Es gibt wenige Bereiche in meinem Leben, in denen ich mich als Patriot sehe. Film gehört definitiv dazu. Meiner Meinung nach ist der deutsche Film weit besser, als sein Ruf. Es fehlt oft einzig und allein an Geld und Mut – zwei Faktoren, die leider untrennbar miteinander verknüpft sind. Das Ergebnis sind daher meist uninspirierte Komödien oder zu schwere Dramen. Umso mehr freue ich mich daher über Filme, wie Hans Weingartners „Die fetten Jahre sind vorbei“. Filme, die Mut beweisen. Die anders sind. Die aktuell und aufwühlend sind – und sich in kein vorgegebenes Genre pressen lassen. So sollte der junge, deutsche Film aussehen.
„Die fetten Jahre sind vorbei“ handelt im Grunde von einer Idee. Zwar verpackt in Revolution, Freundschaft und Liebe. Letztendlich bleibt nach dem Film aber vor allem eines bestehen: eine Idee. Ein Gedanke. Ein Anstoß. Der Film präsentiert keine Lösung. Er ist nur in zweiter Instanz als Kapitalismuskritik zu verstehen – wenn überhaupt. Es werden hier Argumente für beide Parteien präsentiert. Es entsteht ein Dialog. Ideen werden ausgetauscht. Ideale vehement verteidigt. Hier liegt auch die wahre Stärke von Weingartners Film. Der Zuschauer wird zum Mitdiskutieren eingeladen. Zum Finden seines Standpunkts. Zum aktiven Denken. Am Ende bleibt eine Idee. Eine Vorstellung. Zumindest mich hat der Film immer noch nicht losgelassen.
Auch vom inszenatorischen Standpunkt her gesehen, fand ich den Film sehr gelungen. Durch die Verwendung von digitalem Video und Handkameras fühlt man sich mittendrin. Unmittelbar dabei. Ein sehr gelungenes Beispiel für die Art der dokumentarischen Inszenierung. Ebenso frisch und lebensecht wirkt das Spiel der Darsteller. Das Ensemble (Daniel Brühl, Julia Jentsch, Stipe Erceg und Burghart Klaußner) ist grandios und vermittelt die verschiedenen Stimmungen absolut glaubwürdig. Auch die Musikuntermalung kann voll und ganz überzeugen. Der Einsatz von HALLELUJAH – in der schönen Cover-Version von JEFF BUCKLEY – mag etwas berechnend erscheinen, doch letztendlich passt der Song hier wie die Faust aufs Auge. Man wird die Szenen der inneren Umbrüche nicht so schnell vergessen.
Kritik muss ich etwas am Ende üben. Es war zu losgelöst. Zu aufgesetzt. Zu einfach. Ich hätte es vermutlich am besten gefunden man wäre a) mit Eintreten der Türe aus dem Film gegangen – auch wenn hier die Charaktere der Erziehungsberechtigten etwas gelitten hätten – oder b) mit dem Auffinden der letzten Botschaft. Variante b) stellt übrigens das Ende der internationalen Fassung (Titel: „The Edukators“) dar. Das deutsche Ende ist erst in einem Nachdreh entstanden, den ich – zumindest meiner Meinung nach – als unnötig erachte.
„Die fetten Jahre sind vorbei“ ist sicherlich einer der besten deutschsprachigen Filme der letzten Jahre. Ich bin nun neugierig auf die weiteren Werke Hans Weingartners geworden und werde meine Augen nach „Das weiße Rauschen“ offen halten. Ein – trotz nicht perfektem Ende – wahrlich beeindruckender Film: 9/10 Punkte.
Deutsche Filme sind ein ganzer Studiengang, und dazu auch noch ein langweiliger. Obwohl viel Potential dahinter steckt, wie du schon selber sagst, bleiben im Kopf nur noch die Pro7-Fernsehproduktionen, die einen noch Nachts im Schlaf jagen können.
Den Film fand ich okay, nicht ganz so ideenreich, wie du ihn beschreibst, aber ist auch schon länger her, dass ich ihn geguckt habe. Bin mal gespannt, wie „Die Welle“ wird- ungefähr der einzige deutsche Film im nächsten Jahr, auf den ich mich freue.
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In den USA oder den anderen europäischen Ländern wir bestimmt genauso viel (wenn nicht noch mehr) Mist produziert. Doch wird dort eben oft auch enorm viel Geld in die richtigen Projekte gesteckt. Damit möchte ich gar nicht sagen, dass gute Filme teuer sein müssen. Es geht eher um die Auffassung des Mediums Film an sich.
„Die Welle“ sagt mir nun gar nichts. Wovon handelt der? Ich habe im Moment keinen besonderen deutschen Film für das kommende Kinojahr im Auge. Positive Überraschungen sind aber willkommen!
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Deutscher Film… Da gibts schon einige Perlen, aber wie Sara sagt bleiben einem die verdammten Pro7-Produktionen im Gedächtnis kleben-.-
Naja, mein nächster wird KeinOhrHasen mit Til Schweiger und Nora Tschirner, da bin ich schon gespannt drauf 🙂 Ich mag Schweiger, und bei ihr bin ich mir recht sicher, dass sie gut schauspielern kann.
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Stimmt, der Trailer von „KeinOhrHasen“ hat wirklich nett ausgehen. Scheint auch ein passender Film für die Weihnachtszeit zu sein. Vielleicht schaffe ich es im weihnachtlichen Freizeitstress ja einmal einen Abend freizuschaufeln… 😉
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Tu das 🙂 Ich plane ja, am kommenden Donnerstag, also direkt zum Anlauf, ins Kino zu gehen und hoffe, noch am selben Abend darüber zu bloggen 🙂
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Den schieb ich auch schon seit Monaten vor mir her, irgendwie macht mich der nicht an, ich bin aber auch ein „Gegner“ des deutschen Films.
Anderes Thema: bei THE PRESTIGE hatte es das Plenum ja von Nolans INSOMNIA, falls es dich interessiert, morgen (Sonntag) um Mitternacht kommt das Original TODESSCHLAF auf 3 Sat 😉
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@ Paul: Dann habe ich ja spätestens am Freitag was zu lesen. So lobe ich mir das! 🙂
@ TheRudi: Ich muss zugeben „Die fetten Jahre sind vorbei“ auch vor mir hergeschoben zu haben. Hatte – unbekannterweise – nie wirklich Lust auf den Film. Die Sichtung hat sich aber auf jeden Fall gelohnt – zumindest als Freund des deutschen Films… 😉
„Todesschlaf“ das Original zu Nolans „Insomnia“ kenne ich übrigens schon. Aber danke für den Hinweis, vielleicht liest es hier ja jemand aus der damaligen Diskussion bei „The Prestige“.
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Weingartner hatte ja aus Anlass seines aktuellen Films „Free Rainer“ gesagt, nach den schlechten Erfahrungen mit „Die Fetten Jahre sind vorbei“ nicht mehr Co-Produktionen mit Fernsehsendern zu machen, weil die einem zu sehr in die Arbeit reinreden. Vielleicht ist das auch die Erklärung für das etwas aufgesetzte Ende. Fand „Die Fetten Jahre“ aber trotzdem auch sehr sehenswert. Weingärtners neuer Film hat dagegen ja bislang fast nur Verrisse bekommen.
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Im Making of der DVD gibt es dazu eine absurde Szene zu bewundern: Der co-produzierende TV-Sender hatte von Weingartner verlangt die Schusswaffe durch einen Holzknüppel zu ersetzen. Weingartner musste diese Szenen auch drehen. Völlig daneben. Kann seine Einstellung folglich nachvollziehen.
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