Adolescence – Die komplette Miniserie (2025)

Warum habe ich mir diese Serie nur angeschaut? Auslöser war bestimmt der mittelgroße Hype darum. „Adolescence“ ist eine Miniserie auf Netflix, die schwere Themen behandelt. Dabei ist sie sowohl inhaltlich als auch inszenatorisch brillant erzählt. Ganz grob geht es um einen Kriminalfall, in dem ein Jugendlicher verdächtigt wird, eine Mitschülerin umgebracht zu haben. Mehr verrate ich an dieser Stelle nicht, auch wenn Spoiler den Eindruck kaum schmälern. Spoiler sind zu erwarten.

Adolescence (2025) | © Netflix

Adolescence (2025) | © Netflix

Vier gezielte Schläge in die Magengrube

Zunächst zur Einordnung: Ich wurde gespoilert und wusste, worum es in der Serie geht und wie sie sich grob entwickelt. Auch der inszenatorische Kniff, jede Episode als lange Plansequenz zu erzählen, war mir bekannt. Obwohl ich auch erwartet hatte, dass „Adolescence“ keine leichte Kost werden würde, so war ich auf die emotionale Wucht doch nicht gefasst. Speziell in der ersten Episode hatte ich, obwohl mir bewusst war, dass er den Mord begangen hat, instinktiv Mitleid mit dem dreizehnjährigen Jamie. Die Vorstellung, dass der Zwergofant, der sich nahezu im gleichen Alter befindet, plötzlich aus dem elterlichen Haus gerissen wird und er vorerst keinen Kontakt mehr zu seinen Eltern haben darf, war fast unerträglich. Auch die völlige Überforderung des Vaters hat mich mitgenommen. Das Versprechen Jamies unschuldig zu sein, dann der Schlag in die Magengrube als die Wahrheit ans Licht kommt. Vater und Sohn alleine im Verhörraum. Beide brechen in den letzten Minuten der ersten Episode in sich zusammen. Dieser Schmerz hat sich auf mich übertragen und ich war extrem froh, als endlich der Abspann über den Fernseher gelaufen ist.

Auch die zweite Episode hat es in sich und ich fand sie sowohl erzählerisch als auch inszenatorisch beeindruckend. Das ermittelnde Team (u.a. Faye Marsay, die man aus „Andor“ als Vel Sartha kennt) kommt an Jamies Schule, um mit Mitschüler:innen zu sprechen und Apelle an die Klasse zu richten. Detective Bascombe trifft dabei auch auf seinen Sohn, der ebenfalls diese Schule besucht. In jeder Hinsicht auch eine eher unangenehme Episode, die klar zeigt, wie wenig Erwachsene die von Instagram und Co. geprägte Welt der Jugendlichen verstehen. Dennoch gibt es auch zarte Annäherungen zwischen Detective Bascombe und seinem Sohn, die Hoffnung geben. Zu einer solchen kommt es auch in der dritten Episode, die sich komplett auf ein Gespräch zwischen Jamie und seiner zugewiesenen Psychologin konzentriert. Inszenatorisch nicht ganz so beeindruckend, doch unfassbar gespielt. Besonders der beim Dreh 15-jährige Owen Cooper, der Jamie verkörpert, ist fantastisch. Der Erkenntnisgewinn dieser Episode ist gering und vielleicht ist sie deshalb umso schmerzhafter anzuschauen.

Keine Lösungen, doch Diskussionsimpulse

Das Finale spielt ein Jahr nach dem Mord an Katie und zugleich am 50. Geburtstag von Jamies Vater. Der Alltag trifft auf die nicht verheilten Wunden der Vergangenheit. Eine teils anstrengende und auch herzzerreißende Episode. Die Familie versucht einerseits nicht an die Tat ihres Sohnes bzw. Bruders zu denken, andererseits werden sie von ihr eingeholt. Immer wieder. Spätestens wenn Jamie aus dem Gefängnis anruft, um seinem Vater zu gratulieren. Das erlösende Element kommt erst, indem sich die Eltern auch ihre Versäumnisse eingestehen. Der Zusammenbruch des Vaters im Zimmer seines Sohnes hat mich am Ende komplett zerstört. Der vierte Schlag in die Magengrube.

Was der Serie fehlt, ist die Perspektive des Opfers. Dieser Umstand wird zwar an einer Stelle thematisiert, doch letztendlich steht auch bei diesem Femizid nur der Täter im Mittelpunkt. Die Macher der Serie haben sich bewusst für diese Perspektive entschieden und diese funktioniert auch. Man kann innerhalb von vier Episoden auch nicht alle Aspekte abdecken. Was gezeigt wird, ist relevant, wichtig und exzellent umgesetzt. Dennoch ging mir dieser Gedanke im Kopf herum, wenngleich ich auch keine Lösung dafür habe, wie man noch mehr Perspektiven hätte aufzeigen können, ohne diesen schmerzhaften, messerscharfen Fokus zu verlieren. Ohne Lösungen zu bieten, regt die Serie zur Diskussion an und das ist auf jeden Fall positiv zu bewerten.

Fazit

Ja, „Adolescence“ ist so gut, wichtig und aktuell, wie man überall lesen kann. Die Serie bietet dabei keine einfachen Lösungen und selbst das Problem wird nicht bis ins Detail aufgedröselt. Die Serie regt zum Nachdenken, Reflektieren und Diskutieren an. Ob sie an Schulen Pflichtprogramm werden sollte? Ich bin skeptisch. Eltern sollten sie sich auf jeden Fall anschauen. Um vielleicht einmal häufiger mit ihren Kindern zu reden und in Lebensbereiche vorzudringen, die recht unsichtbar vorbeiziehen. Eine herausragende Miniserie, die ich jedoch so schnell nicht mehr sehen möchte: 10/10 (9.8) Punkte.

9 Gedanken zu “Adolescence – Die komplette Miniserie (2025)

  1. Ui, das klingt als ob einmal angucken reicht und dich dann vielleicht für immer verfolgt? Ich habe auch schon einiges darüber gelesen, aber kann es aufgrund fehlendem Netflix leider nicht gucken. Aber ich glaube so wie du dein Fazit beschreibst, war es tatsächlich auch angedacht. Es soll anregen, man soll darüber sprechen, man soll über die Anfänge und über die Lösungen sprechen. Und einen 2. Teil aus Sicht des Opfers hat das Produktionsteam bisher auch abgelehnt. Es soll mal nicht um das Opfer gehen. Die Herangehensweise finde ich mutig. Und oft kommt dann heraus, dass die Täter oft selbst nur Opfer sind. Auch wenn es schlimm ist, dass immer erst was passieren muss, bevor den „Tätern“ geholfen wird.

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    • Tatsächlich ist das keine Serie, die ich mir aufgrund ihres Unterhaltungswertes noch einmal anschauen würde. Eher um darüber ins Gespräch zu kommen, falls nötig.

      Das Thema ist komplex und, wie in der Serie angedeutet, gibt es auch keine einfachen Lösungen. Was Täter und Opfer angeht: Es wird klar, dass es eher ein Strukturproblem ist und wir alle eine Teilschuld tragen. Also nicht wir als Individuen, sondern wir als Gesellschaft. Gerade deshalb ist die Serie auch so wichtig.

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  2. Macht einen zwar fertig, sollte man aber mal durchlebt haben. Es gibt nur sehr wenige Produktionen, von denen man dies behaupten kann. Vielleicht noch der Antikriegsfilm „Come and See“, an den ich mich bisher aber noch nicht rangetraut habe.

    Mich hat die erste Episode komplett umgehauen, auch, weil ich anders als du nicht gespoilert wurde und dachte, dass es sich um ein Missverständnis oder Mobbing handeln könnte und der Junge unschuldig wäre. Owen Cooper hat das Zeug zu einem ganz großen Schauspieler.

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    • Dem kann ich nur zustimmen. Selten hat mich eine Serie so nachhaltig beschäftigt. Trotz der Spoiler hat sie mich eiskalt erwischt. Vermutlich auch weil meine Kinder quasi im gleichen Alter sind. Der Schmerz der Eltern war so greifbar und die Situation so unvorstellbar, dass ich emotional einfach nur fertig war.

      Dennoch oder gerade deshalb auf jeden Fall wichtig und impulsgebend. Owen Cooper war großartig, dem kann ich nur zustimmen. Eine unfassbare Leistung.

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  3. Die 4. Folge hätte es für mich nicht geben sollen. Ich fand sie teilweise verwirrend und viel zu ruhig… ich weiß auch nicht.

    Man wusste bei der ersten ja schon, worauf es hinaus läuft und dennoch hat man irgendwie die ganze Zeit gehofft, dass es nicht dazu kommt. Das alles ein Irrtum ist und obwohl der Polizist den Ausgang schon kannte, fand ich ihn unglaublich einfühlsam die gesamte Zeit über. Wie krass ist das bitte?

    Man denkt alles ist ok und dann ist es das überhaupt nicht.

    Ich achte immer massiv darauf, dass meine Kinder wissen, dass ich jederzeit ihr Handy nehmen und mal reinschauen kann. Sie sind einfach noch jung und das Internet ist ohne Erbarmen. Dennoch hat mir die Serie gezeigt, dass wir uns noch so sehr bemühen können am Zahn der Zeit zu sein… es gibt immer noch viel zu viel, was wir nicht wissen und verstehen… Erschreckend. Wirklich…

    Und wir wissen aus eigener Erfahrung: Kinder können so gemein sein, weil ihnen teilweise gar nicht bewusst ist, wie viel sie bei einem anderen Menschen innerlich mit ihren bösen Scherzen kaputt machen können.

    Beeindruckend fand ich tatsächlich in der dritten Folge ebenfalls wie Facettenreich sich der Junge zeigen konnte, diese totale Zerrissenheit der eigenen Emotionen… und ich schaue nun noch genauer darauf, wie es meinem Teenie geht… welche Dinge er vielleicht unausgesprochen lässt… und ich weiß, da sind Dinge…

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    • Ich fand die vierte Folge zunächst auch schwächer bzw. etwas unnötig. Gegen Ende hat sie für mich jedoch solch eine Wucht entfaltet, dass sie mich nachhaltig mitgenommen hat.

      Wir versuchen auch, möglichst viel Einblick in die Online-Welt unserer Kinder zu haben. Zeitliche Kontrolle via Family Link und inhaltliche durch freigegebene Apps usw. Ab und zu schauen wir auch, in Absprache mit den Kindern, in Chats rein, wenn es Themen gibt. Die Kinder kommen oft auch zur Einordnung und mit Fragen zu uns. Der Austausch ist wichtig. Dass die Kids bis nachts am Rechner sitzen und irgendwas tun, das gäbe es bei uns nicht. Ist natürlich auch kein 100%iger Schutz, doch ich hoffe dass Offenheit und Gespräche da der richtige Weg sind, die entsprechenden Werte mitzugeben. In den Klassenchats gab es auch schon Cybermobbing und da muss man drüber reden.

      Die Serie hat auf jeden Fall den Anstoß gegeben, noch genauer hinzuhören und die Kinder zu begleiten. Gerade im Teenager:innen-Alter nicht immer einfach.

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  4. Pingback: Media Monday #728 – Pfingstferien, Dauerregen und Blog-Geburtstag | moviescape.blog

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