Das Leben der Anderen (2006)

Gestern Abend habe ich seit bestimmt über einem Jahr zum ersten Mal einen Film live bei der TV-Ausstrahlung verfolgt. Dabei wollte ich ursprünglich nur kurz in Florian Henckel von Donnersmarcks „Das Leben der Anderen“ reinschauen, um einen Eindruck von dem Film zu bekommen. Sogar eine DVD hatte ich mir gedanklich schon zurecht gelegt. Doch schon nach den ersten Minuten hatte mich der Film in seinen Bann gezogen.

Normalerweise bin ich recht inkompatibel mit Oscar-Gewinnern. Insofern hatte ich auch den erfolgreichen deutschen Beitrag des vergangenen Jahres als typischen Oscarfilm abgestempelt. Ich hatte eine langweilige Geschichtsstunde über die Stasi erwartet. Einen Aufarbeitungsfilm. Doch was ich zu sehen bekam, war ein zutiefst menschliches Drama. Ein Drama über Verantwortung. Sich selbst und anderen gegenüber. Über Moral. Über Kunst. Über Wahrheit und Aufklärung. Zensur und Verrat. Doch trotz aller abstrakten Begriffe steht stets der Mensch im Mittelpunkt – und genau das macht „Das Leben der Anderen“ zu einem wirklich sehenswerten Film.

Schauspiel und Inszenierung sind auf sehr hohem Niveau. Besonders der 2007 verstorbene Ulrich Mühe erschafft eine faszinierende Figur, die nie Gefühle zeigen darf und doch weiß Mühe mehr in einem Blick auszudrücken, als andere Darsteller es mit noch so großen Gesten vermögen. Wirklich fantastisch. Auch Sebastian Koch und Martina Gedeck wissen als lebhafter Gegenpol zu überzeugen.

Kritikpunkte vermag ich kaum zu finden. Die beinahe zweieinhalb Stunden vergehen – trotz des relativ anstrengenden Themas – wie im Fluge und man wird förmlich mit der Handlung mitgerissen. Einzig in manchen Szenen erschien mir die Kameraarbeit etwas typisch deutsch und hätte auch in einen Fernsehfilm gespasst. Dies mag aber auch an der muffigen DDR-Ausstattung des Films liegen, die natürlich nötig war um Authentizität zu vermitteln. Insofern kein wirklicher Kritikpunkt.

Florian Henckel von Donnersmarck hat sich zurecht über den Auslandsoscar freuen dürfen, wenngleich für mich „Pans Labyrinth“ immer noch einen Tick gelungener ist. Dennoch ist „Das Leben der Anderen“ ein hochinteressanter Film, der emotional und inhaltlich mitzureißen vermag. Großes Kino aus deutschen Landen: 9/10 Punkte.

23 Gedanken zu “Das Leben der Anderen (2006)

  1. Warum auch? Der Film ist sowohl handwerklich, als auch künstlerisch wirklich gelungen. In den Blogs der üblichen Verdächtigen ist mir der Film noch gar nicht bewusst über den Weg gelaufen…

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  2. Ich hab den Film gestern auch mal wieder gesehen und war ebenfalls überrascht, wie sehr er mich auch beim zweiten Mal berührt hat. Es sollte wirklich viel mehr Filme geben, die auf so eine menschliche Art über eine historische Begebenheit oder Situation erzählen.

    Und besonders schön finde ich den Schluß: „Soll ich es als Geschenk einpacken?“ – „Nein, es ist für mich“.

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  3. Nun, ein Groß-Teil der „üblichen Verdächigen“ sieht in diesem Film eine üble Ansammlung vereinfachender Klischees die von Donnersmarck zu seinem Film zusammengesetzt werden – Um es mal in einem Satz zusammenzufassen.

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  4. @ Miss Sophie: Genau, das fand ich auch. Viele Filme oder generell Geschichten, die auf historische Ereignisse Bezug nehmen sind völlig überladen weil versucht wird alles zu einem Thema in zwei Stunden zu packen. Doch gerade das kleine Fenster, das uns Zuschauern den Blick in die menschlichen Schicksale gewährt, macht die Ereignisse – zumindest für mich – um einiges greifbarer, als eine noch so große Detailversessenheit.

    @ C.H.: Doch das ist ja genau der Punkt. Man kann nicht alles in einen Film packen. So würde man der Vergangenheit nicht gerecht werden. Um das zu erreichen müsste man ein historisches Fachbuch schreiben – und darf keine Geschichte erzählen. Die Wirkung von Emotionen wird im Film oft unterbewertet.

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  5. Da hat ein Film endlich mal das Zeug, dass ich meine Vorurteile gegenüber deutschen Filmen ablege und dann verpasse ich ihn. Dammit!
    Hoffentlich krieg ich ORF2 rein, da läuft er morgen in tiefster Nacht. Weiß wer, ob er sonst noch irgendwo wiederholt wird?

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  6. Ich weiß nur, dass er vor einigen Tagen bereits auf ARTE lief. Keine große Hilfe, ich weiß. War aber bestimmt nicht die letzte Ausstrahlung und zur Not lohnt sich auch die DVD…

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  7. Nimmt sich viel zu wichtig, vor allem in Donnerhenkels arroganter Regieführung. Inhaltlich für mich total am Thema vorbei, als durchschnittlicher Thriller akzeptabel aber da gibts weitaus besseres vorzuziehen. Spielt für mich in der Eichinger-Liga – muss man sich nicht antun.

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  8. Hmm. Ich fand die Regie eher zurückhaltend. Weniger auf Effekt, dafür mehr auf zwischenmenschliches Drama ausgelegt. Auch als Thriller sehe ich den Film weniger. Aber nun gut. Ich weiß nun zumindest, an welchen Faktoren du dich störst.

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  9. Auch bei dir finde ich keine Kritik. Was bitte ist an dem Film verlogen? Weil er eine menschliche Seite des Regimes zeigt? Keine realistische 1:1-Abbildung des Schreckens, sondern einen Hoffnungsschimmer? Weil er eine Geschichte erzählt? Da brauche ich schon stichhaltigere Argumente, um die harsche Kritik zu akzeptieren.

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  10. Nein. Nein und nein. Ich kann den Film nicht ab. Diese Klischee- und Vorurteilsspielerei. So verdammt verlogen ist das.

    Verlogen sind einzig und allein diese Totschlag-Argumente von wegen Klichee und Vorurteile, die jegliche argumentative Auseinandersetzung im Keim ersticken, eben weil sie in deiner Argumentation völlig tautologisch sind. Deshalb brauchst du die Diskussion wirklich nicht mehr zu führen, weil sie eben dann in der Tat zu Nichts führt. 😉

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  11. Okay, nun weiß ich schon mehr, doch: Wo finde ich nun diese Diskussion in ihrer anscheinend so bestürzenden Gesamtheit? Auch auf Kino, TV und Co. haben anscheinend nur Nachbeben stattgefunden. Ein kleiner Tipp vielleicht? 🙂

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  12. @ bullion

    Vor allem im privaten Bereich. Habe die Diskussion aber auch mal in nem Forum geführt.

    @ TheRudi

    Du und dein nerviger „Leim“-Spruch. 😉 Haste vom Rajko geklaut. Ansonsten sind wir d´accord. Huch, sagt er das nicht auch manchmal. *ichbindannvorerstmalweg* 😀

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  13. @ TheRudi: Die Einschätzung der Qualität des Films hat nichts damit zu tun, ob er nun deutsch, amerikanisch oder meinetwegen indisch ist. Es ist in meinen Augen einfach ein sehr guter Film.

    @ Kaiser_Soze: Okay, dann ist das Thema für mich auch erst einmal abgehakt… 😉

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