Lucky Number Slevin (2006)

Nach langer, langer Zeit bin ich heute nun endlich dazu gekommen „Lucky Number Slevin“ bzw. „Lucky#Slevin“ nachzuholen. Ein Film, dem sein Ruf bereits seit der nicht gewährten Kinoauswertung vorauseilt. Ein gehypter Film. Dazu noch im Genre des Gangsterfilms, in dem der Begriff Kultfilm – besonders in der Post-Tarantino-Ära (siehe „Smokin‘ Aces“) – doch stark strapaziert wurde. Zeit also mir selbst ein Bild zu machen. Spoiler sind zu erwarten.

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Der Film beginnt ungewöhnlich. Ungewöhnlich ruhig. Ungewöhnlich erzählt. Dem Zuschauer werden Ereignisse präsentiert, die für die spätere Handlung keine Rolle zu spielen scheinen. Nebensächlichkeiten. Doch dem geübten Zuschauer ist klar, dass der Epilog noch einmal aufgegriffen werden wird. Dazu später mehr. Zunächst lernen wir Slevin (Josh Hartnett) kennen, der vom Pech verfolgt scheint und welcher sich von einem Moment auf den anderen mitten in einem Mafiakrieg befindet.

Die nun folgende Stunde erleben wir, wie Slevin immer weiter in diese ihm fremde Welt hinein schlittert. Er meister dabei die schwierigsten Situationen mit viel Witz und einem Mut, der fast schon selbstmörderische Tendenzen aufweist. Hier macht der Film auch am meisten Spaß. Die Figuren sind größer als die Wirklichkeit und fügen sich nahtlos in das Gangstermärchen ein. Das Produktionsdesign – diese Tapeten! – passt wie die Faust auf das Auge (bzw. die Nase) und unterstreicht die leicht comichafte Atmosphäre.

Da ich als Zuschauer durch die Struktur der Geschichte zwangsläufig mit einer Wendung rechne, mache ich mir so meine Gedanken. Dass Slevin letztendlich der Junge vom Anfang ist war nicht weiter schwer zu erraten. Die anderen Puzzleteile waren danach nur noch einleuchtend. Einleuchtend und irgendwie enttäuschend. Zwar ist die Geschichte nett und intelligent konstruiert, doch gibt sie nicht so viel her, wie uns der Film glauben machen will. Die nun folgende Auflösung ist viel zu lang und detailliert. Spätestens nach der Aufdeckung von Slevins Identität weiß auch der langsamste Zuschauer, welches Spiel hier gespielt wird. Hier wäre weniger deutlich mehr gewesen.

Ein weiterer Kritikpunkt ist für mich – wie bereits bei „Smokin‘ Aces“ – die Änderung in der Stimmung. Plötzlich werden die beiden Gansterbosse ins Zentrum gerückt und ihre dunkle Vergangenheit wird bestimmend. Zu diesem Zeitpunkt (der Zuschauer ist an der letztendlichen Auflösung interessiert) wirkt das nur ablenkend. Weiter geht es mit der Vollstreckung der Rache: Brutal und eiskalt. Nicht mehr larger than life. Ein Bruch in der Stimmung des Films.

Die ersten zwei Drittel von „Lucky#Slevin“ haben mir ausgezeichnet gefallen. Die Wendung verkommt dann leider etwas zum Selbstzweck. Der Film hat mich wirklich gut unterhalten und vielleicht habe ich einfach zu viel erwartet. Nach dieser Sichtung springen leider nicht mehr als 7/10 Punkte raus. Vielleicht relativieren sich manche Eindrücke nach einer Zweitsichtung.

Smokin’ Aces(2007)

Der zweite Film des gestrigen Abends war Joe Carnahans „Smokin‘ Aces“. Wieder ein Film, dessen Trailer mich wirklich heiß auf das finale Werk gemacht hat. Wieder ein Film, der einige grandiose Schauspieler vereint. Die Erwartungen waren folglich immens hoch. Leider wurden sie nur im Ansatz erfüllt.

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Der Trailer suggerierte abgefahrene, absurde Profikiller-Action, die sich selbst nicht zu ernst nimmt. Ein Feuerwerk an skurrilen Dialogen. Satte Action. Grandiose Schauspieler. In der ersten Filmhälft gibt es dann auch so ungefähr das, was man erwartet. Nur alles eine Spur kleiner. Braver. Unispirierter. Aber dennoch sehr unterhaltsam. Zudem man immer noch auf das große Finale hofft: The Clash of the Titans. Die große Anzahl an bekannten und liebgewonnenen Darstellern in ungewohnten Rollen trägt zudem sehr zur Steigerung des Spaßfaktors bei: Jeremy Piven („Entourage“) spielt das kaputte Ziel der Serienkiller, Jason Bateman („Arrested Development“) ist als abgehalfterter Anwalt zu sehen, Ryan Reynolds („Two Guys and a Girl“) spielt einen toughen FBI-Agenten, Matthew Fox („Lost“) ist unter seiner Maske kaum zu erkennen usw. Ein wahres Fest für Film- und Serienfreunde.

Die Action am Ende kracht dann auch ziemlich und macht erneut wirklich Spaß. Doch dann schwenkt der Film um und entwickelt sich zu einem handfesten Cop-Drama. Samt überraschender Wendung und allem, was dazu gehört. Ab hier wirkt die Handlung wie aus einem anderen Film. Sicherlich gab es davor auch ernstere Szenen, auf denen die Wendung aufbaut, doch plötzlich steht das Drama im Raum und scheint nicht so recht zu wissen, ob es auf der richtigen Party ist.

Ich möchte nicht sagen, dass der zweite Teil des Films unbedingt schlecht ist. Er passt nur nicht zum ersten. Mir kommt es etwas so vor, als hätte Carnahan nach „Narc“ erneut einen harten Cop-Thriller geschrieben, den er nun aus einer Laune heraus in tarantinoesques Actionkino umgestaltet hat. Warum auch immer. Beide Teile funktionieren für sich recht gut, sind aber dafür nicht konsequent genug umgesetzt worden. Man hat Abstriche gemacht, um aus den Versatzstücken einen einheitlichen Film zu schaffen – und das ist letztendlich leider ziemlich in die Hose gegangen.

„Smokin‘ Aces“ hätte ein großer Film werden können. Nun wirkt er leider wie ein typisches Artefakt der Post-Tarantino-Ära und reiht sich damit in die lange Schlange mit Werken wie „3000 Miles to Graceland“ und „Running Scared“ ein. Alle sicherlich optisch interessant und mit einer vielversprechenden Prämisse, doch leider stolpern all diese Filme über ihre vermeindliche Coolness. Diese Filme sind durchaus unterhaltsam und audiovisuell ansprechend, doch es fehlt das Wichtigste: Eine durchdachte Geschichte. Enttäuschend, aber immerhin nett anzusehen: 6/10 Punkte.

Departed: Unter Feinden – OT: The Departed

Nach „Gangs of New York“ habe ich gestern meinen zweiten Scorsese auf der großen Leindwand gesehen: „Departed: Unter Feinden“. Die Kritiken zu dem Gangsterdrama, die ich im Vorfeld gelesen hatte, waren mehr als zwiespältig. Von ‚Nach „GoodFellas“ sein bester Film‘ bis ‚Ein müder Abklatsch des Originals‘ war alles dabei. Dazu muss ich sagen, dass ich das Original – den Asiahit „Infernal Affairs“ – nie gesehen habe. Grundsätzlich stehe ich Remakes auch eher skeptisch gegenüber. Zumindest wenn ich auch das Original kenne. Doch selbst dann kann ich die Neuinterpretation zu schätzen wissen und mir ein objektives Urteil bilden. Umso unverständlicher kommt mir der Tunnelblick so mancher Kritiker vor, die Scorseses Film als Schund bezeichnen, nur weil er ein Remake ist.

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„The Departed“ erzählt im Grunde die Geschichte zweier Männer, die in Konkurrenz zueinander stehen. Die das genaue Gegenteil voneinander sind. Und doch ähnlich. Billy Costigan (Leonardo DiCaprio), der Undercovercop und Colin Sullivan (Matt Damon), der Undercovergangster. Beide wissen um den anderen. Sie wissen jedoch nicht, wer der andere ist. Die Fäden laufen beim irischen Gangsterboss Frank Costello (Jack Nicholson) zusammen, der gleichzeitig FBI-Informant ist. Stoff genug also für ein Gangsterdrama der Extraklasse. Hinzu kommt zudem eine Polizeipsychologin (Vera Farmiga), die von den beiden gegensätzlichen Männern geliebt wird und zudem die einzige Vertrauensperson in diesem zwielichtigen Spiel ist.

Wenn ich nicht wüsste, dass „The Departed“ ein Remake ist, dann wäre ich nie auf den Gedanken gekommen. So sehr atmet der Film die dreckige Luft aus Scorseses Gangsteruniversen. Seine Handschrift ist in jeder Szene erkennbar. Selbst die Figuren – allen voran Frank Costello – sind typisch für diese Art von Film. Für Scorsese. Allein Billy ist etwas zu gut. Auch das Ende ist untypisch. In der letzten Szene des Undercovercops war ich wirklich geschockt. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich denke jedoch diese Szene hätte eine weiter reichende Wirkung gehabt, wenn am Ende Colin nicht doch noch Gerechtigkeit widerfahren wäre. Erschien mir etwas wie ein Mittelweg und wenig konsequent. Doch egal wie man es dreht und wendet, das gesamte Ende ist untypisch für Scorsese und seine üblichen Charaktere. Und vielleicht gerade deshalb so überraschend gut gelungen.

Mehr als typisch für Scorsese ist jedoch die unglaubliche Inszenierung. Da stimmt einmal wieder alles. Man fühlt sich wirklich in die dreckige Gangsterwelt hineinversetzt. Die Kamera von Michael Ballhaus und die geniale Musikuntermalung tragen zur besonderen Atmosphäre bei. Allein die Szene in der Billy seinen Einstand ins Viertel feiert und THE HUMAN BEINZ mit NOBODY BUT ME erklingen. Wahnsinn. Neben der Inszenierung stechen besonders die fabelhaften Schauspieler heraus. Allen voran natürlich Jack Nicholson. Doch auch Leonardo DiCaprio kann wieder einmal zeigen, was er wirklich drauf hat. Auch Matt Damon macht seine Sache gut. Von dem grandiosen Supportcast einmal gar nicht zu sprechen.

Martin Scorsese ist mit „The Departed“ fulminant in sein Genre zurückgekehrt. Und das ausgerechnet mit einem Remake. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass das Original wirklich um so viel besser ist. Dafür liebe ich Scorseses Gangsteruniversen und die dreckige Atmosphäre einfach viel zu sehr. Ich werde „Infernal Affairs“ jedoch bei Gelegenheit eine faire Chance geben.

„The Departed“ mag nicht Scorseses bester Film sein. Vielleicht auch nicht der beste seit „GoodFellas“. Aber bestimmt der beste seit „Casino“. Zumindest meiner bescheidenen Meinung nach: 8/10 Punkte.

From Dusk Till Dawn (1996)

Es gibt viele prägende Filme in meiner persönlichen Filmgeschichte. Doch kaum ein Film hat jemals soviel Eindruck hinterlassen, wie „From Dusk Till Dawn“. Ich erinnere mich noch genau an die erste Sichtung: Nach der überschwänglichen Empfehlung eines weiter entfernt wohnenden Freundes, habe ich – zusammen mit meinem damals besten Freund – den Film irgendwie aus der winzigen örtlichen Videothek geschmuggelt. Alleine das war für unter 18jährige schon ein kleines Abenteuer. Dann die Sichtung. Wow. Wir wurden förmlich überrumpelt. Dieser Film hat uns eine völlig neue Filmwelt eröffnet. Da mein Freund älter war und kurze Zeit später völlig legal die Videothek betreten durfte, folgten in den kommenden Wochen Filme wie „Braindead“ und alles weitere, was es von Tarantino oder Rodriguez gab. Mein Interesse am etwas anderen Film war geboren.

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„From Dusk Till Dawn“ war zudem einer der wenigen Filme, die ich auf VHS besessen habe – bzw. noch besitze: Die ungeschnittene Widescreen-Version aus UK, gekauft von besagtem 18jährigen Freund im WOM. Was war ich damals stolz. In den kommenden Jahren habe ich den Film unzählige Male gesehen, bis er sich irgendwann totgelaufen hatte. Nun – etliche Jahre später – die erneute Sichtung und ich kann immer noch verstehen, was mich damals so fasziniert hat.

Auch heute noch macht die Verbindung zweier Genres auf mich einen frischen und innovativen Eindruck. Doch im Gegensatz zu den ersten Sichtungen, gefällt mir die erste Hälfte deutlich besser. Diese ist typisch Tarantino und angereichert mit abgefahrenen Dialogen und dem schwärzesten Humor. Allein der Prolog. Fantastisch. Der Film ist hier wahrlich eine Gradwanderung zwischen An- und Entspannung. Er macht Spaß, doch es schwingt stets etwas Unangenehmes mit. Ich habe hier öfters an Rob Zombies „The Devil’s Rejects“ denken müssen – eine ähnliche Atmosphäre. Ab dem Titty Twister nimmt deutlich die Handschrift von Robert Rodriquez zu. Die nun folgenden Splattereinlagen machen immer noch Spaß – zumal auch hier der für Tarantino typische schwarze Humor vorherrscht – doch sind die Abnutzungserscheinungen etwas stärker, als in der ersten Hälfte.

Nachdem der Film in meinem Freundeskreis die Runde gemacht hatte, hat die Anzahl der an Halloween im schwarzen Anzug erscheinenden Jungs deutlich zugenommen. Die Zitate sind in den täglichen Wortschatz mit eingeflossen und Darsteller wie George Clooney oder Harvey Keitel wurden als Garant für gute Unterhaltung gewertet. Von Regisseur und Autor einmal gar nicht zu sprechen. Der Soundtrack wurde auf Parties rauf und runtergespielt und selbst heute höre ich ihn noch gerne. „From Dusk Till Dawn“ war ein Phänomen.

Nachdem ich nun unzählige Filme mehr gesehen habe, kann ich nur sagen, dass ich nach all den Jahren „From Dusk Till Dawn“ auch heute noch in mein Buch der coolen Filme aufnehmen würde: 9/10 Punkte.

Casino (1995)

Mit Martin Scorseses „Casino“ verbinde ich eine bestimmte Erinnerung: Ein Freund hatte mir erzählt den brutalsten Film auf VHS zu haben, den er je gesehen hat. Ich weiß nun gar nicht mehr, ob wir uns den gesamten Film angesehen hatten, oder ob er mir nur die – seiner Meinung nach – brutalsten Stellen gezeigt hat. Heute – inzwischen 10 Jahre später – konnte ich mich auf jeden Fall nur noch an die Szene im Maisfeld und an eine kreischende Sharon Stone erinnern. Zeit also die Erinnerungen aufzufrischen.

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Im Gegensatz zu damals kenne ich heute nahezu alle großen Mafia- und Gangsterfilme. Neben der „Der Pate“-Trilogie gehört Martin Scorseses „GoodFellas“ klar zu den wichtigsten Filmen dieses Genres. „Casino“ wirkt etwas wie eine ausgedehnte Version des Mittelteils dieses Klassikers. Erzählt wird folglich die bekannte Geschichte vom Aufstieg und Fall eines Gangsters. Als besondere Elemente sind hier die Hauptrolle, die Las Vegas in dem Film spielt, sowie der Schwerpunkt, der auf die Ehe von Sam „Ace“ Rothstein gelegt wird, hervorzuheben.

Wie bereits in „GoodFellas“ verwendet Martin Scorsese Voice Over als erzählerisches Mittel. In „Casino“ sprechen jedoch zwei Personen, was dieser – von mir ohnehin geschätzten – Erzählform noch eine besondere Note verleiht. Der Zuschauer verfolgt die Geschichte folglich aus zwei verschiedenen Perspektiven, was wichtig ist, da sich die Hauptfiguren im Laufe des Films immer weiter auseinander leben.

Grandios hat mir die erste Hälfte des Films gefallen. Der Aufstieg von Ace und die Abläufe im Casino wurden in den schillerndsten Farben präsentiert und fantastisch inszeniert. Auch die Geschichte wirkt hier stets frisch und unverbraucht. Der Fall der beiden Gangster gegen Ende des Films ist mir in ähnlicher Form allerdings schon zu oft begegnet, als dass „Casino“ hier besonders hätte Punkten können. Zudem hätte der Film meiner Meinung nach um gut eine halbe Stunde gekürzt werden können. Ich habe mich zwar nicht gelangweilt, aber das Timing fand ich nicht so perfekt, wie beispielsweise bei „GoodFellas“.

Schön fand ich es überigens Robert De Niro und James Woods nach Sergio Leones „Es war einmal in Amerika“ wieder gemeinsam vor der Kamera zu sehen. Wenn auch in gänzlich anderen Rollen. Schauspielerisch und inszenatorisch ist „Casino“ – wie jeder Film von Scorsese – sowieso über jeden Zweifel erhaben. Ein wahres Feuerwerk an Perfektionismus: 8/10 Punkte.

Jackie Brown (1997)

Der zweite Film gestern Abend ist auch noch nicht sonderlich alt, er konnte sich aber durch etliche Sichtungen bereits den Ruf als persönlicher Klassiker erarbeiten. Die Rede ist von Quentin Tarantinos „Jackie Brown“. Damals bei der Kinosichtung war ich ziemlich enttäuscht vom ersten Tarantino-Film, den ich jemals auf der großen Leinwand gesehen habe. Alle – ich eingeschlossen – hatten einen zweiten „Pulp Fiction“ erwartet. Eigentlich sogar eine Steigerung. Eine Erwartungshaltung, die wohl kein Film auf dieser Welt hätte erfüllen können. Heute jedoch weiß ich „Jackie Brown“ als das zu schätzen, was er ist: Ein ruhiger, eleganter Gangsterfilm mit grandiosen Dialogen und typischen Tarantino-Figuren, der einfach eine unglaublich entspannte Atmosphäre verbreitet.

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Grundlegend für den neuen Stil ist wohl auch, dass hier erstmals nach einer Vorlage gearbeitet wurde: Elmore Leonards „Rum Punch“. Doch glücklicherweise ist auch Leonards Welt bevölkert mit Gangstern und Kleinkriminellen, die sich gar nicht so sehr von denen aus Tarantinos Filmuniversum unterscheiden. Eigentlich auch logisch, da Leonard schon immer eine große Inspirationsquelle für den Meister der pulp fiction war. Der Film ist gleichzeitig Adaption und Hommage – und er funktioniert in beide Richtungen.

Fantastisch ist die Ansammlung an hochkarätigen Schauspielern in teils ungewohnten Rollen. Allen voran Robert DeNiro, der hier den kiffenden Kleingangster Louis Gara gibt. Eine für ihn ungewohnte und schon allein deswegen urkomische Rolle. Samual L. Jackson gibt Waffenschieber Ordell Robbie gewohnt lässig und mit einer Coolness, die ihresgleichen sucht. Pam Grier und Robert Forster – die beiden Altstars des Films – spielen auf, als wären sie nie in der Versenkung verschwunden. Auch hier wieder die Verbindung von Hommage und Eigenständigkeit. Michael Keaton durfte seine Rolle als Ray Nicolette ein Jahr später in einer weiteren Elmore Leonard-Verfilmung – Stephen Soderberghs „Out of Sight“ – sogar wiederholen. Von den Auftritten von Brigdet Fonda, Sid Haig und Chris Tucker fange ich gar nicht erst an. Man sieht auf jeden Fall einmal wieder deutlich: Tarantino kennt die Branche, er kennt die Darsteller und er kennt ihre Filme. Er weiß mit der Erwartungshaltung zu spielen und besetzt teils gezielt gegen das Image – und das stets mit Erfolg.

Neben Geschichte, Darstellern und Dialogen ist natürlich der Soundtrack eine wichtige Größe in jedem Tarantino-Film. Auch in „Jackie Brown“ passt er wie die Faust aufs Auge. Er gräbt stets Perlen aus, die ohne seine Filme wohl nie mehr ein größeres Publikum erreicht hätten. Der Mann hat nicht nur ein Auge fürs Detail, sondern auch ein Ohr.

Mit „Jackie Brown“ hat sich Tarantino 1997 gezielt gegen die Erwartungshaltung seines Publikums gestellt. Mit Abstand betrachtet auf jeden Fall die richtige Entscheidung. Mit „Pulp Fiction“ oder „Kill Bill“ hätte schließlich auch niemand gerechnet. Der Meister bleibt seinem Stil zwar stets treu, erfindet sich aber auch jedes Mal selbst neu. Er macht seine Filme in erster Linie für sich – und für ein Publikum, das Filme genauso liebt, wie er selbst: 10/10 Punkte.

Be Cool

Mit „Be Cool“ habe ich gestern die Fortsetzung von „Schappt Shorty“ gesehen. Durch diverse Kritiken war ich schon vorgewarnt, dass ich dieses Mal keinen eleganten Gangsterfilm mit Stil und echter Coolness erwarten durfte. Meine Erwartunen waren dementsprechend niedrig und konnten somit auch (fast) nicht mehr entäuscht werden.

„Be Cool“ präsentiert sich tatsächlich nicht mehr als Gangsterfilm – dazu fehlt ihm eine ausgefeilte Handlung. Vielmehr steht die Parodie im Mittelpunkt. War diese Ausprägung im ersten Teil noch eher dezent und auf die Filmbranche gemünzt, muss dieses Mal das Musikbusiness dran glauben. Ich war teils wirklich sehr erstaunt, wie gut der Film als Parodie funktioniert. Figuren wie Raji (Vince Vaughn), Elliot Wilhelm (The Rock), Nick Carr (Harvey Keitel) und selbst die Truppe um Sin LaSalle (Cedric the Entertainer) sind so grenzenlos überzeichnet, dass ich teils wirklich laut lachen musste – und das obwohl (oder gerade weil) ich ansonsten überhaupt nichts mit dem ach so coolen Gangster-Hip-Hop-Getue anfangen kann. Am besten hat mir doch tatsächlich The Rock gefallen. Ein Darsteller, den ich bisher gemieden habe, wo es nur geht. Hier spielt er jedoch so sympathisch und selbstironisch, dass es eine wahre Freude ist. Wirklich klasse!

So gut diese einzelnen Szenen auch funktionieren, sie tragen jedoch kaum zur – sowieso schon fast nicht vorhandenen – Handlung bei. Die Geschichte um Chili Palmer und Edie Athens verkommt völlig zum reinen Bindeglied zwischen Gastauftritten von Größen in der Musikbranche und parodistischen Einlagen. Zwar wissen John Travolta und Uma Thurman wie (fast) immer zu überzeugen, doch können sie die mangelhafte Geschichte nicht aufwiegen – auch wenn ihre Tanzszene bei mir sehr nostalgische Gefühle geweckt hat.

Be Cool

Supernervig fand ich dann die Gesangseinlagen – wiel zu lang und breitgetreten. Das schlimmste jedoch: Völlig ohne Witz inszeniert. Ich habe mich schon fast in einer Castingshow gewähnt. Der Auftritt mit AEROSMITH ist zwar ganz nett, hatte aber eher was von „Wayne’s World“ und ich fand ihn im Chili Palmer-Universum eher unpassend. Richtig übel war auch das Ende bei den MTV-Music-Awards. So zuckersüß und ernsthaft, dass es den Film in meinen Augen fast noch einmal um ein Level heruntergerissen hätte – doch die positiven Erinnerungen an Vince Vaughn und The Rock haben dann doch überwogen und den Film auf 6/10 Punkte gerettet.