The Wolf of Wall Street (2013)

Freitagabend und ich habe es gerade durch einen dreistündigen Film geschafft ohne dabei einzuschlafen. Schon alleine deshalb kann „The Wolf of Wall Street“ kein schlechter Film sein – allerdings ein vieldiskutierter, denn was die Rezeption von Martin Scorseses jüngstem Werk angeht, scheint es keine Gleichgültigkeit zu geben. Ich habe viele Besprechungen gelesen, in denen der Film in der Luft zerrissen wird, aber auch etliche, die ihn über den grünen Klee loben. Wo liegt nun also die einzig allgemeingültige Wahrheit? Wie ist der Film nun also bei mir angekommen?

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„The Wolf of Wall Street“ ist ein Scorsese-Film durch und durch. Abermals wird eine typische Rise-and-Fall-Geschichte erzählt, die in exzessiven Bildern präsentiert wird. Keine Gangster, wie in „Casino“ oder „GoodFellas“, dafür Börsenmakler. Der größte Kritikpunkt, den man in nahezu allen negativen Besprechungen lesen kann, ist die scheinbare Glorifizierung Jordan Belforts. Zudem würden die Auswirkungen auf die Opfer nicht gezeigt. Insofern unterscheidet sich diese Biographie nicht von Scorseses Gangsterfilmen, doch der Vorwurf ist hier stärker zu spüren. Vielleicht weil Jordan Belfort eine reale Person ist? Doch das war Henry Hill ja auch. Ich kann zudem nicht verstehen, wie man die gezeigten Exzesse als besonders erstrebenswert wahrnehmen kann. Belfort ist stets ganz offensichtlich ein – Pardon! – Arschloch, und auch wenn in ein paar kurzen Momenten der schöne Schein glänzt, so gibt es in jeder dieser Szenen auch verstörende Elemente, die jedem Zuschauer mit einigermaßen gepoltem Moralkompass selbst den Schluss ziehen lassen, dass dies falsch ist. Da muss Scorsese doch nicht plakativ weinende Anleger zeigen. Es genügt der verschämte Blick der Sekretärin, die sich gerade für 10.000 Dollar eine Glatze hat schneiden lassen.

Was mir besonders positiv aufgefallen ist, sind die famosen Schauspieler. Speziell Leonardo DiCaprio spielt absolut herausragend – und zwar in jeder auch noch so erniedrigenden Situation. Ebenso famos fand ich Jonah Hill, den ich bei seinem ersten Auftritt kaum erkannt hätte. Spätestens mit dieser Rolle sollte er sich im ernsthaften Fach etabliert haben, wobei „The Wolf of Wall Street“ keineswegs ein ernster Film ist. Es gibt abartig lustige Szenen, die jedoch stets einen düsteren Unterton haben. Überhaupt ist der Wechsel zwischen Humor und Drama oft ebenso stakkatohaft wie die Erzählweise bzw. die Stimmungsschwankungen von Rob Reiner, wenn er bei seiner Fernsehunterhaltung gestört wird. Auch eine absolut großartige Szene!

Typisch für Scorsese ist das Voice-over, welches Belfort schon bald als unzuverlässigen Erzähler zeigt und die Figur somit als nicht vertrauenswürdig etabliert. Was sagt uns das nur im Kontext der Geschichte? Immer wieder gehen wir als Zuschauer dem geborenen Verkäufer auf den Leim, und obwohl wir wissen, dass alles eine große Lüge ist, wollen wir mehr wissen. Ebenso wie das Publikum in Belforts Verkaufstraining am Ende des Films, das ihn mit großen Augen anschaut und erwartet, dass er das Versprechen nach schnellem Geld einlösen kann. Es wird immer Menschen wie Jordan Belfort geben, und solche die so sein wollen wie er. Martin Scorsese zeigt mit „The Wolf of Wall Street“ warum man mit Wünschen dieser Art vorsichtig sein sollte.

Auch wenn ich „The Wolf of Wall Street“ als sehr positiv wahrgenommen habe, so ist er weit davon entfernt perfekt zu sein. Der Film ist zweifellos zu lang und auf den einen oder anderen Exzess hätte ich auch verzichten können. Dennoch hatte ich viel Spaß an diesem anderen Gangsterfilm und war zu keiner Sekunde gelangweilt. Habe ich schon Matthew McConaughey erwähnt? Auch ein Grund, warum man sich den Film anschauen sollte, am besten im Doppelpack mit Oliver Stones „Wall Street“. Jetzt seid ihr dran: Habe ich euch den Film mit meiner Besprechung verkauft? Oder war alles nur eine große Lüge? 8/10 Punkte.

48 Gedanken zu “The Wolf of Wall Street (2013)

    • Mich schrecken Laufzeiten über 120 Minuten grundsätzlich ab, seit ich Kinder habe. Also wenn ich das schaffe, dann sollte das für dich doch ein Kinderspiel sein! Unterhaltsam ist er in jeder der 180 Minuten… 🙂

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      • Mir geht es da wie dir: Unter der Woche eher Serien, am Wochenende Filme. Bei 180 Minuten kommt es nur leider hin und wieder vor, dass ich dabei einschlafe… 😉
        Das passierte mir aktuell auch oft bei der 3.- oder 4. Folge „Fringe“ nacheinander… was aber leider auch an den Episoden lag, dazu aber an anderer Stelle demnächst mehr.

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      • Wenn du 4 Folgen „Fringe“ schaust, dann ist auch „The Wolf of Wall Street“ drin. Und ich glaube, dass die Abnutzungserscheinungen geringer sind. Ich bin ja durchaus ein Verfechter von Binge-Watching, doch 4 Episoden können tatsächlich ermüden. Bin aber gespannt, wie du das Thema demnächst mehr ausführst… 🙂

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      • Seit wann heißt das eigentlich Binge – Watching? Muss denn alles einen Namen haben? Läuft mir in letzter Zeit öfter über den Weg. Obwohl Fringe – Binge lustig klingt…

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      • Ich glaube der Begriff existiert schon länger. Er hat es eben erst jetzt in die Mainstream-Medien geschafft, wodurch er inzwischen ein wenig nervt. Kam eben im Zuge der „Breaking Bad“-Welle auf, doch dass es davor schon Serien gab, die sich sehr gut zum Binge-Watching geeignet haben, ist für uns Serienfreunde ja keine Neuigkeit… 😉

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  1. Achtung, ehe das berüchtigte Filmschreckgespenst Flo Lieb auftaucht: Ich nehme seinen Post vorweg. Er hat 0 Punkte gegeben. 😉

    Mochte übrigens am liebsten den Telefonkabelkampf auf Droge. Halbwegs schöner, wahnsinniger Film, der niemals eine Kontrolle über irgendetwas hat. Solche Filme gibt es also glücklicherweise immer noch.

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    • Danke für die Warnung! 😉

      Ich kenne Flo Liebs Punktewertung schon, doch freue ich mich natürlich über eine Begründung, denn so weit waren selbst wir selten auseinander.

      Ja, der Telefonkabelkampf war schon enorm unterhaltsam. Ich mochte noch den durchschaubaren Bestechungsversuch samt kippender Stimmung sehr gerne. Dort hat sich gezeigt was für ein Trottel Belfort ist und ich mochte, wie Kyle Chandlers Charakter stets die Oberhand hatte. Herrlich!

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    • Ich hatte auch gehofft, dass Matthew McConaughey noch einen Auftritt hat. Allerdings ist es wohl umso bemerkenswerter, dass er mit den paar Minuten Screentime einen solch unvergesslichen Charakter schafft. Fantastisch! Eine halbe Stunde kürzer und der Film wäre wohl noch eindrucksvoller gewesen, andererseits geht es ja um Exzess, also macht die verschwenderische Laufzeit irgendwie auch wieder Sinn… 😉

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  2. Ach, ich mochte den auch und habe ihn mir auf Blu-ray geholt, um alle Exzesse in höchstmöglicher Auflösung zu sehen 😉
    Hätte ich gerne Mr. Belfort am Ende in einer kargen Gefängniszelle verrotten sehen? Klar. Brauche ich weinende Anleger? Nein. Hätte ich gerne noch Extra-Szenen mit noch mehr F-Bomben gehabt? Nee, lass mal. Man kann aber nicht alles haben und alleine für die Szene mit dem weißen Lamborghini lohnt sich der Kauf locker. Könnt ich mir stundenlang ansehen.

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    • Ich habe auch die bonbonfarbene Blu-ray gesehen. Sehr lohnenswert! Scorsese hat diese Art der Inszenierung einfach drauf und zusammen mit DiCaprio bildet er ein unschlagbares Team.

      Das Ende fand ich sogar extrem gelungen, gerade weil man merkt, dass Belfort auch nur so sein kann, wie er war, weil es eben einen Markt dafür gibt. Trotz all der Lügen wollen die Leute immer noch von ihm wissen, wie sie schnell an Geld kommen. Nichts gelernt. Perfekt!

      Die Lamborghini-Szene, also speziell die spätere Auflösung, fand ich auch herrlich. Einfach wunderbar inszeniert.

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    • Hatte Timo K. oben ja schon angekündigt und ich kenne deinen Tweet dazu. Was sind konkret deine Kritikpunkte? Würde mich mal interessieren, selbst wenn wir hier auf keinen gemeinsamen Nenner kommen.

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      • Hab zum Glück das Meiste schon wieder vergessen. Für mich hatte der Film keine Geschichte und keine Figuren, war entsprechend drei Stunden Langeweile, da mir alles völlig belanglos vorkam. Ich würde das Ganze sogar nur unter Zwang als „Film“ bezeichnen, im Grunde ist es schlicht eine Frechheit. Scorsese gehört für mich ohnehin mit Spielberg und Co. in ein Seniorenheim für Regisseure. Haben seit 20 Jahren keinen guten Film mehr abgeliefert. Und DiCaprio spielt auch in jedem Streifen mit derselben Mimik seinen Stiefel runter, einfach nur grausig das alles. Grausig.

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      • Danke für dein Erläuterungen! Ich glaube jedoch, ich kann mir meine Argumente sparen. Was Scorsese angeht, so mochte ich, dass er in den letzten Jahren experimentierfreudiger wurde, speziell „Shutter Island“ fand ich grandios. Ebenso wie DiCaprio. „The Wolf of Wall Street“ spaltet auf jeden Fall die Kritiker bzw. Zuschauer, insofern bist du mit deiner Meinung auch nicht allein.

        Von Spielberg fand ich zuletzt „München“ richtig gut, habe jedoch auch die neuesten Werke (z.B. „Lincoln“) noch nicht gesehen.

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  3. Klingt nicht verkehrt, wenn du den Film beschreibst – mir ging er aber dermaßen auf die Nerven, als ich ihn mit froher Erwartung in der Sneak gesehen habe, dass ich WOLF OF WALL STREET einfach nicht viel abgewinnen kann. Jonah Hill spielt für mich keine ernsthafte Rolle, Leo ist klasse, der Film abartig lang und dadurch quälend, wie er durch die simple Geschichte führt, der Protagonist wird bei all seinen Fehlern doch immer glorifiziert, das ständige Fluchen war für mich nach einer Stunde ebenso wenig auszuhalten, wie die teils eklatant schlecht gesetzten Schnitte.

    Hätte mich der Film nicht nach einer Stunde vollkommen aus seiner Handlung und Atmosphäre geworfen, wäre die Liste der Kritikpunkte deutlich kürzer. So war es aber eine der quälendsten Kinobesuche überhaupt (nicht nur im letzten Jahr).

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    • Danke für die ausführliche Beschreibung. Das hilft doch sehr andere Meinungen in Relation zu setzen. Ich kann teils nachvollziehen, was du meinst (speziell was die ausgewalzte Darstellung der Exzesse und die teils repetitive Handlung angeht), andererseits aber nicht (Jonah Hill, Glorifizierung, Schnitt).

      Die Atmosphäre fand ich sogar ziemlich großartig, da der Film trotz Hochglanz immer schmutzig und abstoßend gewirkt hat. Quälend ist der Film teilweise, doch habe ich das im Sinne der Geschichte eher als positiven Aspekt wahrgenommen.

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  4. Es ist so eine Hassliebe, die ich mit dem Film verbinde. Auf der einen Seite hat er einige richtig geile Gags, auf der anderen Seite war er mir zu überzogen und… gleichgültig. Recht zügig kam der Punkt, wo ich auf die ganzen Orgien keinen Bock mehr hatte, weil es echt anstrengend wird.
    Und japp, dieses Gejammere, Scorsese würde keine moralische Stellung beziehen als Nonsens. Das Arschloch spielt DiCaprio bis in die Poren perfekt.

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    • Ich würde auch nicht sagen, dass ich den Film liebe oder mir jede Woche anschauen müsste, doch fand ich ihn in vielerlei Hinsicht wirklich beeindruckend. Die unzähligen Orgien und daraus resultierende Ermüdungserscheinungen gehören irgendwie auch mit zum System. Für Außenstehende eben komplett irrwitzig, nur für die Charaktere im Drogenrausch ganz normal. Das haben Scorsese und DiCaprio schon famos hingezaubert.

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  5. Ich glaub, es geht letztlich weniger um die Stellung von Scorese zu seinem Werk. Sondern darum, dass viele Menschen – vornehmlich Männer – genauso ein Leben führen wollen, wie es der Film zeigt. Jordan Belfort hat seinen Traum von „Mein Haus, meine Frau, mein Hubschrauber“ wahrgemacht, zumindest für ein paar Jahre. Vor seinen Freunden prahlt man weniger damit, wie man mit der Freundin auf der Couch „Das perfekte Promi-Dinner“ anschaut, sondern mehr mit grandiosen Alkohol-Abstürzen oder spektakulären Unfällen. Dementsprechend wird die Ironie des Films gerne übersehen. Ebenso war es bei „Wall Street“ in den 80ern. Natürlich kommt Gordon Gecko ins Gefängnis, aber nichtsdestotrotz haben seine Sentenz von „Gier ist gut“ viele Männer verinnerlicht und daraufhin BWL studiert. Die Auswirkungen sieht man ja an Spekulationsblasen der letzten Jahre. Eine leicht gewagte These, dass ein Film fast für den Zusammenbruch des Kapitalismus sorgte. Egal… 😉

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    • Keine Frage, es geht bestimmt ein gewisser Reiz von dieser Welt aus. Sieht man ja im Film auch ganz deutlich, dass gerade nach dem kritischen Artikel die Bewerber Schlange stehen: Macht, Geld, Sex, Drogen. Ja, das ist für viele ein Anreiz, speziell an der Börse, wo es nun einmal nur um eines geht: schnell viel Geld machen. Schon McConaugheys Charakter sagt ja bereits ganz am Anfang: Niemand weiß wie sich Aktien entwickeln werden, es geht nur um das Verkaufen und Gewinn für die Makler.

      Es ist bestimmt auch kein Zufall, dass gerade Scorsese diesen Film macht, war es doch bei seinen Gangsterfilmen ganz genauso: Auch diese haben eine perverse Art von Reiz ausgestrahlt – aus ganz ähnlichen Gründen. Doch sollte man nicht die Zuschauer als Standard nehmen, an denen die Satire vorbei geht. Da könnte man sich ja direkt einreihen bei den Kritikern, die „Starship Troopers“ als Militärpropaganda sehen. Kann man wirklich viel drüber diskutieren, was ich als weitere Stärke des Films empfinde.

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      • Stimmt! Unter diesem Gesichtspunkte hatte ich den Film ja noch gar nicht betrachtet. Sehe ich es richtig, dass er überhaupt keinen Oscar mit nach Hause genommen hat? Ist ja mal wieder typisch…

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  6. Ich hab den Film im Kino sehen können und war begeistert davon – bei der zweiten Sichtung auf der kleinen Leinwand zuhause habe ich aber gemerkt, dass er einige Längen hat. Wie du schon sagst: Man wäre mit einer kürzeren Laufzeit und weniger Eskapaden auch gut ausgekommen, zumal Leonardo DiCaprio von Anfang bis Ende überzeugt.

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    • Ich bin mir noch nicht sicher, ob er für mich beim zweiten Mal nicht besser funktioniert. Ist bei mir und Filmen, die weniger handlungsgetrieben sind, häufiger der Fall. Irgendwann schaue ich bestimmt noch ein zweites Mal rein und werde danach berichten… 🙂

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  7. Der film ist sicher 8 von 10 wert. Für mich als pausierender börsenhai ohnehin Pflichtfilm 😉 und auch für alle anderen die sich mit dem Themen beschäftigen bzw. Interesse daran haben etwas Einblick in diese welt zu bekommen…sicher sehr empfehlenswert.

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    • Ich war ja wirklich erstaunt, wie sehr der Film doch polarisiert. Hätte ich so nicht erwatet, besonders da meist die beiden Extreme überwiegen. Ich habe ihn auch sehr gemocht und werde ihn bestimmt noch einmal anschauen… 🙂

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