Gestern Abend habe ich endlich den ersten Teil des Filmprojekts von Clint Eastwood gesehen, das die Schlacht um Iwo Jima thematisiert und mir der vielversprechendste aktuelle Beitrag zum Kriegs- bzw. Antikriegsfilm (die Grenze ist teils schwer zu ziehen) zu sein scheint: „Flags of Our Fathers“. Nach der Sichtung bin ich nun etwas ernüchtert und setze meine ganze Hoffnung auf „Letters from Iwo Jima“, in dem die Schlacht aus japanischer Sicht erzählt wird.
Generell finde ich Krieg doof. Ich könnte mir – als überzeugter Zivi – auch nie den Dienst an der Waffe vorstellen. Dennoch hat die Geschichte gezeigt, dass es anscheinend nicht ohne globale Auseinandersetzungen geht. Insofern braucht das Land natürlich Soldaten. Leider kann ich die Militärmentalität überhaupt nicht nachvollziehen: Strikte Befehlsketten, Aufopferung für das Land etc. All das erscheint mir supekt. Vielleicht übt der Kriegsfilm deshalb eine teils doch recht starke Faszination auf mich aus. Weil ich mir Antworten erhoffe. Antworten, die ich jedoch nie bekomme.
Auch „Flags of Our Fathers“ erfüllt nahezu jedes Klischee des Genres. Die Kameradschaft wird glorifiziert, blauäugige Jungs sterben für ihr Vaterland und trotz der klaren Verneinung des Heldentums schafft der Film selbst ebensolche: Die Helden von Iwo Jima. Schade, hier hätte ich mir – trotz gelungener Ansätze – wirklich mehr erhofft. Sowieso verstehe ich nicht, warum man immer wieder irgendwelche Schlachten nacherzählen muss. Wäre es nicht einmal viel interessanter die Auswirkungen des Kriegs auf die Bevölkerung zu zeigen? Wenn ich allein daran denke, was meine Großmutter aus der Zeit zu erzählen weiß, als sie und ihre Familie vertrieben wurde. In der europäischen Bevölkerung muss es tausende höchstinteressante Schicksale geben, doch landet das Genre immer wieder beim Soldaten. Dem Kriegshelden. Vielleicht liegt das auch daran, dass 99% aller Kriegsfilme aus Amerika kommen, einem Land das eben nur diese heldenhafte Seite kennt oder das – wie in Vietnam oder aktuell im Irak – eben aus der Ferne protestiert.
Da ich nun ziemlich vom Thema abgweichen bin, muss ich doch ein paar lobende Worte über Eastwoods Film verlieren: Er ist grandios inszeniert. Die Schlacht steht der aus „Der Soldat James Ryan“ um fast nichts nach. Das Foto als Aufhänger fand ich auch sehr gelungen. Zudem scheint man wirklich sehr an der historisch korrekten Rekonstruktion der Ereignisse interessiert gewesen zu sein. Als gespieltes Zeitdokument funktioniert der Film demnach sehr gut. Die Frage ist allerdings, ob ein Dokumentarfilm hier nicht sinnvoller gewesen wäre. Die eingestreuten Interviews wirken nämlich eher fehl am Platz.
Insgesamt hat mir „Flags of Our Fathers“ gut gefallen, aber ich hätte mehr erwartet. So reiht sich der Film etwas hinter Spielbergs „Saving Private Ryan“ und sehr viel weiter hinter „Band of Brothers“ ein. Die emotionale Kraft eines „Der Pianist“ wird in keiner Sekunde erreicht, dafür ist Eastwoods Werk zu sehr Kriegs- und zu wenig Antikriegsfilm. Als Einblick in die Geschichte hinter dem berühmten Foto jedoch sehr gelungen: 7/10 Punkte.
Zu sehr Kriegs-, zu wenig Antikriegsfilm. Das triffts.
Kann mich deiner Einschätzung absolut anschließen. Ich hätte vielleicht noch erwähnt, dass auch ein Blick auf die damalige Gesellschaft gewagt wird: Wie nämlich der Indianer, der an der Front genau wie jeder Weiße kämpft, verwundet wird und riskiert, elendig zu krepieren, in der Heimat ein Mensch zweiter Klasse ist.
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Ja, das fand ich auch gut an dem Film. Auch dass herausgestellt wurde, wie sehr es doch letztendlich ums Finanzielle geht hat mir imponiert. Leider ging das dann gegen Ende zu sehr in den heldenhaften Kriegshandlungen unter…
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Mich spricht „Letters from…“ auch eindeutig mehr an. Aber nichtsdestotrtotz werden beide in die Sammlung wandern.
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Falls Du mal an den rankommst, empfehle ich Dir Warriors – Einsatz in Bosnien. So ziemlich der einzige Anti-Kriegsfilm, den ich kenne. Im ganzen Film fällt so gut wie kein Schuss und es geht im Prinzip nur um die Auswirkung des Balkankrieges auf die bosnische Bevölkerung (und die UN-Soldaten, die aufgrund der Bürokratie bei Verschleppungen und Morden nur daneben stehen dürfen). Lief mal auf Arte, vielleicht kommt er ja nochmal.
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@ Kaiser_Soze: „Letters…“ muss ich noch sehen und ich verpreche mir auch mehr davon. „Flags…“ ist ja kein schlechter Film, nur eben nichts besonderes.
@ Sebastian: Hört sich gut an! Leider gibt es anscheinend noch keine deutsche DVD. Werde aber meine Augen offenhalten. Mich hat Polanskis „Der Pianist“ sehr beeindruckt, wenngleich hier die Judenverfolgung im Vordergrund stand.
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Ich fand das eigentlich ganz geschickt von Eastwood, vordergründig eine Kriegs- und Heldenfilm zu machen (das suggerieren zumindest Filmtitel und -plakat), dem amerikanischen Publikum aber dann doch eine recht unheroische Sicht der Dinge unterzujubeln (geht alles nur um Geld, verlogene Propaganda, sinnloses Sterben).
Bin mal gespannt, wie du Letters from Iwo Jima findest, der ist noch mehr Kriegsfilm als Flag of our Fathers.
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Mir wurde diese Intention Eastwoods durchaus bewusst und diese Stellen sind mir in guter Erinnerung geblieben, allerdings ist der Film über große Strecken leider ein einfacher Kriegsfilm. Sicher nicht schlecht, doch erwartet hätte ich mir mehr.
„Iwo Jima“ hat bereits eine Sonderstellung, da einmal nicht die Seite der Amerikaner gezeigt wird. Ob das nun das einzige herausragende Merkmal wird wohl die Sichtung zeigen.
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