Tatort: Der Himmel ist ein Platz auf Erden (2015)

Normalerweise geht der überall grassierende „Tatort“-Hype völlig an mir vorüber. Ich versuche es alle paar Jahre, doch der Funke will nie überspringen. Gestern war es schließlich einmal wieder soweit: Ein neues Ermittlerteam betritt die Bühne – und als Nürnberger muss man den ersten Franken-Tatort natürlich gesehen haben. Ob denn „Der Himmel ist ein Platz auf Erden“ meine Meinung zur erfolgreichen Krimireihe revidieren konnte, lest ihr in der folgenden Besprechung…

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Ich komme gleich zum Punkt: Nein, auch der Franken-Tatort konnte mich nicht bekehren. Ich bin mir sogar sicher, dass ich „Der Himmel ist ein Platz auf Erden“ ohne den Schauplatz Nürnberg nicht zu Ende geschaut hätte. Vielleicht bin ich gerade einfach zu verwöhnt von „The Wire“, doch das was ich gestern über 90 Minuten verfolgt habe, war einfach biederste Krimikost ohne jeglichen Kniff – dabei wären durchaus spannende Ansätze vorhanden gewesen und Nürnberg als Setting hat mir naturgemäß auch sehr gut gefallen. Leider war die Identifikation der einzelnen Schauplätze dann auch das Interessanteste an der ganzen Geschichte.

Mit Felix Voss (Fabian Hinrichs) hätte man die perfekte Gelegenheit gehabt, Elemente einer Culture-Clash-Komödie in die Handlung zu integrieren. Immerhin kommt der Kriminalhauptkommissar aus dem fernen Hamburg in die Frankenmetropole. Leider wird diese Möglichkeit nahezu komplett außer Acht gelassen. Einzig durch das fränkische Urgestein Mathias Egersdörfer, der den Leiter der Spurensicherung spielt, zeigt sich ein wenig fränkisch-herber Charme auf dem Bildschirm. Auch die Figur von Kriminalhauptkommissarin Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) besitzt Potential und ist, was man von einigen Nebenfiguren nicht behaupten kann, wirklich gut gespielt. Leider jedoch bleibt auch dieser Charakter größenteils blass.

Was den Fall selbst angeht, so macht dieser wahrlich keine Freude. Nach einer nur zu offensichtlich gelegten falschen Fährte ist die tatsächliche Auflösung – wenn man sie nicht ohnehin schon nach den ersten Minuten erahnt hat – so trivial und bereits unzählige Male dagewesen, dass die aufgesetzt wirkende pseudokünstlerische Inszenierung gleich doppelt plump wirkt. Man hat hier 90 Minuten zur Verfügung und macht nicht mehr daraus, als zweitklassige US-Krimiserien à la „The Mentalist“ oder „Bones“ in der Hälfte der Spielzeit schaffen. Wirklich enttäuschend. Die Verwendung von Elementen des „Mulholland Drive“-Soundtracks ist mir zudem übel aufgestoßen, könnten die beiden Filme inhaltlich, stilistisch und qualitativ doch nicht weiter auseinander liegen.

Insgesamt hat sich mein Vorurteil dem „Tatort“ gegenüber leider bestätigt. Ich werde mit dieser Art der abgehangenen Krimiunterhaltung einfach nicht warm. Wenn ich dann lese, dass unser tolles Feuilleton diesen 08/15-Fernsehfilm mit der Nouvelle Vague eines François Truffaut vergleicht, dann spricht auch das Bände. Letztendlich bleibt ein nett gefilmter Krimi mit langweiligem Plot und ausbaufähigen Charakteren. Ziemlich durchschnittlich eben – und nur Nürnberg als Drehort wird mir im Gedächtnis bleiben: Es war schon toll die Straßen, auf denen man nahezu täglich unterwegs ist, als Schauplatz in einem Fernsehfilm zu sehen. Aufgrund der lokalpatriotischen Umstände will ich gnädig sein: 5/10 Punkte.

33 Gedanken zu “Tatort: Der Himmel ist ein Platz auf Erden (2015)

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  2. Hmm wahrscheinlich war der Abfall von The Wire einfach zu krass zum Franken-Tatort! Kann ich verstehen. Ich habs gestern auch gesehen, nachdem die Feuilletons sich beinah überschlagen haben: Ganz so schlimm hab ich es nicht empfunden: Empfand die erste dreiviertel Stunde als ganz launig und unterhaltsam. Die Auflösung des Falls war einfach nur langweilig und 0/8 15. Schade, dass für die Tatorts nicht mehr Hirnschmalz verwendet wird. Die letzte deutsche Ausnahme, die ich gesehen habe: „Im Schmerz geboren“ – der war wirklich grandios! Ein Trüffel unter ganz viel Erdreich.

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    • Auf die Feuilletons darf man vermutlich sowieso nichts geben. Was da an Lobeshymnen gedichtet wird, ist schon beinahe eine Kunstform für sich. Ich fand den Film ja auch nicht schlecht, doch ebenso sicher, angestaubt und langweilig. Und dann noch diese Pseudokunst, bei Lynch den Score klauen und auf Anspruch machen. Könnte ja funktionieren, doch nicht bei dieser mageren Geschichte. Dennoch schön Nürnberg einmal im TV zu sehen. Das reicht für mich schon, um auch das nächste Mal wieder einzuschalten…

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  3. Zum Tatort konnte mich bisher auch niemand bekehren. Auf 90 Minuten konfektionierte Packware mit häufig entweder übertriebenen oder langweiligen Figuren. Dazu wird tunlichst vermieden einen übergreifenden Handlungsbogen zwischen den einzelnen Folgen zu spannen. Hauptsache, jeder Regionalsender bekommt seine Anteil am Tatortkuchen.

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    • Ja, sehe ich ähnlich. Verstehe auch absolut nicht, warum gerade diese Filmreihe so gehypt wird – auch speziell von einem jüngeren Publikum. Ein übergreifender Handlungsbogen wäre dagegen tatsächlich ein Grund für mich doch einmal mehr reinzuschauen. So bleibt es eben nur ein lauer Sonntagabendkrimi. Da bleibe ich lieber bei meinen Serien…

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  4. Ich bin kein großer Tatort-Fan, da ich aber über Krimis in allen medialen Formen schreibe, gucke ich ihn recht häufig. Und innerhalb des Formats war der Franken-Tatort schon ungewöhnlich – durch die Eröffnungssequenz, die von Dir erwähnten Anleihen und auch manche Montagen. Der Fall war fad, auch insgesamt fehlte ihm an Schwung. Aber das hier ist ein Produkt, bei dem unzählige Fernsehredakteure und wer weiß noch alles mitreden. Deshalb fand ich es schon wohltuend, dass jemand zumindest mal versucht hat, etwas anderes zu machen – wenngleich es oft bemüht war. Aber hier wurde nicht nur auf prominente Namen gesetzt oder das derzeit hippe Ermittlungsteam (übrigens gibt es bspw. beim Dortmund-Tatort durchaus folgenübergreifende Handlungsstränge). Daher fand ich die Sendung insgesamt schon auf einem Niveau mit einer „Bones“-Folge – nur hat die den Vorteil, dass sie kürzer ist.

    Damit will ich nicht sagen, dass sich beim Tatort nicht einiges ändern müsste. Auch entspringt der Hype meines Erachtens weniger der Qualität als vielmehr der Gewohnheit: Sonntags wird eben Tatort geguckt.

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    • Danke für deinen ausführlichen Kommentar. Ich stimme dir zu, dass Kameraarbeit und Inszenierung durchaus ihre Momente hatten, allerdings war mir die Schere zum Inhalt zu groß. Dadurch wirkte der künstlerische Ansatz einfach aufgesetzt. Mir ist auch bewusst, dass hier viele Verantwortliche mitreden, doch hatte ich mir einfach mehr erwartet als in rein formelhaften US-Serien.

      Diese Art von Fall habe ich über die letzten Jahre bestimmt schon 10x gesehen – und das ist keine Übertreibung. Wenn man nebenbei wenigstens mehr aus den Charakteren gemacht hätte, doch die 90 Minuten werden einfach nicht genutzt. Ich werde bestimmt auch beim nächsten Franken-Tatort reinschauen, doch hoffe ich wirklich sehr, dass dann mehr Aufmerksamkeit auf die Geschichte gelegt wird.

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  5. Ich wollte auch erst schauen, weil ich ja lange in Nürnberg studiert habe… aber ich hatte genau diese Befürchtungen wegen dem Plot und habe es dann gleich sein lassen 😉 Es gibt schon gute Tatorte, aber die sind die Ausnahme und aufgrund der übermäßigen Zahl an Tatorten schwer zu finden…

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    • In Nürnberg studiert, schön! Wo denn genau? Ich kenne nur die Fachhochschule, habe selbst aber nicht in Nürnberg studiert. Als TV-Reisetrip könnte der Tatort schon funktionieren, zumal Nürnberg in Film und Fernsehen ja eher wenig Beachtung zuteil wird.

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      • Naja, eigentlich in Erlangen, aber die FAU erstreckt sich ja über beide Städte und ich war immerhin oft genug in Nürnberg um das behaupten zu wollen, weil ich die Stadt sehr gerne mag. Ich habe dort meinen Bachelor gemacht.
        Wo hast du denn studiert? Aber ursprünglich kommst du aus Nürnberg? Oder jetzt erst dort beheimatet?
        Ach, es gibt so viele Städte, die man öfters mal zeigen könnte! Alle Filme speilen aber immer nur in München, Berlin, Hamburg oder Frankfurt… das ist eigentlich schade… liegt aber wahrscheinlich an der Filmförderung…

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      • Ach, Erlangen. Auch schön, dort habe ich etliche Jahre gearbeitet, bis es mich nun wieder nach Nürnberg verschlagen hat. Studiert habe ich in Ansbach, also auch noch Mittelfranken. Die diversen Gebäude der FAU kenne ich – allerdings meist nur von außen… 😉

        Ja, ich finde es auch schade, dass man immer wieder nur die gleichen Städte sieht. Mir fällt da „Lammbock“ ein, der tatsächlich in Würzburg und Umgebung spielt.

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      • „lammbock“ ist ein toller Film! Den würde ich gerne mal wieder sehen… wäre auch mal ne gute Alternative für das Fernsehprogramm… immer diese inflationären Krimis… 😉

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      • Bei mir steht er tatsächlich auf DVD im Regal, weshalb ich nicht zwingend eine TV-Ausstrahlung bräuchte. Aber man muss ja auch an die Allgemeinheit denken, insofern kann ich deinen Vorschlag nur unterstützen… 🙂

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  6. Ich hab zwar diesen Tatort nicht gesehen, aber jeden Versuch mit Tatort eigentlich vorzeitig abgebrochen und mich jedes mal gefragt, wie und warum solche Quoten erreicht werden.

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    • Ja, so geht mir das auch. Ich möchte den TV-Krimi nicht schlechter machen als er ist, doch er ist eben genau das: ein durchschnittlicher TV-Krimi. Keine Ahnung, warum ganz Deutschland stets im Tatort-Fieber ist.

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  7. Nur ganz kurzer Kommentar: Fall 08/15, da stimm ich dir zu. Gefilmt war er z. Tl. ganz nett, dann fand ich’s witzig, dass Quelle ständig gezeigt wurde – da hat mein Bruder jetzt seinen Proberaum (und dort werden wir morgen bzw. heute) auch nochmal für den 80sten meines Vaters proben. 🙂

    Matthias Egersdörfer hat uns am besten gefallen – von den „Franken“ – sehr authentisch, sowohl vom Dialekt als auch von der Art. Ich fand auch die Ermittlerin mit ihren Ausbrüchen ganz gut. War auch mal was anderes.

    Aber insgesamt eher durchschnittlich, würde schon 6 Pünktchen geben, wenn ich Tatorte bewerten würde…

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    • Danke für deinen Bericht! Ja, den direkten Bezug zu Quelle, AEG usw. fand ich auch nett. Ansonsten hat man die Regensburger Straße häufiger gesehen, das Neue Museum usw. Diese Aspekte haben durchaus Spaß gemacht.

      Matthias Egersdörfer und die Kommissarin haben mir auch am besten gefallen. Letztendlich hat es aber aufgrund des schwachen Falls für nicht mehr als 5 Punkte gereicht. Letztendlich sind war damit aber doch im gleichen ballpark… 😉

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