Das Bernstein-Teleskop (Philip Pullman)

Gestern Nachmittag habe ich die letzten Seiten von Philip Pullmans „Das Bernstein-Teleskop“ gelesen und damit auch die letzten Seiten seiner „His Dark Materials“-Trilogie. Schon lange hat mich kein Buch mehr so mitgenommen. Das Ende hat mich noch den ganzen Abend beschäftigt – und das obwohl ich auf einer Party unter dutzenden von Leuten war. Oft sind meine Gedanken zu Lyra, Will und ihren Dæmonen abgeschweift. Zu ihren Entscheidungen. Zu den Konsequenzen. Erst heute wird mir deren Tragweite langsam bewusst und ich werde mich garantiert noch lange mit ihnen beschäftigen.

Anfangs war ich vom letzten Teil der Trilogie etwas enttäuscht. Das erste Drittel des Romans fühlte sich teils wie eine überladene Fortsetzung von „Das Magische Messer“ an, ohne jedoch dessen emotionale Kraft zu entwickeln. Auch war mir der Krieg zwischen Asriel und Metatron etwas zu bewusst auf Religionskritik angelegt, ohne dabei jedoch ausreichend die Beweggründe beider Parteien darzustellen und zu begründen. Doch diese Kritikpunkte verblassen hinter der wunderbaren Geschichte um Staub, die Mulefa und die Verbindung zwischen Lyra und Will. Hier kommt auch die wahre Aussage des Romans zur Geltung: nämlich nicht blind zu glauben, sondern stets im Hier und Jetzt zu leben und die eigene Neugier und den Wissensdurst niemals versiegen zu lassen.

Philip Pullman schafft es gekonnt eine Brücke zwischen klassischem Fantasyroman und interpretationsbedürftiger Literatur zu schlagen. Dabei wirkt das Werk wie aus einem Guss und wenn man beide Aspekte zu schätzen weiß, kann man unglaublich viel Freude an „His Dark Materials“ haben. Ich werde noch lange über gewisse Ideen und Ansätze nachdenken. Am meisten werde ich jedoch Lyra und Will vermissen. Ich habe schon ewig nicht mehr so stark mit Figuren – egal ob aus Literatur oder Film – mitgeliebt und -gelitten.

Mit „Das Bernstein-Teleskop“ geht wohl die beste Romantrilogie zu Ende, die ich bisher gelesen habe. Das nun entstehende Loch wird nur schwer zu füllen sein. In meinem Bücherregal wird Philip Pullmans „His Dark Materials“ auf jeden Fall einen Ehrenplatz bekommen: 10/10 Punkte.

28 Gedanken zu “Das Bernstein-Teleskop (Philip Pullman)

  1. Danke für diesen Beitrag. Du schreibst genau das, was ich auch dachte bzw. wie es mir nach dem Lesen des Buches ging.
    Anfangs war ich auch skeptisch, das Buch kam mir irgendwie ziemlich kitschig vor, aber das war dann zum Glück schnell vorbei.
    Hab die Bücher ja jetzt schon 2 mal gelesen, aber irgendwann folgt mit Sicherheit auch das dritte Mal.

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  2. Ich kann mir gut vorstellen die Geschichte auch noch ein zweites Mal zu durchleben – wie gesagt: Ich bin immer noch gefesselt von dem Erlebnis.

    Im Moment hoffe ich auch sehr auf den Director’s Cut von „Der Goldene Kompass“ (die fehlenden Szenen sind ja schon abgedreht) und die Verfilmung der beiden fehlenden Teile. Doch irgendwie befürchte ich, dass dies nur eine Hoffnung bleiben wird…

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  3. Du Hund! Schreib doch sowas nicht. Hab grad erst das erste Buch des ersten Bandes fertig gelesen. Also noch eine weite Strecke vor mir, wobei mich bisher noch nicht aus den Latschen kippt, was Pullman da präsentiert. Aber zugegeben, noch erklärt er recht wenig und die Lobeshymnen, auch aus dem Bekanntenkreis, sind enorm. Ich les dann also mal fleißig weiter.

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  4. Ab „Das Magische Messer“ eröffnet sich eine ganz neue Welt, die – zumindest für mich – weit über das hinausgeht, was man nach „Der Goldene Kompass“ erwartet hätte. Du kannst dich folglich wirklich freuen noch eine fantastische Reise vor dir zu haben!

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  5. Naja.. es eröffnet sich ja schon am Ende von „Der goldene Kompass“ eine ganz neue Welt 😉
    Ich hab den Film bis jetzt noch gar nich gesehen, hab aber gehört, dass er ziemlich bescheiden sein soll…
    Wenns den mal ganz billig gibt, werd ich ihn mir kaufen, vllt. warte ich dann aber auch noch die fehlenden Szenen ab.

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  6. Der Film ist eigentlich wirklich gut. Chris Weitz hat Lyras Welt ziemlich perfekt getroffen, doch leider war dem Studio – wie leider so oft – die Geschichte samt Ende zu düster. Daraufhin wurde das Ende gekappt und der Film umgeschnitten (Lyra kommt im Film zuerst nach Svalbard und dann nach Bolvangar). Atmosphäre, Ausstattung, Schauspieler und Inszenierung sind aber wirklich, wie man es sich wünschen würde – nun noch der Director’s Cut und ich bin glücklich mit der Verfilmung!

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  7. Ok ok, bislang hat sich ja das was du geschrieben hast meistens mit meinen Erfahrungen oder meinem Geschmack gedeckt, dann wirds hier vielleicht genauso sein. ^^
    In unserer Videothek wird der glaube ich gerade gebraucht angeboten, um die 6€ werd ich dann wohl ausgeben können 😉

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  8. Du kannst ihn dir ja notfalls erst einmal ausleihen und dann weitersehen, ob er dir der Film zusagt. Ich wollte ja auch erst auf den Director’s Cut warten, doch da neulich die SE im Angebot war, konnte ich nicht nein sagen… 😉

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  9. Pingback: Der Goldene Kompass - OT: The Golden Compass (WS1) « Tonight is gonna be a large one.

  10. So, mein lieber Bullion, nun bin ich fertig, vor ner Viertelstunde die letzte Seite gelesen. Demnächst folgt dann auch der Buch/Film-Vergleich, doch befürchte ich, wird dir beides nicht gefallen.

    Ich war ja bereits von SUBTLE KNIFE nicht soo angetan und auch AMBER SPYGLASS fand ich insgesamt eher enttäuschend. Viel zu überladen das Ganze, ungemein redundant und nirgends hinführend. Speziell die – in meinen Augen – überflüssige Geschichte um die mulefa, aber auch Asriel, sein intention craft und das Geschißlaweng (wie man in Schwaben sagt) um Metatron, Gomez und Mrs. Coulter. War mir dann irgendwann einfach zu blöd und insgesamt, wie erwähnt, viel zu überladen. Kriegt zwar letztlich wie KNIFE 7/10 Punkte, gefällt mir jedoch am schlechtesten von allen Teilen. Also 1. Band 8 Pkt. und die andern beiden jeweils 7. Soviel zur Kritik.

    Das Positive: während ich gerade in der Mitte endlich ein/das Ende herbeigesehnt habe, wurde mein Hert auf den letzten Seiten sehr, sehr schwer. Eines muss ich Pullman nämlich lassen, unabhängig davon dass HIS DARK MATERIALS eine ungemein langatmige Geschichte ist, verfügt sie dennoch über ungemeinen Charme. Will hab ich im dritten Band lieb gewonnen und gerade die auf den finalen Seiten entfaltete Liebesgeschichte zwischen den beiden 13-Jährigen (die man im Grunde ja niemanden im realen Leben so abkaufen würde), war unglaublich schön etabliert. Und immer wenn ich mich in einer Welt verliere – und das passiert in den besten Fällen – werd ich zum Ende sehr betrübt, speziell wenn es so, lobenswert, kompromißlos ist wie bei Pullman. Da schäm ich mich auch nicht zu sagen, dass ich mit den Tränen kämpfen musste. Und wenn man als Autor oder Geschichtenerzähler so etwas schafft, dann hat man viel erreicht. Auch meine Gedanken sind noch bei Will und Lyra und so ist das Ende der Geschichte letztlich einrägsamer und bizarrerweise bedeutungsvoller als beispielsweise bei der HARRY POTTER-Serie. Für mich selbst kein zeitloses Meisterwerk, aber eine außerordentliche Reihe, auch wenn ich selbst mich oft an ihr gestoßen habe.

    Mit “Das Bernstein-Teleskop” geht wohl die beste Romantrilogie zu Ende, die ich bisher gelesen habe.

    Magst also LORD OF THE RINGS nicht so sehr? Für mich ja immer noch die gewaltigste Romantrilogie.

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  11. Nun hast du es endgültig geschafft und bist durch. Schade, dass du der Trilogie nicht ganz so viel abgewinnen konntest, wie ich. Aber anscheinend hattest du ja zumindest einen gewissen Lesespaß, wie man deinen Aussagen über das Ende der Trilogie entnehmen kann. Auch ich war sehr gerührt von der zarten Liebesbeziehung zwischen Lyra und Will und musste noch lange die Konstellation zwischen den Figuren am Ende des Romans denken.

    Doch im Gegensatz zu dir haben mich die ausschweifenden Szenen nicht genervt. Es stecken so viele tolle Ideen in dem Buch, z.B. der Tod, der die Menschen stets begleitet oder auch die Mulefa. Für mich wichtige und wunderbar geschriebene Momente – und ebenso wichtig für die Reihe, wie die vermeindliche Hauptstoryline.

    Tolkiens Trilogie habe ich nie komplett gelesen. Ich habe es ein paar Mal probiert, doch bin ich nie über die Hälfte des zweiten Teils hinausgekommen – und das obwohl die kreierte Welt grandios ist und ich die Geschichte (zumindest den Teil, den ich aus den Filmen kenne) wirklich liebe. Vielleicht kann ich mich noch einmal irgendwann aufraffen mich durch die langwierigen Stellen zu kämpfen.

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  12. Das mit dem begleitenden Tod ist wirklich eine gute Idee. Wobei es schade ist, dass er ab einem Zeitpunkt dann einfach verschwindet. Mit den Mulefa konnte ich aber nichts anfangen, ihr Zweck bzw. das wofür sie standen war in meinen Augen bereits ausreichend an anderen Stellen erläutert worden.

    Tolkiens Bücher sind sehr viel besser als Jacksons oberflächliche Filme, die total „Verhollywoodisiert“ sind. Dabei haben sie durchaus auch ihre Längen, wenn sich Tolkien manchmal – wie auch Pullman – in seiner Bebilderungswut verliert. Aber von ihrer Bedeutungsgewalt her und ihrem innerlich geschlossenen Charakter des Transzendierten und doch Integrierten in meinen Augen von ihrer Bandbreite her unerreicht (mal von der Bibel mit Abstrichen abgesehen, obschon diese etwas steif geschrieben ist).

    Des weiteren können wir die Diskussion ja dann zu meinem COMPASS-Verriß vertagen, der spätestens nächstes Wochenende online geht 😉

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  13. Mich stört die Verhollywoodisierung in Jacksons Adaption überhaupt nicht – im Gegenteil. Die Trilogie ist für mich sogar das beste Beispiel für eine gelungene Filmreihe à la Hollywood. Aber ich bin ja auch kein Harcore-Verfechter der Vorlage, die ich über große Strecken einfach staubtrocken finde – dennoch sehr gut geschrieben und mit teils grandioser Atmosphäre. Dennoch hat mir „Der Hobbit“ als Buch besser gefallen… 😉

    Bin auf deinen Verriss gespannt – die Diskussion können wir dann ja wirklich bei dir weiterführen.

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  14. Ich bin zutiefst enttaüscht und traurig über „das Bernstein Teleskop“. Warum mussten Lyra und Will den getrennt werden? Eines Abends habe ich am Buch weitergelesen und weil es so spannend war, habe ich bis tief in die Nacht gelesen. Bis ich dann um etwa vier Uhr Morgens entlich fertig war. Ich habe die ganze Zeit geweint weil es so traurig ist. Und obwohl jetzt schon einige Zeit vergangen ist seitem ich es gelesen habe, bin ich trotzdem noch immer traurig. Ich habe beschlossen nie wieder ein Buch zu lesen. Warum haben sie alles verloren? Warum können sie nicht zusammen leben? Warum hat es Phillip Pullman so traurig enden lassen? Ich weiss es nicht. Aber das Buch bzw. die Bücher sind einfach nur toll. Obwohl ein Buch mit schlechtem Ende ein schlechtes Buch ist. Für mich ist es jedenfalls so. Hätte ich Phillip Pullmans E-mail adresse, hätte ich mich bei ihm beschwert.

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  15. Das ist aber eine seltsame Einstellung, die du da hast. Nur weil ein Ende traurig ist, muss es doch nicht schlecht sein. Auch ich war sehr traurig beim Lesen der letzten Seiten und hätte mir natürlich auch gewünscht, dass Lyra und Will zusammenbleiben. Doch das Ende, für das sich Philip Pullman entschieden hatte war emotional ergreifend und einfach wunderbar. Es kann nicht immer ein perfektes Happy End geben und auch wenn das Ende sehr traurig erscheint, so ist es doch voller Hoffnung. Ich kann deine Enttäuschung verstehen, jedoch solltest du nicht so verbittert an das Thema herangehen und schon gar nicht das Lesen komplett abschreiben.

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  16. du hast recht. aber es ist einfach nur so unendlich traurig. vielleicht bin ich auch nur traurig weil das buch zu ende ist. ich habe vorhin einbisschen übertrieben weil ich das ende vorhin noch mal gelesen habe. Wenn ich so überlege ist es eigentlich ein tolles Ende weil es, wie du gesagt hast, sehr emotional ist. Eigentlich liebe ich dieses Buch. es ist mein lieblings buch. es tut mir leid das ich so übertrieben habe.

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  17. Ist doch kein Problem. Mich hatte das Ende damals auch ziemlich mitgenommen, doch mit der Zeit habe ich gelernt es als wunderbares Ende für diese tolle Trilogie zu schätzen zu wissen.

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