The Hateful 8 – OT: The Hateful Eight (2015)

Nachdem es unseren Zwergofanten heute komplett zerbröselt hat, stehen die Pläne für die kommenden Urlaubstage unter keinem gute Stern. Vermutlich wollte ich mich heute Abend deshalb auch mit einem Film ablenken, der schon lange auf der ominösen Liste steht: Quentin Tarantinos „The Hateful 8“ – und ja, der deutsche Titel wird tatsächlich mit einer Ziffer geschrieben. Die Erwartungen waren hoch, doch war mir bereits im Vorfeld bewusst, dass der Film sehr unterschiedlich aufgenommen wurde…

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Meine Jugend mit Quentin Tarantino

Wenn ich an Quentin Tarantino denke, dann denke ich an meine Jugend. Wohl kein zweiter Regisseur hat mein filmisches Erwachsen so sehr geprägt, wie dieser inzwischen nur allzu bekannte Filmfanatiker. Damals musste ich jeden seiner Filme im Kino sehen und konnte die Heimkino-Veröffentlichungen mitsprechen. Erst die VHS-Kassetten (auf Deutsch und auch Englisch), später dann die DVD-Releases. Seine Werke zählen bis heute zu meinen meistgesehenen Filmen und auch seine jüngeren Regie-Arbeiten „Inglourious Basterds“ und „Django Unchained“ fand ich mehr als nur sehenswert, selbst wenn ich sie vergleichsweise spät nachgeholt habe. Nun also sein neuster Streifen: wieder ein Western und dieses Mal ein Kammerspiel.

Beeindruckende Bilder in 70 mm

Wie bei anderen Filmen, die eine bestimmte Technik einsetzen, möchte ich auch an dieser Stelle zunächst auf die Tatsache eingehen, dass „The Hateful Eight“ in Ultra Panavision 70 gedreht wurde. Dies sorgt für ein extrem breites Seitenverhältnis von 2,76:1 (im Gegensatz zum anamorphen 35-mm-Breitbild mit 2,4:1 bzw. dem Standard-Breitbild mit 1,85:1) und lässt speziell Landschaftsaufnahmen sehr beeindruckend wirken. Im Heimkino hat man selbst mit Blu-ray nur wenig von der erhöhten Auflösung und ich kann mir nur vorstellen, wie beeindruckend der Film in seiner 70-mm-Roadshow-Fassung gewirkt haben muss. Davon abgesehen sieht der Western auch auf dem heimischen Fernseher einfach toll aus und es ist sehr beeindruckend, wie vielfältig das kammerspielartige Set in Szene gesetzt wurde.

Acht abscheuliche Charaktere

Die Handlung wird noch dialoglastiger erzählt als in Tarantinos vorhergehenden Filmen. Dies ist nur wenig verwunderlich, basiert das gesamte Konzept doch darauf, dass die Charaktere von der Außenwelt abgeschnitten in einem Schneesturm feststecken und sich gegenseitig misstrauen. Die Western-Variante von „The Thing“ sozusagen. Und in beiden Filmen spielt Kurt Russell eine Hauptrolle. Für solche Zufälle hat Tarantino wirklich ein Händchen. Ansonsten gibt es viele bekannte und auch überraschende Besetzungen zu sehen. Als einzige Frau unter den abscheulichen Acht sticht besonders die bereits von der Band The Weakerthans auf „Reunion Tour“ besungene Jennifer Jason Leigh hervor, deren Figur nicht weniger verabscheuungswürdig ist als ihre männlichen Gegenspieler. Überhaupt ist es beeindruckend, wie sehr der Titel in diesem Film Programm ist.

Konnten bisher selbst die abgebrühtesten Gangster noch eine gewisse Sympathie beim Zuschauer auslösen, hat man es hier mit rassistischem, narzisstischem und opportunistischem Abschaum zu tun. Dies mag man zu Beginn nur erahnen, doch je weiter das Kammerspiel fortschreitet, desto zynischer werden die Handlungen und spätestens wenn sich einem das gesamte Bild offenbart und die Gewalt explodiert, steht außer Frage: Hier hat es niemand verdient zu gewinnen. Entsprechend konsequent ist das Finale auch ausgefallen. Das eigentlich Perfide an der Sache ist nur, dass man zuvor doch immer wieder Hoffnung schöpft und der beinahe schon gemütlichen Atmosphäre dieser Hütte erliegt. Dieser Zustand hält aber nie lange an und man wird von den Figuren auch als Zuschauer nach Strich und Faden belogen.

Fazit

Quentin Tarantino hat mit „The Hateful Eight“ erneut einen beeindruckenden Beweis geliefert, dass er verdammt gut Dialoge schreiben kann. Auch inszenatorisch ist der Film ein kleines Meisterstück, wenngleich sich die Versatzstücke seiner bisherigen Werke inzwischen auch ein wenig wiederholen. Das völlige Ausbleiben von Hoffnung lässt mir das Finale schwerer im Magen liegen, als ich dies vermutet hätte, auch wenn es zuvor durchaus den typischen Tarantino-Humor gibt. Noch kann ich diesen achten Film des Regisseurs nicht endgültig einschätzen, doch so ging es mir mit „Jackie Brown“ damals auch, den ich inzwischen zu meinen Favoriten zähle. Lang, teils anstrengend, doch immer überraschend und typisch Tarantino. Sollte man auf jeden Fall gesehen haben: 8/10 Punkte.

34 Gedanken zu “The Hateful 8 – OT: The Hateful Eight (2015)

    • Eine gewisse Selbstverliebtheit kann ich dem Film auch nicht absprechen, jedoch konnte er mich formal und inhaltlich dennoch überzeugen. Auch die Nachwirkung ist durchaus bemerkenswert – er hat mich noch bis in den Schlaf verfolgt…

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  1. Haha, 8/10 Punkte (hoffentlich nicht hasserfüllte) scheint die ideale Wertung für den Film zu sein. 😉
    Aber ganz ehrlich, würde er von mir glaube ich auch kriegen. Mit ganz leichter Tendenz nach unten.
    ‚Jackie Brown‘ ist der beste Tarantino. Und nicht nur, weil Pam Grier ohne sich anzustrengen cooler ist, als jeder andere Tarantino-Hauptdarsteller (aber das hilft).

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    • Wohl wahr! Dabei hätte ich manchmal gerne mehr, manchmal aber auch weniger Punkte vergeben. Der Film macht es einem nicht immer einfach, doch das ist ja nicht unbedingt negativ zu bewerten.

      Was „Jackie Brown“ angeht, so bin ich ganz bei dir. Ob es jetzt wirklich der beste Tarantino-Film ist, vermag ich zwar nicht zu sagen, doch auf jeden Fall ist es der Film, der mit der Zeit an Qualität gewonnen hat. Ein wirklich herausragender Streifen! 🙂

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  2. Ich mochte den auch. Hätte ich damals nicht gedacht, weil ich zu viel von dem Film gehört hatte, was mich irgendwie abgeschreckt hat. Die Länge, das Theaterhafte mit dem einen Set, aber letztendlich sind es genau die Dinge geworden, die ich so zu schätzen wusste. Es ist ja wirklich wie ein Theaterstück a la Tarantino. Ich mochte die Charaktere, die Dialoge und vor allem Walton Goggins. Der war mein persönliches Highlight des Films.

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    • Ja, die von dir erwähnten Eigenarten hatten mich auch zweifeln lassen, dennoch war ich mir sicher, dass Tarantino sich hier nicht auf Standards ausruht. So kam es dann auch und mich hat der Film wirklich mehrfach überrascht, auch wenn ich ihn teils anstrengend fand.

      Walton Goggins war großartig. Er hatte ja bereits in „The Shield“ gezeigt, was er drauf hat.

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  6. Der Frequenz an Filmbesprechungen in letzter Zeit zufolge scheint die stressigste Kind-Phase ja vorbei zu sein. 😉

    Jo, fast. Zu lang, dadurch etwas zu zäh. Allemal sehenswert, aber langsam lässt die Faszination für Tarantinos Exploitation-Tick dann doch ein wenig nach…

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    • Ich habe Urlaub, da fällt es nicht so schwer ins Gewicht, wenn ich bis nachts um 1 Uhr blogge und am nächsten Tag schon wieder um 6 Uhr geweckt werde… 😉

      Ich fand den Film stellenweise auch ein wenig selbstverliebt, doch überwiegen für mich eindeutig die positiven Aspekte. Zumindest interessanter und individueller als das meiste, was sonst so anläuft.

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  7. Durch die Dialoglastigkeit und den enorm ermüdenden, langsamen Einstieg in das Geschehen, empfan d ich den Film tatsächlich mal als nervig. Muss ich tatsächlich mal so banal ausdrücken. Dabei habe ich ansonsten eine wahnsinnige Geduld für Filme. Allerdings bin ich auch kein Fan von Tarantinos Western. Mir wirkt das alles zu aufgesetzt und entrückt. Wobei Django dabei einen Hintergrund und ein Triebmittel hatte, dass mich zumindest mehr angespornt hat (Unterdrückung). Aber hier empfinde ich das Kammerspiel als aufgesetztes Getue und sehe keinen richtigen Mehrwert mehr. Ich bin gespannt was sich der Herr für seine zwei letzten Filme vornimmt, danach will er ja in den Ruhestand gehen. Da ich eigentlich ein Fan von ihm bin, freue ich mich trotzdem drauf.

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    • Ich kann dich voll uns ganz verstehen. „The Hateful Eight“ war auch eine meiner anstrengenderen Filmsichtungen der letzten Zeit. Ich habe daraus jedoch viel ziehen können, so hat mich der langsame Einstieg stark an die Sergio-Leone-Western erinnert. Zudem wurden hier die Themen, die auch schon in „Django Unchained“ behandelt wurden (Rassismus, Unterdrückung usw.) noch einmal auf den Tisch gebracht, aber eben deutlich subtiler bzw. mehr in den Charakteren verankert. Das fand ich sehr spannend, speziell im Rahmen eines Kammerspiels. Dann noch der Gewaltexzess am Schluss. Sicher typisch für Tarantino, aber insgesamt doch unbequem und nicht leicht bekömmlich.

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  8. Der hat bei mir ja leider so gar nicht gezündet, auch wenn du viel positives heraushebst. Das mit der gemütlichen Atmosphäre stimmt, da habe ich mich auch immer etwas ertappt gefühlt, wenn z.B. die Tür aufging und draußen der Schneesturm tobte.
    Anders als bei „Inglorious Basterds“ – den ich anfangs ebenso wenig mochte – habe ich bei „The Hateful 8“ allerdings nicht das Gefühl, dass er beim zweiten Durchlauf nochmal anziehen kann. Für mich aufgrund der Dialoglastigkeit und dem in allen Belangen völlig überzogenen Showdown am Ende leider ein totaler Miss denn Hit. Schade. Aber man kann nicht alles haben! Hätte mir von Tarantino wohl lieber einen aktionsreicheren Western gewünscht, als dieses Kammerspiel.

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    • Wenn man mich zuvor gefragt hätte, dann hätte ich wohl auch gesagt, dass ich ein Kammerspiel wohl nicht sonderlich spannend finde und lieber einen Western sehen würde, der vor allem draußen spielt. Letztendlich konnte mich „The Hateful 8“ dann aber doch überzeugen, zumal er immer wieder mit meinen Erwartungen gebrochen hat. Mein Liebling von Tarantino wird er aber auch nicht…

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