Ich bin dann mal weg (2015)

Da unser Zwergofant am heutigen Rosenmontag unbedingt in den Kindergarten wollte (als Batman wohlgemerkt), haben wir den Nachmittag ganz entspannt auf einem Waldspielplatz verbracht. Mehr war heute nicht drin. Morgen steht dafür, sollte das Wetter mitspielen, ein Tagesausflug auf dem Programm. Der Jakobsweg wäre etwas weit, weshalb wir ihm mit „Ich bin dann mal weg“ zumindest einen filmischen Besuch abgestattet haben. Hape Kerkelings Vorlage kenne ich nicht, doch finde ich die Idee dieser Wanderung durchaus faszinierend. Was also hat der Film zu bieten?

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Wenn es um die filmische Verarbeitung von Selbstfindungstrips geht, dann habe ich in dieser Nische durchaus einiges an Erfahrung: Bereits 2010 hat Emilio Estevez seinen Vater in „Dein Weg“ auf den Jakobsweg geschickt und ich muss sagen, dass mir diese Reise wirklich ausgezeichnet gefallen hat. Zuletzt habe ich Cheryl Strayed in „Wild: Der große Trip“ begleitet und war von diesem Abenteuer ebenso angetan. Nun also Julia von Heinz‘ Verfilmung des Bestsellers „Ich bin dann mal weg“. Wie zu erwarten ist die Fallhöhe deutlich geringer als bei den oben genannten Werken: Hape Kerkeling muss nicht den Tod seines Sohnes bzw. eine durch einen persönlichen Verlust ausgelöste Drogensucht verarbeiten. Er ist nur ausgebrannt. Tatsächlich war mir das als Beweggrund aber völlig ausreichend.

Devid Striesow spielt Hape Kerkeling wirklich überzeugend und ich bin mit ihm gerne auf diese Reise gegangen. Auch die eingestreuten Rückblenden in Kerkelings Kindheit und Jugend empfand ich als gelungen und schön in die Wanderung eingeflochten. Das Voice-over war mir dagegen ein wenig zu viel des Guten (dabei stehe ich auf Voice-over) und die auf dem Weg geflochtenen Beziehungen schienen mir viel zu gewollt und dennoch oberflächlich. Auch viele Bilder wirkten viel zu künstlich und nachbearbeitet, was wirklich schade ist, denn die Landschaft hätte auch ohne exzessive Farbkorrektur gewirkt. In Summe lässt das den Film leider zu sehr wie einen Film wirken. Hier hätte ich mir gerne mehr ruhige Momente, die nicht alles bis ins letzte Detail erklären oder zu sehr nach Postkartenidylle schreien, gewünscht.

Insgesamt hat mir auch Hape Kerkelings Reise auf dem Jakobsweg gut gefallen, doch war mir diese manchmal einfach zu viel. Gerade im Vergleich zu „Dein Weg“ offenbaren sich die Schwächen deutlich und ich würde Emilio Estevez‘ Film jederzeit den Vorzug geben. Dennoch mochte ich auch Kerkelings Geschichte und bin davon überzeugt, dass in der Vorlage mehr drin steckt als in der sehr poliert wirkenden Verfilmung: 6/10 Punkte.

Wild: Der große Trip – OT: Wild (2014)

Der erste Monat des Jahres ist vorüber. Es war ein beruflich sehr anstrengender Monat. Auf privater Seite hätten es gerne weniger Krankheitsphasen sein können. Immerhin habe ich fünf Filme gesehen, was zumindest ein Anfang ist. Also gleich weitermachen: Heute Abend fiel die Wahl mit „Wild: Der große Trip“ auf einen weiteren Wanderfilm. Ist das überhaupt ein Genre? Dies ist wohl auch ein Ausdruck davon, dass ich manchmal selbst einfach gerne draufloslaufen würde…

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Bei filmischen Selbstfindungstrips, die den Helden in die Wildnis führen, denke ich immer sofort an den großartigen „Into the Wild“ – und tatsächlich erinnert der namensverwandte „Wild“ in einigen Szenen durchaus an Sean Penns Meisterwerk. Auch hatte ich mich an „Dein Weg“ erinnert gefühlt, in dem auf dem Jakobsweg ebenfalls eine Eltern-Kind-Beziehung verarbeitet wird. Die Motive von „Der große Trip“ sind also nicht neu, doch wirklich eindringlich und sehr emotional erzählt, was wohl auch an der engen Beteiligung der echten Cheryl Strayed lag.

Nick Hornbys Drehbuch (genau, der Autor von „About a Boy“) bricht die Geschichte in unzählige kurze Rückblenden auf, die auch für uns Zuschauer wie spontane Erinnerungsschnipsel wirken. Ebenso werden Dialogzeilen, Zitate und Musikstücke eingebunden, die fragmentarisch entlang des Pacific Crest Trails verstreut wirken. Dadurch entfaltet der eigentlich sehr geradlinige Film (eben eine Reise von A nach B) eine ziemlich imposante Sogwirkung. Vergessen darf man auch nicht das famose Spiel Reese Witherspoons: Ihre gefallene Heldin ist völlig uneitel und doch wunderbar kraftvoll und bewahrt sich trotz ihrer Vergangenheit einen durchaus positiven Blick auf das Leben. Ich glaube ihr, dass diese Wanderung ihr Leben verändert.

Auch wenn „Wild“ nicht ganz an die vergleichbaren Filme heranreicht, so hat er mich doch tief bewegt und über zwei Stunden famos unterhalten. Auch mag ich die Idee sehr, dass man seine Vergangenheit durch solch eine Erfahrung verarbeiten kann und daran wächst. Letztendlich kann ich auf jeden Fall eine Empfehlung für all diejenigen aussprechen, die diesen Gedanken nachvollziehen können und selbst gerne in der Natur unterwegs sind: 8/10 Punkte.

Everest (2015)

Aktualisierung: Ich habe „Everest“ am 30. August 2025 zum ersten Mal mit den Kindern gesehen und eine Besprechung der Wiederholungssichtung veröffentlicht.

Nachdem ich den gestrigen Abend mit Quentin Tarantinos „The Hateful Eight“ bereits in einem Schneesturm verbrachte, dachte ich, dass eine Besteigung des „Everest“ der naheliegende nächste Schritt sei. Von Baltasar Kormákur Bergsteigerdrama hatte ich im Vorfeld schon einiges gehört, wobei sich positive und negative Besprechungen ziemlich die Waage hielten. Insofern war ich sehr gespannt, was mich in den nächsten zwei Stunden erwarten würde…

Everest (2015) | © Universal Pictures Germany GmbH

Everest (2015) | © Universal Pictures Germany GmbH

Was die Berge als Setting angeht, so hat mich der Film damit schon fast immer auf seiner Seite. Egal ob „Cliffhanger“ oder „Vertical Limit“ – wenn die Kulisse stimmt, kann ich auch so manch inhaltliche Schwäche verzeihen. Mit „Everest“ nun also der Versuch eines realistischen Bergsteigerdramas – und was soll ich sagen? Der Film hat bei mir ziemlich gezündet. Die Dramaturgie wird dabei jedem x-beliebigen Katastrophenfilm entliehen, doch das macht nichts: Regisseur Baltasar Kormákur inszeniert sehr effizient und gibt eine hohe Taktung vor, ohne jedoch die Charaktere zu vernachlässigen. Ein Kritikpunkt, den ich häufig gelesen habe, war zum Beispiel, dass man die Figuren nicht unterscheiden könne, was ich absolut nicht nachvollziehen kann. Für mich wurden die Abenteurer mehr als ausreichend detailliert charakterisiert und waren selbst im größten Schneegestöber eindeutig identifizierbar.

Während der Vorstellung der Bergsteiger musste ich bei der Erwähnung des Namens Jon Krakauer aufhorchen. Das war doch der Autor, der die Vorlage „In die Wildnis: Allein nach Alaska“ zu Sean Penns grandiosem „Into the Wild“ geschrieben hatte. Ich überlegte, ob „Everest“ vielleicht sogar eine weitere Verfilmung eines von Krakauers Büchern sein könnte, doch musste ich nach ein wenig Recherche feststellen, dass sich der Autor sogar von dem Film distanziert hatte. Zu der Katastrophe sind neben Krakauers „In eisigen Höhen“ mehrere Bücher entstanden, welche die Ereignisse aufarbeiten und teils zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Wenn man den Produzenten des Films glauben mag, haben sie versucht eine möglichst neutrale Perspektive einzunehmen und sich an den belegbaren Fakten (z.B. dem damals aufgezeichneten Funkverkehr) orientiert. Wer sich für das Thema interessiert, für den ist die Wikipedia-Seite zum Unglück bestimmt ein guter Einstieg.

Was die Inszenierung angeht, so bedient sich Kormákur einer Mischung aus realen Aufnahmen, Sets und CGI. Diese Mischung funktioniert meist erstaunlich gut, nur in einzelnen Einstellungen ist der Greenscreen aufgrund von nicht perfekt gesetztem Licht deutlich erkennbar. Dies ist störend, kommt aber glücklicherweise nur selten vor und ist kein Vergleich zu den aus heutiger Sicht teils katastrophalen VFX in „Vertical Limit“, in denen man den Greenscreen förmlich vor sich sieht.

Fazit

Alles in allem bin ich sehr zufrieden mit meinem bequemen Ausflug auf den „Everest“ von der Couch aus. Es gibt tolle Landschaftsaufnahmen, zu Herzen gehende Schicksale und unglaublich spannende Szenen: Ich hätte nach dem Film vermutlich auch eine Sauerstoffflasche gebrauchen können. Wer sich ein wenig für das Thema interessiert, der findet in Baltasar Kormákurs Film eine wirklich sehenswerte dramatische Umsetzung: 8/10 Punkte.

Spotlight (2015)

Es sind nicht die besten Voraussetzungen für einen Filmabend, wenn man in der Nacht zuvor nur knapp fünf Stunden geschlafen hat und der Arbeitstag richtig anstrengend war. Immerhin haben wir es schon um 20 Uhr aufs Sofa geschafft, doch so richtig viel Hoffnung hatte ich nicht „Spotlight“ komplett zu sehen. Gut zwei Stunden später war ich immer noch wach und hatte nicht einmal mit dem Schlaf zu kämpfen. Es sind die kleinen Freuden…

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Nach meiner Sichtung von „The Newsroom“ hatte ich weiterhin Lust auf idealistischen Journalismus. Welcher Film wäre also besser geeignet als Tom McCarthys 2016er Oscar-Gewinner? Von seiner Atmosphäre und Erzählstruktur hat mich „Spotlight“ allerdings eher an David Fincher „Zodiac“ erinnert, nur dass hier das Ergebnis der Recherchen befriedigender war. In beiden Fällen war der Ausgang er Ermittlungen im Vorfeld bekannt und doch entwickelt die Geschichte solch einen Sog, dass ich mich ihr nicht entziehen konnte. Schauspieler, Ausstattung und Inszenierung – alles wird dem Drehbuch untergeordnet und trägt somit als Einheit zur Geschichte bei.

McCarthys Film bietet weder Action, noch Sex oder Gewalt. Selbst die Verbrechen werden nur andeutungsweise wiedergegeben. Die Nachwirkungen und emotionalen Narben der Opfer stehen im Mittelpunkt und mit ihnen die unglaubliche Tragweite des Missbrauchsskandals. Je weiter sich die investigativen Journalisten rund um Walter Robinson (Michael Keaton) vorantasten, desto unfassbarer ist das Level der Vertuschung – nicht nur für die Charaktere, sondern auch speziell für uns Zuschauer. Dabei sind nicht immer alle Bilder subtil (z.B. die vorbeiradelnden Kinder), doch sie bleiben stets wirkungsvoll.

„Spotlight“ ist in bester Art und Weise klassisch erzählt und versucht nicht aus dem brisanten Fall eine Sensationsgeschichte zu machen. Er zeigt die, natürlich dramatisch aufbereiteten, Fakten auf und stellt uns die Personen vor, die bei der Aufdeckung des Skandals beteiligt waren. Dies sind die wahren Helden – und das ganz ohne Cape und Strümpfe. Diese Mischung funktioniert für mich ausgezeichnet und mir wird der Film noch länger im Gedächtnis bleiben. Klassisches, großes Kino: 9/10 Punkte.

12 Years a Slave (2013)

Zu manchen Filmsichtungen muss man sich fast schon durchringen. So ging es mir zumindest mit „12 Years a Slave“ – wahrlich keine leichte Feierabendunterhaltung. Doch eine solche hätte es nach dem phänomenalen „Mad Max: Fury Road“ auch schwer gehabt. Steve McQueens 2014er Oscar-Gewinner hat mich jedoch von der ersten Sekunde an in seinen Bann gezogen. Es war keine einfache Sichtung, doch bin ich wirklich froh den Film gesehen zu haben. Manche Geschichten sind es einfach wert erzählt und gehört bzw. gesehen zu werden.

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Mir ist die Geschichte der Sklaverei noch aus dem Schulunterricht bekannt. Ebenso habe ich während der Schulzeit Steven Spielbergs „Amistad“ gesehen, an den ich mich jedoch kaum noch erinnern kann. Steve McQueens „12 Years a Slave“ hat mich erstmals emotional das Ausmaß dieser düsteren Periode nachvollziehen lassen. So gut das eben ein Film schaffen kann. Der historisch belegte Tatsachenroman aus Solomon Northups Perspektive bildet zudem eine erschreckend greifbare Grundlage. Man kann sich nur zu gut mit Northup identifizieren, was die Unbegreiflichkeit der unmenschlichen Handlungen umso schockierender macht. Auch wenn mich so schnell keine fiktive Gewaltszene mehr aus der Fassung bringt, so musste ich meinen Blick in manchen Szenen doch abwenden. McQueen beschönigt nichts – und das ist gut so.

Überhaupt ist die Inszenierung unglaublich. Obwohl man sich in den pittoresken Südstaaten befindet, wirkt selbst jede Landschaftsaufnahme wie ein Gefängnis. Es gibt kaum Kamerafahrten und oft ist das Bild durch natürliche Bildelemente, wie zum Beispiel ein Holzgerüst oder Bäume, zusätzlich dichter kadriert. Auch die Wahl langer Brennweiten verstärkt das Gefühl der Enge und der Ausweglosigkeit. All dies findet jedoch nicht aufdringlich statt, sondern bildet die perfekte Form für diese Art von Geschichte. Selbst Hans Zimmers Score ist wunderbar unaufdringlich und bleibt oftmals sogar komplett aus. Man könnte sagen, dass „12 Years a Slave“ unsentimental erzählt ist, hätte er nicht diese emotional mitreißende Wirkung.

Müsste ich einen Kritikpunkt finden, dann dass die 12-jährige Tortur zu komprimiert erzählt wirkt. Allerdings wäre mehr innerhalb eines Filmes wohl auch nicht möglich gewesen – und in einer Serie wäre das Thema in dieser drastischen Form (auch wenn sich mit „Roots“ bereits dieser Thematik angenommen wurde) wohl nur schwer zu ertragen. Letztendlich bleibt ein tieftrauriger Film, der uns leicht den Glauben an die Menschheit verlieren lassen könnte. Das Finale mag deshalb vielleicht übermäßig versöhnlich erscheinen, doch darf man nicht vergessen, dass Solomon Northup einer der Wenigen war, die ein glückliches Ende erfahren durften. Erschütternd, tieftraurig und dennoch unbedingt sehenswert: 9/10 Punkte.

Moneyball (2011)

Manchmal ist es schon seltsam, welche Filme den Weg auf den Bildschirm finden. Ich interessiere mich weder für Sport als TV-Unterhaltung, noch sonderlich für Statistik – und dennoch war mein Interesse an „Moneyball“ bzw. „Die Kunst zu gewinnen: Moneyball“ (so der deutsche Titel) geweckt. Das ist jedoch das Schöne am Film: Auch wenn das Thema fremd ist und auf den ersten Blick langweilig erscheinen mag, so kann eine gute Geschichte auch abseits von eingefahrenen Interessen mitreißen…

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In Fall von „Moneyball“ kommt noch hinzu, dass Aaron Sorkin (Autor von „The West Wing“) am Drehbuch beteiligt war. Dies dürfte neben den guten Kritiken für mich wohl der Hauptgrund gewesen sein, den Film überhaupt in mein Regal zu stellen. Warum die Wahl nach all den Jahren gerade heute auf das Sportdrama fiel, vermag ich nicht zu sagen: Die Woche war lang und anstrengend, morgen geht es in aller Frühe wieder auf die Baustelle und das Bett lockt bereits seit 20 Uhr. Dennoch konnte mich Bennett Millers Film am Ball halten, was speziell für dieses Genre durchaus eine Leistung ist. Allerdings funktioniert Sport in dramatisierter Form für mich durchaus, wie erst letztes Jahr die famose TV-Serie „Friday Night Lights“ gezeigt hat.

Sehr erstaunt war ich, wie vielschichtig sich „Moneyball“ doch gibt. Einerseits erzählt der Film eine klassische Underdog-Geschichte, wie man sie bereits unzählige Male gesehen hat. Hinzu kommt der Einsatz von Sabermetrics – im Prinzip eine Art Big-Data-Analyse der Spieler – inklusive dem Kampf der etablierten Baseball-Welt gegen die neue zahlengetriebene. Als wäre dies noch nicht genug, erlebt man das persönliche Drama Billy Beanes (toll gespielt von Brad Pitt) in Rückblenden mit, wodurch auch ein emotionaler Anker gegeben ist. All das ist bestimmt nicht neu, durchaus kalkuliert – und doch erfrischend wahrhaftig und mitreißend.

Vielleicht hat mich der Zahlenaspekt letztendlich doch so fasziniert, da ich selbst in einem data-driven Unternehmen arbeite. Der Zeitpunkt, zu dem „Moneyball“ spielt, war gerade der zeitliche Sweet Spot für diese Art der Spieler-Analyse. Beane und Peter Brand (ebenso fantastisch: Jonah Hill) waren einfach die ersten, die dieses System getestet und perfektioniert haben. Heute nutzt es jeder. Ganz egal ob ‚adapt or die‘ oder ‚innovate or die‘ die Aussage ist, die Welt dreht sich immer schneller und man kann die Zukunft nicht vorhersagen. Man muss am Ball bleiben, die Dinosaurier bleiben auf der Strecke. So auch Philip Seymour Hoffman, der hier in einer kleinen aber durchaus imposanten Nebenrolle zu sehen ist.

Insgesamt hat mich „Moneyball“ wirklich positiv überrascht und es hat sich wieder einmal gezeigt, dass das Leben die besten Geschichten schreibt. Wenn sie dann noch von Aaron Sorkin adaptiert werden, umso besser! Ich kann nur erahnen, welche Wirkung der Film auf Freunde des US-Sports haben mag. Wunderbar unaufgeregt erzähltes Schauspielerkino: 8/10 Punkte.

The Wolf of Wall Street (2013)

Freitagabend und ich habe es gerade durch einen dreistündigen Film geschafft ohne dabei einzuschlafen. Schon alleine deshalb kann „The Wolf of Wall Street“ kein schlechter Film sein – allerdings ein vieldiskutierter, denn was die Rezeption von Martin Scorseses jüngstem Werk angeht, scheint es keine Gleichgültigkeit zu geben. Ich habe viele Besprechungen gelesen, in denen der Film in der Luft zerrissen wird, aber auch etliche, die ihn über den grünen Klee loben. Wo liegt nun also die einzig allgemeingültige Wahrheit? Wie ist der Film nun also bei mir angekommen?

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„The Wolf of Wall Street“ ist ein Scorsese-Film durch und durch. Abermals wird eine typische Rise-and-Fall-Geschichte erzählt, die in exzessiven Bildern präsentiert wird. Keine Gangster, wie in „Casino“ oder „GoodFellas“, dafür Börsenmakler. Der größte Kritikpunkt, den man in nahezu allen negativen Besprechungen lesen kann, ist die scheinbare Glorifizierung Jordan Belforts. Zudem würden die Auswirkungen auf die Opfer nicht gezeigt. Insofern unterscheidet sich diese Biographie nicht von Scorseses Gangsterfilmen, doch der Vorwurf ist hier stärker zu spüren. Vielleicht weil Jordan Belfort eine reale Person ist? Doch das war Henry Hill ja auch. Ich kann zudem nicht verstehen, wie man die gezeigten Exzesse als besonders erstrebenswert wahrnehmen kann. Belfort ist stets ganz offensichtlich ein – Pardon! – Arschloch, und auch wenn in ein paar kurzen Momenten der schöne Schein glänzt, so gibt es in jeder dieser Szenen auch verstörende Elemente, die jedem Zuschauer mit einigermaßen gepoltem Moralkompass selbst den Schluss ziehen lassen, dass dies falsch ist. Da muss Scorsese doch nicht plakativ weinende Anleger zeigen. Es genügt der verschämte Blick der Sekretärin, die sich gerade für 10.000 Dollar eine Glatze hat schneiden lassen.

Was mir besonders positiv aufgefallen ist, sind die famosen Schauspieler. Speziell Leonardo DiCaprio spielt absolut herausragend – und zwar in jeder auch noch so erniedrigenden Situation. Ebenso famos fand ich Jonah Hill, den ich bei seinem ersten Auftritt kaum erkannt hätte. Spätestens mit dieser Rolle sollte er sich im ernsthaften Fach etabliert haben, wobei „The Wolf of Wall Street“ keineswegs ein ernster Film ist. Es gibt abartig lustige Szenen, die jedoch stets einen düsteren Unterton haben. Überhaupt ist der Wechsel zwischen Humor und Drama oft ebenso stakkatohaft wie die Erzählweise bzw. die Stimmungsschwankungen von Rob Reiner, wenn er bei seiner Fernsehunterhaltung gestört wird. Auch eine absolut großartige Szene!

Typisch für Scorsese ist das Voice-over, welches Belfort schon bald als unzuverlässigen Erzähler zeigt und die Figur somit als nicht vertrauenswürdig etabliert. Was sagt uns das nur im Kontext der Geschichte? Immer wieder gehen wir als Zuschauer dem geborenen Verkäufer auf den Leim, und obwohl wir wissen, dass alles eine große Lüge ist, wollen wir mehr wissen. Ebenso wie das Publikum in Belforts Verkaufstraining am Ende des Films, das ihn mit großen Augen anschaut und erwartet, dass er das Versprechen nach schnellem Geld einlösen kann. Es wird immer Menschen wie Jordan Belfort geben, und solche die so sein wollen wie er. Martin Scorsese zeigt mit „The Wolf of Wall Street“ warum man mit Wünschen dieser Art vorsichtig sein sollte.

Auch wenn ich „The Wolf of Wall Street“ als sehr positiv wahrgenommen habe, so ist er weit davon entfernt perfekt zu sein. Der Film ist zweifellos zu lang und auf den einen oder anderen Exzess hätte ich auch verzichten können. Dennoch hatte ich viel Spaß an diesem anderen Gangsterfilm und war zu keiner Sekunde gelangweilt. Habe ich schon Matthew McConaughey erwähnt? Auch ein Grund, warum man sich den Film anschauen sollte, am besten im Doppelpack mit Oliver Stones „Wall Street“. Jetzt seid ihr dran: Habe ich euch den Film mit meiner Besprechung verkauft? Oder war alles nur eine große Lüge? 8/10 Punkte.

Saving Mr. Banks (2013)

Pünktlich zum Wochenende, das wir eigentlich schon verplant hatten, quält unseren Zwergofant bei fast 40 °C Fieber eine fiese Erkältung. Die denkbar schlechtesten Voraussetzungen für einen Film – und dennoch hat „Saving Mr. Banks“ den Weg auf den Bildschirm gefunden. Trotz unzähliger Unterbrechungen und der Vorahnung einer Nacht ohne Schlaf, hat John Lee Hancocks Film einen Nerv bei mir getroffen…

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Ich mag Walt Disneys Version von „Mary Poppins“, deren Produktion in „Saving Mr. Banks“ nacherzählt wird. Sehr sogar. Dies mag unter anderem auch damit zusammenhängen, dass ich das Broadway-Musical tatsächlich am Broadway in New York City gesehen habe. Eine wahrhaft magische Erfahrung. Hinzu kommt, dass ich ohnehin ein großes Interesse an der Entstehungsgeschichte von mir wichtigen Filmen sowie ein Faible für Walt Disney habe. Wahrlich gute Voraussetzungen also, um den Film zu einem vollen Erfolg bei mir werden zu lassen.

John Lee Hancock hat sich wahrlich Mühe gegeben, sein nacherzähltes Zeitdokument authentisch wirken zu lassen. Mit Emma Thompson als „Mary Poppins“-Autorin P. L. Travers und Tom Hanks als Walt Disney ist die Besetzung der Hauptfiguren perfekt, welche durch die von Paul Giamatti, Bradley Whitford (Josh Lyman, „The West Wing“), Jason Schwartzman (Jonathan Ames, „Bored to Death“) und B. J. Novak (Ryan Howard, „The Office“) hochwertig besetzten Nebenrollen großartig ergänzt werden. Selbst Colin Farrell konnte mich schauspielerisch überzeugen, was wahrlich nicht immer der Fall ist.

Neben den Schauspielern überzeugt speziell die liebevolle Ausstattung sowie der an Technicolor erinnernde Look des Films. Auch Fans der Musical-Songs werden ihre wahre Freude haben, denn man erlebt deren Entstehungsgeschichte live mit. Von den audiovisuellen Reizen abgesehen, ist die Handlung recht geradlinig und ohne große Überraschungen. Ich hätte mir teils ein wenig mehr Tiefe in der Figurenzeichnung gewünscht und fordere in diesem Zuge sogleich eine verfilmte Walt Disney-Biographie mit Tom Hanks in der Hauptrolle!

Auch wenn „Saving Mr. Banks“ nicht perfekt durcherzählt ist, so gibt er einen guten Eindruck von der turbulenten und anstrengenden Entstehungsgeschichte samt ihrer angespannten Beziehungen. Das Schicksal der jungen P. L. Trevors hat mich zudem sehr berührt, was bei der Thematik auch kein Wunder ist. Oft hätte Hancock den Film ein wenig subtiler erzählen können, doch dann wäre es eben kein opulenter Disney-Film geworden. Und ein solcher hat ja schließlich auch seine Vorzüge: 8/10 Punkte.

Captain Phillips (2013)

Nach einer viel zu langen Silvesternacht folgte heute Morgen das böse Erwachsen. Leckere Kiwi-Bowle, wenig Schlaf und Kinder sind keine gute Mischung. Umso erstaunlicher, dass ich nach den ersten Anlaufschwierigkeiten doch recht fit war und es letztendlich sogar für eine Filmsichtung reichte. Mit Paul Greengrass‘ „Captain Phillips“ hätte ich wohl auch keinen gelungeneren Einstieg in das neue Filmjahr finden können…

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Mein bisher einziger Kontakt mit Regisseur Paul Greengrass beschränkt sich auf „Die Bourne Verschwörung“ – und dieser Film ist mir nicht besonders positiv im Gedächtnis geblieben. Greengrass ist am ehesten wohl für seine Doku-Dramen bekannt, weshalb sein dokumentarischer Stil im fiktiven Bourne-Universum vielleicht auch so aufgesetzt und übertrieben wirkte. Auch in „Captain Phillips“ bedient sich der Regisseur viel der Handkamera und bevorzugt eine naturalistische Kameraführung, doch ist mir dies in keiner einzigen Szene negativ aufgefallen. Ich wurde regelrecht in die Handlung hineingezogen, was auch dem authentischen Schauspiel zu verdanken ist. Wirklich erstaunlich realistisch – soweit man dies eben bei solch einer dramatisierten Geschichtsstunde beurteilen kann.

Trotz der zugrunde liegenden wahren Begebenheit war mir der Ausgang des Geiseldramas nicht bekannt. Ein Umstand, der die beinahe körperlich spürbare Spannung wohl noch zusätzlich verstärkte. Am Ende der Tortur war ich sichtlich mitgenommen, was durch die ultrabrutale Auflösung der Geschichte noch gesteigert wurde. Greengrass erzählt die Geschichte so, wie sie sich nach den Aussagen des tatsächlichen Captain Phillips zugetragen hat, d.h. es überwiegt stark die US-Perspektive, doch versucht er gleichzeitig den somalischen Piraten ein Gesicht zu geben und sie, zumindest in gewissen Teilen, als Opfer der Umstände zu zeichnen. Trotz übergeordneter politischer Perspektive ist „Captain Phillips“ in erster Linie allerdings ein sehr persönliches und menschliches Drama.

Bei Antritt der Sichtung hätte ich wahrlich nicht gedacht, dass ich a) überhaupt über die gesamte Laufzeit wach bleiben und b) so stark mitgerissen werden würde. Tom Hanks spielt großartig und seine somalischen Gegenspieler stehen ihm in nichts nach. Den starken Fokus auf die Militärpräsenz hätte es im letzten Filmdrittel meiner Meinung nach nicht gebraucht, doch musste Greengrass ja auch diesen Aspekt der Geschichte übernehmen. Die emotionale Wirkung wurde dadurch nicht beeinträchtigt und ich nehme mir nun vor, Paul Greengrass (abseits des Bourne-Universums) doch noch ein paar Chancen einzuräumen: 9/10 Punkte.

Argo – Extended Cut (2012)

Damit ich mein Blog weiterhin – im weitesten Sinne – Filmblog schimpfen darf, war es heute nach über zwei Wochen Pause höchste Zeit für eine Filmsichtung samt Besprechung. Somit habe ich es im August auf ganze drei Filme gebracht – und das mit Mühe und Not. Doch nun zum Film: Die Wahl fiel heute Abend auf Ben Afflecks „Argo“ (gesehen im Extended Cut), der Anfang des Jahres sogar zu Oscar-Würden kam. Berechtigterweise?

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Mit einem Eintrag zu Ben Affleck liege ich im Moment voll im Trend. Die gesamte filmische Blogosphäre scheint sich immer noch nicht von der Ankündigung erholt zu haben, dass Affleck demnächst als Batman durch die Gegend flattert. Mir doch egal. Ich finde es viel tragischer, dass seine Regie-Karriere darunter leiden könnte, denn spätestens mit „Argo“ hat Affleck bewiesen, dass er auf dem Regiestuhl deutlich mehr reißen kann, als nur vor der Kamera. Oscar also berechtigt? Mir auch egal, denn „Argo“ ist so oder so ein wirklich sehenswerter Film, wenngleich mir Afflecks vorherige Regiearbeit „The Town“ noch ein wenig besser gefallen hat.

Inhaltlich bewegt sich „Argo“ irgendwo zwischen Politdrama und Heist-Movie, was eine wahrlich ungewöhnliche Mischung ist. Bedenkt man nun, dass sich die Geschichte so (oder so ähnlich) tatsächlich ereignet hat, dann kann man nur verdutzt den Kopf schütteln – und muss Affleck danken, denn ohne diesen Film wüsste wohl kaum jemand von dieser unglaublichen Rettungsaktion. Ich möchte mich hier gar nicht ausnehmen. Die besten Geschichten schreibt anscheinend tatsächlich das Leben, wenn auch in diesem Fall mit direkter Unterstützung Hollywoods.

Inszenatorisch ist der Film recht dezent gehalten, nur das Gefühl der späten 70er bzw. frühen 80er Jahre ist in jedem Frame zu finden. Teils dokumentarisch, teils beobachtend, bleibt die Kamera immer nahe bei ihren Protagonisten und fängt ihren Gemütszustand gekonnt ein. Die Spannung zieht der Film dagegen meist aus dem simplen Kniff der effektiv eingesetzten Parallelmontage, womit man es gegen Ende eventuell ein wenig übertrieben hat. Insgesamt gibt es aber auch formal kaum etwas zu beanstanden.

„Argo“ ist gut geschrieben, flott inszeniert und teils enorm spannend. Ob der Film den Trubel um ihn wert ist, muss jeder selbst entscheiden. Für mich auf jeden Fall einer der symapthischeren Oscarfilme. Ich sollte nun wirklich einmal Ausschau nach Afflecks Regiedebüt „Gone Baby Gone“ halten, damit ich eine Besprechung aus dem Hut zaubern kann, wenn der Regisseur das erste Mal Gotham unsicher macht. Argo fuck yourself: 8/10 Punkte.