – einem selbstbewussten, kleinen Mädchen – erzählt. Anscheinend gibt es eine Prophezeiung, die ihr einen besonderen Stellenwert in diesem Universum einräumt. Und nicht nur in diesem. Durch sogenannten Staub scheint eine Reise in Paralleluniversen möglich. Das Magisterium versucht jedoch dessen Existenz zu verheimlichen. Viel mehr Licht wird in diesem ersten Teil der Trilogie jedoch nicht ins Dunkel gebracht. Die Geschichte konzentriert sich vorerst darauf, die verschiedenen Völker der Welt vorzustellen und Lyra auf ihrer Suche nach ihren verschwunden Freunden zu begleiten.
Für mich als Zuschauer, dem die Vorlage unbekannt ist, ist es anfangs schwierig sich in der Welt mit ihren Regeln zurecht zu finden. Zudem schien mir vieles etwas gehetzt und vernachlässigt. So muss es auch dem Teil des Publikums ergangen sein, das die Vorlage zu „Harry Potter und der Orden des Phönix“ nicht kannte. Da ich generell jedoch empfänglich für Fantasy bin, konnte ich mir einige Zusammenhänge selbst erklären und die Lücken somit auffüllen.
Besonders gut hat mir diese andere Welt gefallen, die ihre ganz eigenen Regeln besitzt und so gar nicht in typische Schemas passen will. Leider jedoch ist der Aufbau des Films umso mehr nach Schema F gestrickt: Die bedeutungsschwangere Stimme, die uns in die Welt einführt. Die lange Reise. Und der obligatorische Schlusskampf. Hier hat sich New Line leider zu sehr an bekannte Strukturen geklammert. Natürlich kann das auch an der Vorlage liegen, doch hätte ich mir hier etwas mehr Eigenständigkeit gewünscht.
Insgesamt kann ich „Der Goldene Kompass“ allen Fantasy-Freunden empfehlen. Für die kommenden Teile hege ich große Hoffnungen. Ein durchaus gelungener Auftakt: 7/10 Punkte.
Schöne Kritik! Lustig, dass du genau wie ich Lord of the Rings als Aufhänger genommen hast (liegt wahrscheinlich auch zu Nahe) und dieselbe Wertung wie ich vergeb hast. 🙂 Freue mich schon auf die Fortsetzungen, die hoffentlich noch etwas zulegen können.
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Habe gerade bei dir reingeschaut: Da sind wir uns dieses Mal ja wirklich einig. Kennst du eigentlich die Vorlage?
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Inwiefern fandest du es schwierig, dich in die Welt hineinzuversetzen und die Regeln zu verstehen? Gerade das fand ich nicht, ich hab mich sofort „heimisch“ gefühlt und diese Welt angenommen.
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Ich fand dass die Sache mit den Dæmonen, dem Magisterium, den verschiedenen Völkern etc. schon sehr oberflächlich behandelt wurde. Vom Staub und seinen Auswirkungen einmal gar nicht zu reden. Hier hätte es meiner Meinung nach mehr Substanz benötigt.
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Nein, ich kenne die Vorlage auch nicht. Was ich schwierig fand, war die Rolle des Magisteriums sofort einzuschätzen, das ist meiner Meinung nach immer nur zwischen den Zeilen durchgekommen. Das mit den Dæmonen war für mich aber ausreichend erörtert.
An sich fand ich die Exposition aber sehr gut, es ging schnell los und man war weit genug drin, um das wichtigste zu verstehen, aber auch noch weit genug entfernt, um noch ein paar Entdeckungen machen zu können. Das war gut gelöst.
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Es ist ja nicht so, als hätte ich der Handlung nicht folgen können. Allerdings waren so einige Sachen für mich einfach zu unklar. Besonders die Beziehungen der verschiedenen Völker zueinander. Wie stehen diese zum Magisterium?
Ich finde es einfach etwas schade, dass diese anscheinend so durchdachte Fantasy-Welt teils so oberflächlich behandelt wurde. Wenn ich da allein an die Einführung der Hobbits in „Der Herr der Ringe“ denke… aber diesen Vergleich sollte man wohl nicht anstellen. Solch Ausnahmefilme kann es ja nicht jedes Jahr geben.
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Habe heute auch aufgrund mangelnder Alternativen im ländlichen Kinoprogramm „Der goldene Kompass“ gesehen und meine Eindrücke decken sich auch grob mit Euren, wobei meine Wertung noch etwas schwächer ausfällt.
Der Film krankte am üblichen Problem von (vielen) Buchverfilmungen und wirkte einfach über weite Strecken viel zu sehr wie eine *Zusammenfassung* und weniger wie eine filmische Umsetzung. Dadurch blieb bei mir ein wenig die emotionale Komponente auf der Strecke. Ich konnte als Nichtkenner zwar dem meisten relativ problemlos folgen, aber mir blieb das Schicksal der altklugen Göre (provokativ formuliert) doch relativ gleichgültig. Das war zwar alles hübsch anzusehen, gerade auch die Sache mit den Seelendämonen (die fand ich wirklich toll visualisiert), aber es fehlte mir doch der Zugang, um richtig mitzufiebern.
Da sehe ich es eben im Gegensatz zu Paul als großen Nachteil an, dass sich hier nicht Zeit genommen wurde, um die Figuren (und auch die Hintergründe) mehr einzuführen.
Zusätzlich fand ich diese Zusammenfassung von Lyra am Schluss auf dem Luftschiff ziemlich dämlich. Da wurde ja wirklich für jeden Idioten nochmal aufbereitet was war und was kommt. Obwohl, in seiner Dreistigkeit muss man das schon fast wieder lobend anerkennen…
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Da kann ich dir nur zustimmen. Zusammenfassung trifft es ganz gut. Allerdings hatte ich auch nicht mit wirklich mehr gerechnet. Ist eben eine Roman-Verfilmung. Die wenigsten gehen dabei über eine reine Abhandlung der einzelnen Stationen hinaus – und wurde bei „Der Goldene Kompass“ gar nicht einmal so schlecht gelöst.
Etwas mehr Feinschliff und Spielraum für die einzelnen Figuren, dann wäre ich vollends zufrieden gewesen.
Das Ende soll auch nicht das der Vorlage sein. Diese endet anscheinend ziemlich düster und tragisch. Vermutlich wollte man das dem Kinopublikum nicht zumuten. Das kann ich vom künstlerischen Standpunkt her zwar nicht verstehen, ist jedoch aus Sicht der Produzenten absolut nachvollziehbar – schließlich soll das 08/15-Publikum nicht abgeschreckt werden und in die Nachfolger rennen.
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Das Ende ist wirklich ein anderes. Insgesammt hat der Film einige „Abkürzungen“, die der Handlung im Buch total zuwider laufen.
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Ich bin gespannt auf das Ende vom Buch, lese es nämlich gerade. Habe jetzt ca. zwei Drittel und bin wirklich schwer begeistert. Werde den Film – wenn er auf DVD erhältlich ist – auch noch einmal in Bezug auf die Änderungen zum Buch sichten.
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