Wieder einmal habe ich eine großartige Serie abgeschlossen. Eine Serie, welche die TV-Welt geprägt haben dürfte, wie kaum eine zweite. Eine Serie, die sich oft eher unter Kunst, als unter Unterhaltung einordnen lässt. Eine Serie von Kinomagier David Lynch: „Twin Peaks – Season 1 & 2“ – seine bislang einzige.

Seit ich den Pilotfilm sah, ist beinahe ein halbes Jahr ins Land gezogen. Eine ungewöhnlich lange Zeit für gerade einmal 30 Episoden. Doch „Twin Peaks“ ist keine normale TV-Serie. „Twin Peaks“ ist anders. Teils unbequem, oft surreal, manchmal sogar langweilig. Doch eines ist „Twin Peaks“ nie: gewöhnlich. David Lynch und Mark Frost haben ein Universum geschaffen, das immer etwas neben der Spur scheint. Leicht verschoben. Beinahe eine Parallelwelt. Das Setting – die Wälder der nordwestlichen USA – tragen enorm zu der unheilvollen Atmosphäre bei.
Es ist wirklich schwer die Serie zu beschreiben. Man muss sie mit eigenen Augen sehen – und vermutlich sieht auch jeder Zuschauer etwas anderes in ihr. Grundsätzlich geht es um einen Mordfall, der die kleine Stadt Twin Peaks in Aufruhr versetzt. Special Agent Dale Cooper (Kyle MacLachlan) wird deshalb zur Lösung des Falls nach Twin Peaks geschickt. Mit ihm lernt man die verschrobenen Einwohner und Geheimnisse der ungewöhnlichen Kleinstadt kennen. Lynch und Frost hatten den Mord an Laura Palmer als MacGuffin konzipiert, d.h. er sollte das Mysterium in „Twin Peaks“ bleiben, welches nie aufgeklärt wird. Das Studio jedoch wollte einen Mörder präsentiert bekommen – und so kam es dann auch, weshalb die zweite Staffel zu Beginn etwas ziellos wirkt.
Für mich funktioniert „Twin Peaks“ am besten, wenn die Handlung vorangetrieben wird. Oft kommt es hier zu ungewöhnlichen Einfällen des Autorenteams, welche sich über mehrere Episoden verdichten, nur um am Ende ganz anders aufgelöst zu werden, als man es als Zuschauer vermuten würde. Besonders das Finale der Serie setzt hier – was Surrealismus in TV-Serien angeht – völlig neue Maßstäbe. Grandios und sowohl stilistisch als auch inhaltlich ein Schlag in die Magengrube des Zuschauers.
In „Twin Peaks“ wird jedoch nicht nur eine Geschichte erzählt – oft wird diese sogar von diversen Nebenhandlungen in den Hintergrund gedrängt. Dann überwiegen skurrile Einzelszenen, welche einer absurden Komödie entsprungen scheinen. Oft wirkt die Serie auch wie eine überhöhte Seifenoper – ein Stilelement, welches von Lynch und Frost bewusst eingesetzt wurde. Hier zeigt sich für mich auch die einzige Schwäche der Serie: die Selbstverliebtheit der Autoren. So werden einige satirisch angelegte Handlungsstränge über die Maßen strapaziert, so dass die Seifenoper tatsächlich Einzug in die Serie hält (die Geschichte um Josie, der Bürgerkriegswahn von Benjamin Horne etc.) – in solchen Szenen ist die Serie oft nur noch anstrengend und man würde sich einen stärkeren Fokus auf die Haupthandlung wünschen.
Erstaunt hat mich auch, wie nahe Horror und Humor in „Twin Peaks“ zusammenliegen. Manche Szenen sind wirklich beängstigend und erwecken durch die grandiose Inszenierung blanken Terror. Lynch hat seine Mittel hier sehr effizient eingesetzt. Im nächsten Moment schwenkt die Serie dann wieder in absurden Humor um. Diese Gradwanderung wird durch den fantastischen Score von Angelo Badalamenti perfekt unterstützt, welcher mir auf Dauer allerdings etwas eintönig erschien. Vielleicht ein Stilmittel? In kleinen Dosen auf jeden Fall wunderschön anzuhören.
Neben der grandiosen Inszenierung und der ungewöhnlichen Handlung, überraschen vor allem die unzähligen Schauspieler, die man inzwischen aus diversen Film- und TV-Produktionen kennt: Kyle MacLachlan („Blue Velvet“, „Dune“) ist die perfekte Besetzung für den ungewöhnlichen FBI-Agenten. Lara Flynn Boyle („Men in Black II“), Mädchen Amick („Joey“), Sherylin Fenn („Gilmore Girls“) und Heather Graham („Boogie Nights“, „Scrubs“) bilden die Garde der jugendlichen Hauptdarstellerinnen. Grace Zabriskie („Seinfeld“, „The King of Queens“) und Ray Wise („Dead End“) überzeugen als Eltern des Mordopfers Laura Palmer. Des Weiteren gibt es noch Billy Zane („Titanic“) und David Duchovny („Californication“) zu sehen. Besonders hervorzuheben ist zudem Michael J. Anderson als The Man from Another Place, der einige Jahre später die Hauptrolle in einer ähnlich surrealen Serie übernehmen durfte: Samson in „Carnivàle“.
Für mich geht mit „Twin Peaks“ ein großartiges Erlebnis zu Ende, welches sich wirklich nur schwer in Worte fassen lässt. David Lynchs Ausflug in die TV-Welt ist nicht immer leicht zu konsumieren, doch wenn man sich darauf einlässt wird man mit grandiosen Bildern und einer tollen Geschichte belohnt. Da einige Handlungsstränge jedoch sehr an meinen Nerven gezehrt haben, vergebe ich insgesamt 9/10 Punkte und freue mich nun schon auf die Sichtung des Kinoprequels „Twin Peaks: Fire Walk With Me“.