Meist liegt bei mir zwischen dem Lesen eines Romans und der Sichtung dessen Verfilmung ein gewisser Zeitraum. Nötiger Abstand um das Gelesene zu verarbeiten. Insofern stellt die Sichtung von Niels Arden Oplevs „Verblendung“ eine kleine Premiere für mich dar. Nur einen Tag nach dem Beenden der Vorlage hatte der Film somit eine ganz eigene Wirkung. Eine wahrlich seltsame Erfahrung.

In den ersten Minuten des Films tat ich mir teils schwer mich von Stieg Larssons wunderbarer Vorlage zu lösen. Beständig suchte ich nach Abweichungen und verglich die Bilder meines Kopfkinos mit Niels Arden Oplevs Inszenierung. Doch schon bald gelang es dem Film mich auf seine ganz eigene Art gefangen zu nehmen, was nicht zuletzt an seinen grandiosen Darstellern liegt. Besonders Noomi Rapace als Lisbeth Salander ist eine kleine Offenbarung.
Oplev gelingt es wahrlich famos die düstere und eiskalte Atmosphäre in äußerst bedrückenden Bildern festzuhalten. Besonders Lisbeths Geschichte wird nahezu 1:1 aus der Vorlage übernommen und ist teils wirklich hart anzuschauen. Drastisch, brutal und dabei sehr europäisch. Die Gewalt dient – wie bereits in Larssons Roman – der Geschichte und besonders der Charakterisierung und nicht, wie so oft in amerikanischen Thrillern, dem reinen Selbstzweck.
Im Vergleich zur Vorlage lässt die Verfilmung natürlich viele Details aus. Wie könnte es auch anders sein? Immerhin werden hier 700 Seiten in knapp zweieinhalb Stunden gepackt. Trotz seiner für einen Thriller langen Laufzeit wirkt der Film zu keiner Zeit langweilig und als Kenner der Vorlage hätte ich mir sogar noch mehr Zeit für gewisse Handlungsstränge gewünscht. Besonders die letzte halbe Stunde rund um die Auflösung von Harriets Verschwinden wirkt viel zu gehetzt und nebensächlich erzählt. Im Buch hatte mich ihre Geschichte wirklich erschüttert, im Film dagegen ist nur ein Bruchteil der beklemmenden Intensität zu spüren.
Trotz leichter Schwächen im Finale ist „Verblendung“ eine absolut gelungene Verfilmung von Stieg Larssons Bestseller, welche sowohl Kennern der Vorlage als auch Neulingen gefallen dürfte. Ich war besonders angetan von der unterkühlten Bildsprache und den herausragenden Schauspielern. Von mir gibt es eine dicke Empfehlung: 8/10 Punkte.
