Verblendung – OT: Män som hatar kvinnor (2009)

Meist liegt bei mir zwischen dem Lesen eines Romans und der Sichtung dessen Verfilmung ein gewisser Zeitraum. Nötiger Abstand um das Gelesene zu verarbeiten. Insofern stellt die Sichtung von Niels Arden Oplevs „Verblendung“ eine kleine Premiere für mich dar. Nur einen Tag nach dem Beenden der Vorlage hatte der Film somit eine ganz eigene Wirkung. Eine wahrlich seltsame Erfahrung.

In den ersten Minuten des Films tat ich mir teils schwer mich von Stieg Larssons wunderbarer Vorlage zu lösen. Beständig suchte ich nach Abweichungen und verglich die Bilder meines Kopfkinos mit Niels Arden Oplevs Inszenierung. Doch schon bald gelang es dem Film mich auf seine ganz eigene Art gefangen zu nehmen, was nicht zuletzt an seinen grandiosen Darstellern liegt. Besonders Noomi Rapace als Lisbeth Salander ist eine kleine Offenbarung.

Oplev gelingt es wahrlich famos die düstere und eiskalte Atmosphäre in äußerst bedrückenden Bildern festzuhalten. Besonders Lisbeths Geschichte wird nahezu 1:1 aus der Vorlage übernommen und ist teils wirklich hart anzuschauen. Drastisch, brutal und dabei sehr europäisch. Die Gewalt dient – wie bereits in Larssons Roman – der Geschichte und besonders der Charakterisierung und nicht, wie so oft in amerikanischen Thrillern, dem reinen Selbstzweck.

Im Vergleich zur Vorlage lässt die Verfilmung natürlich viele Details aus. Wie könnte es auch anders sein? Immerhin werden hier 700 Seiten in knapp zweieinhalb Stunden gepackt. Trotz seiner für einen Thriller langen Laufzeit wirkt der Film zu keiner Zeit langweilig und als Kenner der Vorlage hätte ich mir sogar noch mehr Zeit für gewisse Handlungsstränge gewünscht. Besonders die letzte halbe Stunde rund um die Auflösung von Harriets Verschwinden wirkt viel zu gehetzt und nebensächlich erzählt. Im Buch hatte mich ihre Geschichte wirklich erschüttert, im Film dagegen ist nur ein Bruchteil der beklemmenden Intensität zu spüren.

Trotz leichter Schwächen im Finale ist „Verblendung“ eine absolut gelungene Verfilmung von Stieg Larssons Bestseller, welche sowohl Kennern der Vorlage als auch Neulingen gefallen dürfte. Ich war besonders angetan von der unterkühlten Bildsprache und den herausragenden Schauspielern. Von mir gibt es eine dicke Empfehlung: 8/10 Punkte.

25 Gedanken zu “Verblendung – OT: Män som hatar kvinnor (2009)

  1. Sowas habe ich vor kurzem auch zum ersten Mal versucht (Film direkt nach dem Buch ansehen), und ich werde mir beim nächsten Mal wieder mehr Zeit lassen. Man vergleicht es doch zu sehr, obwohl es irgendwie auch ein interessanter Effekt ist.

    Ich werde mal sehen, ob es die Bücher bei uns in der Bibliothek gibt. Die Serie scheint ja doch sehr gut zu sein.

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  2. Ja, ich werde das nächst Mal auch wieder länger warten. Doch in diesem Fall hatte ich das Buch gerade durch, war hochgradig begeistert und es gab die Blu-ray zum Schnäppchenpreis. Da konnte ich nun wirklich nicht nein sagen… 😉

    Wirst du auch über deine Erfahrung mit der Trilogie schreiben? Würde mich freuen. Allerdings verpasse ich ganz oft die Feeds von deinem Blog (nutze Bloglines) und weiß nicht woran das liegt.

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  3. Das kann noch eine Weile dauern, ich habe noch so viel ungelesenes Zeug rumliegen (und komme nie dazu). Wenn, dann werde ich aber was dazu schreiben, versprochen. Ich bin aber eigentlich nicht sooo ein großer Freund von diesem nüchternen skandinavischen Stil.

    Da ich keine Feedreader benutze, kann ich dir zu der Bloglines-Sache leider auch nichts sagen. 😦

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  4. Das mit den vielen ungelesenen Büchern kenne ich. Bei mir warten nach dieser Trilogie auch mindestens schon wieder drei weitere. Larssons Stil ist einerseits zwar durchaus typisch skandinavisch, andererseits aber auch recht ausschweifend. Könnte dir also dennoch gefallen.

    Bzgl. Feedreader werde ich dann eben öfter mal per Hand auf dein Blog schauen müssen… 😉

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  5. Wichtig für mich (obwohl ich auch mal gerne Bücher lese), ist der Film denn auch verständlich, wenn man die Buchvorlage nicht kennt? Oder fehlen dann doch einige Facetten und Erzählstränge, die für dich im Roman eigentlich als unverzichtbar erschienen?

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  6. Verblendung ist wirklich sehr gelungen. Leider wurden die beiden nachfolgenden Filme von einem anderen Regisseur verfilmt, der zudem ein ziemlicher Stümper ist. Ich habe die Romane leider noch nicht gelesen, hoffe aber mal, dass sie nicht auch deutlich schwächer sind als noch der erste Teil.

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  7. @Dos Corazones: Hmm, eine schwierige Frage, die ich als Buchkenner wohl nur bedingt beantworten kann. Dennoch denke ich, dass man sich „Verblendung“ auch sehr gut ohne Kenntnis der Vorlage anschauen kann. Man wird auch weniger vermissen, was die Qualität des Films theoretisch noch steigern könnte.

    @Nachtfalke: Ich bin gerade am zweiten Teil der Buchvorlage dran und kann bis jetzt keinen Qualitätsabfall feststellen. Das was du über die Filme erzählst klingt dagegen ja leider nicht so gut. Aber mal schauen.

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  8. Fand die ersten 100 Minuten des Filmes – ohne Kenntnis des Romans, den ich ggf. nun noch nachholen werde – sehr gut und spannend inszeniert. Bei der Auflösung (der des Mörders) brach der Film dann wie zu erwarten war ein. Die letzte halbe Stunde ist dann – zumindest für mich – einzigartig in der Filmgeschichte. Ich hab selten einen Film gesehen, der sich so sehr bemüht, mit jeder folgenden Einstellung noch mehr an seinem eigenen Denkmal rumzuhacken. Wäre der Streifen nach 100 Min. vorbei gewesen, hätte man ihm die reichlich profane Auflösung noch verzeihen können. Indem er dann aber Harriets Schicksal (mit dieser Aufklösung) aufarbeitet, demontiert er sich Stück für Stück mehr. Ich saß wirklich nur noch da und dachte mir „Abspann, warum schneidet niemand endlich den Abspann rein?“….

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  9. Da kann ich dir nur Recht geben, wenngleich ich – wohl aufgrund meiner Kenntnis der Vorlage – das übertrieben lange Finale nicht ganz so schlecht fand. Im Buch zieht sich die Geschichte nach der Auflösung (im Bezug auf den Mörder) bestimmt noch 150 Seiten und besonders Harriets Vergangenheit wird äußerst bedrückent (und weit nicht so aufgesetzt wie im Film) geschildert. Auch Lisbeths Abrechnung mit Wenneström ist viel, viel ausführlicher, was – besonders im Bezug auf den Nachfolgeroman – durchaus Sinn macht. Somit konnte ich mir im Film die fehlenden Teile dazu denken und durchaus mit dem Ende leben.

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  10. [Achtung Spoiler]

    Ich hätte es sinnvoller gefunden, wenn Martin einfach auch Harriet getötet hätte. Das ganze Aufschlüsseln mit der Vergewaltigung durch den Vater UND den Bruder, den Vatermord, die Flucht nach Australien unter dem Namen der Cousine (!), usw. wurde mit jeder neuen Szene für mich nur lächerlicher. Wenn der Roman da nur noch mehr auf die Tränendrüse drückt, spare ich ihn mir wohl lieber.

    [Spoiler Ende]

    P.S.: Hab jetzt zwar nur eine Sequenz gehört, aber die dt. Synchro scheint ziemlich zu saugen (was für dt. Synchros aber nichts Ungewöhnliches ist).

    Und damit genug gezettert 🙂

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  11. Ich würde nicht sagen, dass das Ende des Romans auf die Tränendrüse drückt. Eher legt es den Grundtenor der Trilogie noch stärker fest, der immer wieder die Misshandlung von Frauen aufgreift. Im Buch fand ich das durchaus schlüssig und spannend erzählt, was wohl auch daran lag, dass das Rätsel um Harriats Verschwinden etwas anders gelöst wurde.

    Ich habe nur die Synchro gesehen, da mir schwedisch mit Untertiteln am Abend der Sichtung doch zu anstrengend war und fand sie auch nicht sonderlich berauschend.

    Mal sehen, wie das Remake von Fincher wird. Die düstere Grundstimmung sollte ihm ja liegen und wenn die Geschichte nun nicht einfach 1:1 übernommen, sondern noch einmal angepasst wird, könnte da sogar etwas daraus werden.

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