Louis Theroux: The Collection

Über diverse Erwähnungen im Celluleute-Podcast, bin ich auf den Dokumentarfilmer Louis Theroux aufmerksam geworden. Da der seit den 1990er Jahren aktive Journalist bereits unzählige Dokumentationen produziert hat, war es gar nicht so leicht einen Einstieg zu finden. Letztendlich bot sich „Louis Theroux: The Collection“ an, welche eine Auswahl seiner Werke von 1995 bis 2003 umfasst und nicht nur einen wirklich unterhaltsamen Einblick in die seltsame Welt unterschiedlicher Subkulturen bietet…

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Normalerweise bespreche ich keine konkreten Veröffentlichungen (DVDs oder Blu-rays), sondern den jeweiligen Film bzw. die jeweilige Serie an sich. In diesem Fall muss ich jedoch davon abweichen, da die Dokumentationen von Louis Theroux sehr unüberschaubar veröffentlicht werden. Es gibt unzählige und teils vergriffene Einzelausgaben, Sammelboxen mit mehreren Dokus, doch keine seiner Doku-Reihen ist bisher komplett erhältlich. So habe ich – nach ein wenig Recherche – „Louis Theroux: The Collection“ als Einstieg gewählt, was sich als sehr gute Entscheidung erwiesen hat, bietet die Box doch einen guten Überblick über Therouxs bisheriges Schaffen.

Zunächst ein paar Worte zu Louis Theroux (übrigens Cousin von Schauspieler und Drehbuchautor Justin Theroux) selbst: Wenn man die Liste an Themen liest, die im Mittelpunkt der ca. 45- bis 60-minütigen Dokumentationen stehen, dann könnte man das Schlimmste erwarten: Einblicke ins Porno-Geschäft, das Leben von leidenschaftlichen Swingern, überzeugten Neo-Nazis und ein Bordell rufen Assoziationen zu Möchtegern-Krawall-Dokus à la RTL2 hervor. Nichts könnte jedoch ferner liegen, denn Louis Theroux nähert sich den Individuen seiner Beobachtungen mit teils erschreckend viel Respekt und gibt ihnen nahezu unbegrenzten Freiraum sich zu äußern. Durch sein beinahe schon passives Auftreten entlockt er seinen Interview-Partnern teils Aussagen, die oft schockierend, lustig oder einfach nur absurd sind. Dabei führt er sein Gegenüber nie vor und ist sich selbst auch nicht zu fein in oft peinlichen Situationen gefilmt zu werden.

Im Folgenden findet ihr eine Besprechung der unterschiedlichen Doku-Formate, die in dieser Sammlung vorliegen:

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Louis Theroux’s Weird Weekends
Die ersten 7 Dokumentationen entstanden von 1998-2000 und wurden im Rahmen der 17-teiligen Serie „Louis Theroux’s Weird Weekends“ ausgestrahlt. In dieser reist Louis durch die USA und versucht verschiedenste Subkulturen zu verstehen, indem er sich unter ihre Mitglieder mischt. Ob dies nun die Porno-Industrie, die Swinger-Szene, schwarze Nationalisten, der Wrestling-Zirkus oder Gangsta Rapper sind – Louis bringt sich teils in unmögliche Situationen und wirft einen oft entwaffnend komischen und teils auch bedrückenden Blick in Bereiche der amerikanischen Subkultur.

When Louis Met…
Für die nächsten 5 Dokumentationen hat Louis von 2000-2002 britische Prominente begleitet. Dies hatte mich zunächst abgeschreckt, da diese in Deutschland größtenteils weder bekannt noch von Relevanz sind. Dennoch haben sich gerade diese Dokumentationen als überraschend und sehenswert entpuppt. Am bekanntesten dürfte wohl noch Jimmy Savile sein, der nach seinem Tod zur zentralen Figur im Skandal um sexuellen Missbrauch von Kindern in der BBC wurde. Fasznierende, komische und erschütternde Einblicke in das Leben sogenannter Celebrities.

Louis Theroux’s BBC Two Specials
Diese beiden Dokumentationen gehören zur Reihe der BBC Two Specials, die bisher 22 Episoden enthält und die bis heute fortgeführt wird. Man merkt, dass Louis etwas ernster an die Themen herangeht, doch seinem typischen Stil auch beim Besuch einer Neo-Nazi-Gruppierung und eines der größten legalen Bordelle der USA treu bleibt. Erneut hat es mich hier fasziniert, wie gut er Beziehungen zu seinen Gesprächspartnern aufbauen kann, selbst wenn sich diese weit abseits seiner persönlichen Moral und Weltsicht bewegen.

TV Nation
Die letzten 4 Kurzdokumentationen (ca. 10 Minuten) waren Teil des von Michael Moore („Bowling for Columbine“) 1994 erschaffenen Satire-Nachrichtenmagazins „TV Nation“, in dem Louis Theroux seine ersten Auftritte hatte. Besonders hier sieht man deutlich die Entwicklung, die Theroux seitdem durchgemacht hat – und dennoch war sein unverkennbarer Stil bereits damals zu finden.

Letztendlich kann ich „Louis Theroux: The Collection“ nur allen ans Herz legen, die sich auch nur am Rande für Dokumentationen interessieren. Durch das Serienformat kann man immer mal wieder eine Episode einschieben und dabei eine Vielzahl von unterschiedlichen Lebensweisen kennenlernen – von komisch bis abartig ist alles dabei. Genau die richtige Mischung aus Anspruch und Unterhaltung. Und nun? Mit welchen DVDs mache ich nun weiter? Ich will mehr! Großartiges Fernsehen: 9/10 Punkte.

17 Gedanken zu “Louis Theroux: The Collection

    • Bei Moore hatte er angefangen, Theroux ist aber ganz anders von seiner Art. Eher beobachtend und viel subtiler. Eine seiner bekanntesten Dokus dürfte wohl „The Most Hated Family in America“ sein. Ist heute auch auf DVD bei mir angekommen und der Bericht folgt auch noch irgendwann.

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    • Falls du mal dazu kommst und gefallen daran finden solltest, dann kann ich dir o.g. Box nur ans Herz legen. Kostet oft nur einen 10er und ist inhaltlich top, wenngleich dir die älteren Dokus zu verspielt sein könnten. Aber mach dir am besten selbst ein Bild. Dauern ja nur immer 40 bis 60 Minuten.

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    • Sonntagvormittag? Was für eine Verschwendung! Weißt du welche der Theroux-Reihen da kommt und ob diese synchronisiert sind? Könnte ich mir so gar nicht vorstellen. Da bleibe ich am Sonntag doch lieber bei „Die Sendung mit der Maus“… 😉

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  2. Ohja, ich habe auch schon diverses von und mit Louis Theroux gesehen. Was mir mit Sicherheit am stärksten im Gedächtnis geblieben ist war „The Most Hated Family in America“. Das ist dermaßen unfassbar was man dort sieht… Kann ich nur jedem empfehlen der mal wieder sprachlos und mit offenen Mund vor dem TV sitzen möchte. Handwerklich super gemacht, kann ich nur empfehlen.

    Glaub in die Collection werd ich auch mal reinschauen bei Gelegenheit.

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    • „The Most Hated Family in America“ habe ich auch schon gesehen und fand ich auch krass und beängstigend. Hierzu gibt es ja eine Folgedoku von Theroux, in der bereits einige Mitglieder diese Kirche verlassen hatten. Werde ich demnächst aber auch noch einmal besprechen, da sich die Doku auf dem jüngst bei mir eingegangenen DVD-Set befindet. Die Collection ist auf jeden Fall sehr empfehlenswert und für den gebotenen Gegenwert ein echtes Schnäppchen!

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  4. Also ich bin nun gerade mitten in „Louis Met…“ und kann sagen, dass ich die Shows grundsätzlich unterhaltsam finde, allerdings auch ziemlich problembelastet. Gerade deinen Äußerungen mit teils erschreckend viel Respekt (…) gibt ihnen nahezu unbegrenzten Freiraum sich zu äußern. Durch sein beinahe schon passives Auftreten kann ich mich nicht so recht anfreunden. Jimmy Savile hat schon Recht, wenn er Theroux eine aggressive Herangehensweise unterstellt und der „Respekt“ ist m.E. auch eher Vorwand, gerade wenn er mit „gefährlicheren“ Gesprächspartnern spricht. Grundsätzlich ist mir sein Ansatz, so interessant die Themenfelder sind, viel zu oberflächlich (zum Beispiel bei den Thai Brides oder auch den Wrestlern – Ansätze werden nicht weiterverfolgt). Entscheidende Fragen stellt er oft nicht, hakt lieber 10 Mal nach, weil er bestimmte Leute in ein bestimmtes Licht rücken will. Beispielsweise dass der Magier in Rente eigentlich seiner Frau ihr Ballett nicht gönnt.
    Wie gesagt, kann man gut weggucken, aber von mir gibt es bestenfalls 7/10 Punkte dafür (vielleicht reißen es die verbliebenen Folgen ja noch einen halben Punkt hoch).

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    • Deine Einschätzung ist ziemlich genau so, wie ich es auch erwartet hatte. Du bist ja viel erfahrener, was Dokus angeht, so dass die Louis Theroux-Geschichten natürlich Fliegengewichte für dich sein müssen. Die „Weird Weekends“ gehen tatsächlich nicht sonderlich tief und sind eher auf den Unterhaltungsaspekt aus, aber das mag ich auch gerade an ihnen. Was du über „When Louis Met…“ schreibst, stimmt auch bis zu einem gewissen Grad, doch ist es besonders hier wohl auch eine beständige Gradwanderung bis zu dem Punkt, dass die sogenannten Berühmtheiten das Interview abbrechen würden. Für mich dennoch spannende Einblicke.

      Ich könnte mir vorstellen, dass dir die ernsthafteren „BBC Two Specials“ besser gefallen, von denen sich immerhin zwei auf dieser Sammlung befinden. Diese sind allesamt ernster und widmen sich eher tatsächlichen Problemstellungen.

      Auf jeden Fall danke für dein Feedback… 🙂

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