Gone Girl (2014)

Nachdem wir gestern Abend spontan mit den Kindern schwimmen gegangen sind, war es danach zu spät für einen Film. Heute bestanden die Tagesaktivitäten aus dem Kaufen und Aufbauen neuer Möbel – und irgendwann hatte ich genug davon, so dass der Sichtung von „Gone Girl“ nichts im Wege stand. Schon lange befand sich der jüngste Film von David Fincher auf meiner Liste. Ob er meine hohen Erwartungen erfüllen konnte, lest ihr in der folgenden Besprechung. Spoiler sind zu erwarten.

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„Gone Girl“ hat meine Erwartungen nicht getroffen. Ich hatte mir einen Film erwartet, der einen beständig zweifeln lassen würde, ob der von Ben Affleck gespielte Ehemann nun seine Frau ermordet hat oder nicht. Die Frage nach der Schuld stellt sich nicht wirklich, denn noch bevor David Fincher nach ca. einer Stunde die erste große Enthüllung macht, scheint die Geschichte ziemlich eindeutig. Der Kniff des unzuverlässigen Erzählers (hier durch ein Tagebuch in die Handlung eingewoben) ist recht offensichtlich und eher dazu gedacht, die Charaktere in der Filmwelt in die Irre zu führen, als uns Zuschauer vor dem Bildschirm. Dies sorgt für eine ganz besondere Art der Spannung: Sie wird doch nicht wirklich…

Es ist als wolle Fincher sagen: Mir geht es nicht darum euch an der Nase herumzuführen, schaut euch die Beziehung an – darin liegt der wahre Horror! Und Recht hat er. Es gibt in dem Film keinen fehlerlosen Charakter. Jeder spielt nach seiner Agenda – und durch die von Rosamunde Pike großartig verkörperte psychopathisch veranlagte Ehefrau wird die dunkle Seite der Emotionen, die in jeder Beziehung zu finden sind, beinahe schon satirisch böse auf die Spitze getrieben.

Durch David Finchers abermals perfekte Inszenierung wirkt die dargestellte Welt – und speziell jede Beziehung darin – kalt, fremd und mechanisch. Emotionen sind kalkuliert und der äußere Schein ist wichtiger, als die Innenwelt. Eine perfekte Oberfläche für das perfekte Verbrechen? Obwohl ich als Zuschauer um die Verfehlungen der einzelnen Charaktere wusste, habe ich mit ihnen mitgefiebert. An das Gute in ihnen geglaubt – und bin selbst so mancher Lüge aufgesessen. Gegen Ende gibt es dann doch noch einmal eine schockierende Wendung, die in ihrer Konsequenz so perfide ist, dass man eigentlich nur hysterisch darüber lachen kann. In ihr offenbart sich auch die Schwäche unserer Hauptfigur, was den Kreis zum Anfang schließt. Der Schein des trauten Heims bleibt gewahrt.

Vielleicht sollte ich dankbar sein, dass meine Frau bei der Sichtung eingeschlafen ist, denn „Gone Girl“ zeichnet ein extrem düsteres Bild der Ehe. Dabei legt der Film öfter einmal den Finger in die Wunde, verlässt die rationale Ebene jedoch sogleich und gipfelt in einer Art satirischem Thriller, der mir wohl noch länger im Gedächtnis bleiben wird. Interessant auch die Frage, wie der Film wohl in einer anderen Schnittfassung funktioniert hätte, in der Ehemann Nick zusammen mit dem Zuschauer bis zum Ende ahnungslos geblieben wäre und man Amys Perspektive erst zum Schluss gesehen hätte. Ein in jeder Hinsicht empfehlenswerter Film: 9/10 Punkte.

25 Gedanken zu “Gone Girl (2014)

  1. Du hast Recht, der Film zeichnet ein schlechtes Bild von Ehe, aber für mich war ein weiterer Aspekt des Films noch viel auffälliger, nämlich die Mediengeilheit und damit auch die Manipulationsmöglichkeiten der Öffentlichkeit. Man sieht das ja immer bei den US-Präsidentschaftskandidaten oder andere Personen, die Teil des öffentlichen Interesses sind, die sich immer als perfektes Ehepaar inszenieren (müssen?) um überhaupt als glaubwürdig und seriös wahrgenommen zu werden. Was da hinter den Kulissen los ist, möchte ich gar nicht wissen.

    Hier meine Review (5.5/6): https://filmkompass.wordpress.com/2014/10/28/gone-girl-2014/

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    • Du hast vollkommen Recht, die Mediensatire habe ich in meiner Besprechung ganz vergessen. Das ist natürlich auch ein sehr großer Teil des Films, der aber so offensichtlich inszeniert ist, dass ich nicht das Gefühl hatte ihn noch extra herausstellen zu müssen. Gerade die Kombination der beiden Extreme und der schöne Schein nach Außen im Rampenlicht, ist das was den Film so spannend macht. Schöne Besprechung! 🙂

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  2. Ich fand den Film auch gut, ist auch als Buchverfilmung gut umgesetzt – allerdings ist das Buch um einiges besser. Ich nehme an, du hast es nicht gelesen? Das Buch schafft es auch viel mehr, einen daran zweifeln zu lassen, wer nun Schuld trägt. Man hat so viel mehr Einblick in die Figuren (klar), und erfährt viele Dinge, die einfach wichtig sind, die aber im Film so nicht deutlich oder gar nicht vermittelt werden. Besonders toll an dem Buch ist auch die Sprache, der Stil, in dem Gillian Flynn schreibt, die man im Film logischerweise gar nicht hat.

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    • Das Buch kenne ich tatsächlich nicht. Ich glaube gerne, dass es noch viel ausführlicher ist. Interessant auch, dass der Leser dort im Unklaren gelassen wird, wer nun die Schuld trägt. Dies wird im Film ja schnell offensichtlich. Allerdings finde ich durchaus, dass die Inszenierung Stilmittel bietet, die sich mit einem Sprachstil in Romanform vergleichen lassen. Das hat den Film für mich stilistisch schon besonders gemacht.

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  3. Eine alternative Schnittfassung klingt sehr interessant. Da bin ich selbst auch nach zweimaliger Sichtung nicht drauf gekommen. Hätte sicherlich was. Wichtig wäre dann meiner Meinung nach aber, dass die Auflösung nicht in einer kurzen Schnittfolge zu sehen ist, sondern auch ein wenig Zeit im Film einnehmen darf. Wenn nur in Sekundenbruchteilen die Schlüsselszenen gezeigt würden, ginge sicherlich ein Großteil von Amys Berechenbarkeit flöten. Was sehr schade wäre, da Roasmund Pike gerade das ja so hervorragend darstellt.

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    • Die Auflösung dürfte beinahe so lange sein, wie sie jetzt auch im Film ist, nur dass Amys Perspektive eben ans Ende rückt. Das hätte noch einmal eine ganz andere Wirkung gegeben. Aber besser? Das kann man vermutlich nicht bestimmen, denn – wie du richtig schreibst – war gerade Amys Berechenbarkeit im Kombination mit Nicks Machtlosigkeit so interessant.

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    • Ja, wir haben tatsächlich das gleiche Theme. Spricht für Geschmack – und abonniert habe ich dein Blog auch gleich einmal. Man wird sich in Zukunft also öfter mal lesen… 🙂

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  5. Das ist so einer dieser Filme, bei dem ich froh war, das Buch vorher schon gelesen zu haben. Zumal mich dieser Twist im Buch irgendwie sehr aufgeregt hat und ich diese ganze „Cool-Girl“-Nummer ein bisschen arg übertrieben fand. Als ich das Ganze dann im Film gesehen habe, war ich irgendwie mehr darauf vorbereitet und da hat es mir dann auch deutlich besser gefallen…

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    • Ich kann die Buchperspektive natürlich nicht beurteilen, doch fand ich im Film den Twist wunderbar unaufdringlich und somit auch nachvollziehbar. Mit einer anderen Inszenierung hätte das auch deutlich in die Hose gehen können. Fincher halt. Heißt das auch, du fandest das Buch eher schwach?

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      • Hmm… es ist nicht schwach, aber ich finde, Flynn ist jetzt auch keinen so starke Autorin. Ich habe danach noch „Dark Places“ gelesen, aber den fand ich echt langweilig.

        „Gone Girl“ ist in der Buchfassung in der ersten Hälfte wirklich extrem stark, weil Flynn da halt eigentlich zwei Genres bedient: so ein bisschen das Ehedrama durch die Tagebücher und den Krimi mit den Ermittlungen gegen Nick. Da zieht dich das Buch richtig rein… und dann kommt dieser krasse Bruch, diese Wendung und damit bin ich dann im Buch nicht so richtig klar gekommen…

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      • Hmm, dann ist das Buch vermutlich tatsächlich anders aufgebaut. Im Film war mir immer klar, dass Nick unschuldig ist und teils nur ein wenig dusselig agiert. Die Tagebücher waren mir auch schnell als unzuverlässige Erzählung klar. Ich gehe mal davon aus, dass Fincher absichtlich so offensichtlich inszeniert hat. Hoffe ich zumindest… 😉

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